PDF Ausgabe - Hygiene & Medizin 5/2018

- Artikel-Nr.: HM-05-2018-PDF
- Details: Zeitschrift, Einzel-Ausgabe, PDF-Ausgabe
- Extras:
Digitale PDF Ausgabe 05/2018 der Zeitschrift Hygiene & Medizin
Themen:
Aktuell:
- Europäische Impfwoche 2018 – BM Spahn fordert bessere Zusammenarbeit bei der Masernimpfung
- Krebs verhindern mit einer Impfung – nur jedes dritte Mädchen ist geschützt
Manuskript
Übersichtsartikel · Review
- Herbert Feld*, Nadine Oberender
Die unkontrollierte Verbreitung von quartären Ammoniumverbindungen (QAV) in Alltagsprodukten sowie in medizinischen und industriellen Bereichen – kritisch für Mensch, Material und Umwelt - Martin Exner, Ricarda Schmithausen*, Christiane Schreiber, Gabriele Bierbaum, Marijo Parcina, Steffen Engelhart, Thomas Kistemann, Esther Sib, Peter Walger, Thomas Schwartz
Zum Vorkommen und zur vorläufigen hygienisch-medizinischen Bewertung von Antibiotika-resistenten Bakterien mit humanmedizinischer Bedeutung in Gewässern, Abwässern, Badegewässern sowie zu möglichen Konsequenzen für die Trinkwasserversorgung
Referate:
- Peripher inserierte zentrale Venenkatheter (PICC): Geeignet für eine mittelfristige, ambulante Infusionstherapie
Veranstaltungen:
- Fortbildungsveranstaltung „Aktuelle Krankenhaushygiene“ am 07. März 2018 in Herne
Rubriken:
- Bücher
- Industrie, Jobs
- Termine
- Impressum
Übersichtsartikel
Herbert Feld*, Nadine Oberender
Die unkontrollierte Verbreitung von quartären Ammoniumverbindungen (QAV) in Alltagsprodukten sowie in medizinischen und industriellen Bereichen – kritisch für Mensch, Material und Umwelt
The uncontrolled spread of quaternary ammonium compounds (QACs) in everyday products as well as in medical and industrial areas – critical for humans, materials and the environment
Reinigungs- und Desinfektionsmittel und speziell eine wichtige Gruppe ihrer Inhaltsstoffe mit biozider Wirkung, die quartären Ammoniumverbindungen (QAV), finden heute eine weit über den medizinischen und pflegerischen Bereich hinausgehende Verbreitung und umgeben uns häufig unkontrolliert und meist unerkannt in fast allen Lebensbereichen, auch bei eigentlich völlig unverdächtigen Alltagsprodukten.
Im vorliegenden Artikel wird anhand von massenspektroskopischen Untersuchungen gezeigt, dass quartäre Ammoniumverbindungen nicht nur in den klassischen Bereichen Medizin und Pharmazie, sondern auch in Lebensmittel- und verschiedensten Alltagsprodukten weit verbreitet sind. Eine Verschleppung der QAV als Rückstände von Reinigungs- und Desinfektionsmitteln in die entsprechenden Produkte wird häufig beobachtet. Der hohe Rückstandsgehalt und die Anreicherungen von QAV bei Reinigungs-/Desinfektionsvorgängen beruht auf dem großen Haftvermögen der QAV auf Materialoberflächen, speziell bei Metallen (z.B. auf chirurgischen Instrumenten) und Kunststoffen. Praktisch unbekannt aber sind sowohl dem Verbraucher als auch vielen Fachleuten, dass QAV nicht ausschließlich auf Desinfektionsmittel zurückzuführen sind, sondern als Antistatika, Ladungssteuerungsmittel oder Biozidausrüstung häufig funktionelle Bestandteile von Beschichtungen bzw. bestimmter Komponenten von Gebrauchsgegenständen sind. Auch beschichtete Oberflächen in Krankenhäusern können bereits ab Werk mit QAV ausgestattet sein.
Die unkontrollierte Verbreitung der QAV führt zu verschiedensten Problemen. Aufgrund der praktisch allgegenwärtigen Grundbelastung mit QAV kann es zum einen bei Menschen zu allergischen Reaktionen der Haut/Atemwege bei Kontakt mit den QAV kommen. Zum anderen gelangen diese Verbindungen in die Umwelt, wo sie schwer abbaubar sind. Neben Wäschereien sind vor allem Krankenhäuser als Hauptquellen des Eintrags von QAV in Abwasserbehandlungsanlagen bekannt. Aufgrund der starken Verdünnung der QAV können sich Keime an sie gewöhnen und in der Folge möglicherweise auch gegen lebenswichtige Antibiotika resistent werden.
Demgegenüber treten die auf QAV-Belegungen auf Oberflächen zurückzuführenden Beschichtungsprobleme und die durch Anreicherungen der kapillaraktiven Tenside verursachten Materialschäden schon fast in den Hintergrund.
