Blickpunkt: Das Wundnetz Saar e.V. in Zeiten der Pandemie und „Impfmarathon" in Ensheim

© Dr. Harald Böttge (links) bespricht sich mit Dr. Wolfgang Tigges (rechts), der aus Hamburg gekommen ist, um bei den Impfungen gegen SARS-CoV-2 zu unterstützen, zur Planung für den Tag.

© Dr. Harald Böttge (links) bespricht sich mit Dr. Wolfgang Tigges (rechts), der aus Hamburg gekommen ist, um bei den Impfungen gegen SARS-CoV-2 zu unterstützen, zur Planung für den Tag.

Das Wundnetz Saar e.V. in Zeiten der Pandemie und „Impfmarathon" in Ensheim


Dr. Harald Böttge aus Ensheim bei Saarbrücken gehört zu den Hausärzten, die jenseits der Impfzentren in ihrer Praxis und neuerdings auch im Pfarrzentrum Ensheim gegen Corona impfen. Böttge ist gleichzeitig auch im Vorstand der Initiative Wundnetz Saar tätig.
Das Wundnetz Saar e. V. hat sich zum Ziel gesetzt, die regionale Wundkompetenz durch ein interdisziplinäres Behandlungskonzept zu verbessern und alle zu vernetzen, die an der Behandlung chronischer Wunden beteiligt sind. Vorbild dafür ist das in Hamburg erfolgreich agierende Wundzentrum Hamburg e. V., mit dem Böttge über eine enge Freundschaft zu Dr. Tigges auch privat verbunden ist (siehe Foto).
Nachfolgend erzählt Dr. Böttge, wie er die Corona-Situation und das Impfgeschehen sowohl in seiner Praxis als auch in Bezug auf das Wundnetz Saar e. V. erlebt hat und derzeit erlebt.

 

Im Gesundheitszentrum Ensheim wird gerade intensiv gegen Sars-CoV-2 geimpft. Wie sind Ihre Erfahrungen?
Harald Böttge: Unser Gesundheitszentrum Ensheim gehört zu sieben Schwerpunktpraxen im Saarland, in denen ab März 2021 im ambulanten Bereich ge­impft wurde. Hier kam zunächst nur der Impfstoff Astra Zeneca zum Einsatz.
Es gab zwei Einbrüche im Impfgeschehen. Der erste Stopp erfolgte Ende Februar aufgrund eines Lieferausfalls seitens des Herstellers, der zweite Stopp erfolgte Mitte März nach Berichten von sieben Fällen von Hirnvenenthrombosen in zeitlichen Zusammenhang mit der Impfung mit Astra Zeneca.
Auf Empfehlung des Paul-Ehrlich-­Instituts setzte die Bundesregierung daraufhin sämtliche Impfungen mit dem Astra-Zeneca-Vakzin aus. Eine Woche später lief die Impfung wieder an, aber der Impfstoff von Astra Zeneca sollte vorerst nicht mehr an unter 60-Jährige verabreicht werden. Wer jünger als 60 Jahre ist, konnte den Impfstoff zwar bekommen – aber nur nach Beratung mit dem Hausarzt und auf eigenes Risiko.
Die Menschen waren verständlicherweise verunsichert und nahmen die Impfung mit Astra Zeneca weniger in Anspruch. Befeuert wurde die Sorge zusätzlich, da sich die Impfzentren im Saarland entschieden, kein Astra Zeneca mehr zu verimpfen.
Einige Studien und Erlasse später ist seit Anfang Mai die Priorisierung für diesen Impfstoff bundesweit aufgehoben, um einerseits die aufgelaufenen Reserven zu nutzen und um andererseits das Impfgeschehen wieder voranzutreiben. Denn statistisch gesehen bewirkt jeder Tag Impfverzögerung 100 Tote in Deutschland.

Wie ist die Situation aktuell?
Harald Böttge: Jetzt können auch wieder Menschen unter 60 Jahren mit As­tra Zeneca geimpft werden. Denn das Bundesgesundheitsministerium hat die Haftung bei Impfschäden übernommen (Staatshaftung).