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Übersichtsartikel
Martin Exner1, Ricarda Schmithausen1, Christiane Schreiber1, Gabriele Bierbaum2, Marijo Parcina2, Steffen Engelhart1, Thomas Kistemann1, Esther Sib1, Peter Walger3 und Thomas Schwartz4
1 Institut für Hygiene und öffentliche Gesundheit der Universität Bonn
2 Institut für medizinische Mikrobiologie, Immunologie und Parasitologie der Universität Bonn
3 Sprecher der Deutschen Gesellschaft für Krankenhaushygiene (DGKH)
4 Karlsruher Institut für Technologie (KIT)
Zum Vorkommen und zur vorläufigen hygienisch-medizinischen Bewertung von Antibiotika- resistenten Bakterien mit humanmedizinischer Bedeutung in Gewässern, Abwässern, Badegewässern sowie zu möglichen Konsequenzen für die Trinkwasserversorgung
Preliminary risk assessment from a hygienic medical perspective concerning antibiotic-resistant bacteria in water bodies, wastewater, bathing water and possible consequences for drinking water hygiene
Einleitung: Vor dem Hintergrund der Zunahme von Resistenzen gegen Reserve-Antibiotika wie Carbapeneme und Colistin und der zunehmenden Berichte über deren Nachweis in der Umwelt, in Gewässern und Abwässern wurde in Nachfolge des BMBF-Verbundvorhabens RiSKWa das BMBF Verbund-Vorhaben HyReKA aufgelegt. Dessen Ziel ist die Erfassung der quantitativen und qualitativen Belastung von Abwässern mit und ohne Klinikeinfluss oder Einfluss der Agrar-Industrie, von Gewässern und von Kläranlagen (einschließlich deren Reduktionsleistung) mit Antibiotika-resistenten Bakterien, Antibiotika-Resistenzen und Antibiotika-Rückständen mittels kulturellen, molekularen, molekulargenetischen sowie chemisch-analytischen Nachweisverfahren.
Teilergebnisse aus HyReKA: Der Vergleich der bisherigen Untersuchungsergebnisse von Abwässern aus dem Klinikbereich bzw. von Klinik-beeinflussten städtischen Abwässern mit kommunalen Abwässern mit ländlich geprägten Einzugsgebieten zeigt qualitativ eine höhere Belastung der Klinik-beeinflussten städtischen Abwässer mit Gram-negativen Erregern, die gegen 4 Antibiotikagruppen einschließlich Carbapenemen und z.T. Colistin Inresistent sind. Der Anteil an 4MRGN an allen getesteten Gram-negativen Isolaten betrug bei den urbanen Abwässern inkl. Kliniken 28,4%, der Anteil an 4MRGN mit zusätzlicher Colistin-Resistenz betrug 9,7% . Im Vergleich ließen sich nur in 0,4% bzw. 0,18% der Gewässer- und Abwasserisolate aus einem ländlichen Fließgewässereinzugsgebiet inklusive kommunaler Abwässer 4MRGN bzw. 4MRGN mit Colistin-Resistenzen nachweisen.
Die Reduktion der kulturell nachweisbaren resistenten Bakterien im Zuge der Abwasserbehandlung beträgt dabei in den Kläranlagen des urbanen als auch des ländlichen Raumes rund 2–3 Log-Stufen. Es verbleiben jedoch noch Antibiotika-resistente Mikroorganismen, die eindrücklich den Handlungsbedarf hinsichtlich der notwendigen Intervention bei Kläranlagen belegen.
Somit stellen Kliniken bzw. städtische Abwässer mit Klinikeinfluss einen Schwerpunkt für den Eintrag von multiresistenten Erregern in die Gewässer dar.
Trotz einer Reduktion der Resistenzgene und der Genträger im Abwasserreinigungsprozess von Kläranlagen gelangen in die Vorfluter und in die Umwelt noch relevante Anteile dieser Antibiotikaresistenzen, die durch geeignete Aufbereitungsverfahren reduziert werden können.
Bewertung: Das Vorkommen in Gewässern und die möglichen Konsequenzen für die Trinkwasserhygiene, die Abwasseraufbereitung und für die Krankenhaushygiene sind bislang noch nicht einer hygienisch-medizinischen Bewertung hinsichtlich der Risikoregulatorischen Bewertung unterzogen worden. Diese Fragen stellen sich jedoch nunmehr auch für einige Bundesländer unter anderem mit Beginn der Freibadesaison. Vor diesem Hintergrund wird unter Berücksichtigung der ersten Teilergebnisse eine erste vorläufige und orientierende hygienisch-medizinische Bewertung gegeben, die jedoch erst nach Abschluss des Verbundvorhabens HyReKA umfassender erstellt werden kann. Dabei ist neben der Unterscheidung der Pathogenität der in der Regel fakultativ-pathogenen Antibiotika-resistenten Erreger auch die Prädisposition der Exponierten zu berücksichtigen.
Es kann nicht ausgeschlossen werden, dass diese Aspekte nicht ohne Risiko-regulierende Konsequenzen bleiben werden.
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