Wie viele Menschen können bei Ihnen geimpft werden?
Harald Böttge: Im Gesundheitszentrum konnten wir 150 –170 Personen pro Woche impfen. Wir haben jedoch händeringend nach einer Möglichkeit zur Erweiterung der Kapazität gesucht und mit der Stadt Saarbrücken Gespräche zur Nutzung einer Turnhalle aufgenommen. Das hat leider nicht geklappt, aber nun hat die Kirche ausgeholfen und wir können seit dem 6. Juni im nahegelegenen Pfarrzentrum Ensheim impfen. Das erhöht die Kapazität, jetzt sind weit über 200 Impfungen pro Woche möglich und der Praxisablauf wird entlastet. Denn durch die Überlagerung der Erst- und Zweitimpfungen wird die Lage wieder etwas angespannter.

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 Sie sind ja auch in der Wundversorgung tätig. Was hat sich da durch die Pandemie verändert?
Harald Böttge: Ich bin ja zweiter Vorsitzender des Wundzentrums Saar. Es hat sich auf jeden Fall etwas für die Wundpatienten geändert:
Ambulanter Bereich: Durch die vielen Probleme, speziell auch bei der Hygiene, ist die Intensität der Besuche durch ambulante Pflegedienste enorm zurückgegangen, ich schätze einmal um ca. 30 %. Entscheidungen zu einer Krankenhauseinweisung wurden verzögert, da der Platz wegen der Freihaltungsstrategie für die anzunehmenden COVID-Patienten limitiert war. Aber auch die Patienten selbst wollten nicht ins Krankenhaus, aus Sorge vor Ansteckung. Und das war zum Teil auch berechtigt, denn mir sind Fälle bekannt, in denen multimorbide Patienten, die im Krankenhaus COVID-19 bekommen haben, dort auch daran verstorben sind.
Stationärer Bereich: Patienten wurden nicht mehr angenommen, da die Betten für potentielle COVID-19-Patienten freigehalten wurden. Versorgungen wurden verzögert, weil man die Ärzte nicht anrufen wollte oder konnte, weil die Leitungen belegt waren.
Ich denke, dass es insgesamt klar ist, dass die Basisversorgung gelitten haben muss und dass dabei viele Komponenten zusammengespielt haben.

Können Sie bereits sichtbare Effekte benennen?
Harald Böttge: Welche Auswirkungen das alles auf Patienten mit chronischen Wunden bedeutet, wird man sicher erst in retrospektiven Betrachtungen sehen können. Hier wird die Versorgungsforschung Auswertungen zeigen, vermutlich jedoch erst in ein bis zwei Jahren.

Wie sieht es aktuell im Wundnetz Saar aus – normalisiert sich die Lage wieder?
Harald Böttge: Ja, derzeit normalisiert sich die Lage. Im Wundnetz konnten im letzten Jahr aufgrund der Pandemiesituation nur wenige Aktivitäten entfaltet werden. Die Telefonkonferenzen im Vorstand sind natürlich weitergelaufen, aber Mitgliederpräsenz hat nicht stattgefunden. Online-Veranstaltungen wurden nicht durchgeführt.
Leider ist auch ein Mitgliederschwund von ca. 10 % zu verzeichnen. In diesem Jahr wird jedoch ein Kongress im August in Präsenz stattfinden – auch um zu zeigen, dass wir noch da sind.
Ein weiteres Ziel ist der Abschluss eines IV-Vertrags mit einer großen Krankenkasse – die Verhandlungen dazu sind schon recht weit gediehen.

Welche Veränderungen würden Sie gerne über die Pandemie hinaus behalten wollen (z. B. Onlineschulungen,  straffere Abläufe, einfachere Rezeptierung)?
Harald Böttge: Genau, diese drei Punkte halte ich für die wichtigsten! Für Fort- und Weiterbildungen sind Online-Veranstaltungen wirklich praktisch, man spart sich die Anfahrt und kann bequem von zuhause aus teilnehmen, auch wenn man sich z. B. in Quarantäne befindet.
In Bezug auf die Abläufe und die Rezeptierung ist auch für mich vieles im letzten Jahr einfacher geworden, speziell auch bei der Dokumentation. Das würde ich gerne beibehalten wollen.

 Das Interview führte B. Springer.

Das Interview erscheint in Ausgabe 4 der WUNDmanagement am 23. Juli. Schauen Sie vorbei auf WUND Online oder im ePaper-Bereich, wenn Sie e-Paper-Abonnent sind.

 

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