von Jan Hinnerk Timm
Die Haut im Blick – der aktuelle DNQP Expertenstandard
Für die Themenfindung zukünftiger Expertenstandards ist der sogenannte Lenkungsausschuss des DNQP zuständig, der sich im Jahr 2020 für die Erstellung eines Standards zur Pflege der Haut aussprach. Im Frühjahr 2021 wurde Prof. Dr. Jan Kottner, Leiter des Instituts für klinische Pflegewissenschaft an der Berliner Charité als wissenschaftlicher Leiter der neuen Expertenarbeitsgruppe berufen. Gemeinsam mit dem Lenkungsausschuss wählte er aus den zahlreichen Bewerbungen zehn Experten aus, die im Herbst 2021 erstmals zusammenkamen. Die Gruppe wurde zusätzlich durch eine Patient*innen-/Nutzer*innenvertreterin, zwei externen Fachberater*innen und zwei wissenschaftlichen Mitarbeiter*innen für die Literaturanalyse aus dem Team von Herrn Kottner an der Charité unterstützt.
„Dies ist ein Instrument der Prävention“ – aktueller DNQP- Expertenstandard stellt sich auf eine breite Basis
Der aktuelle DNQP Expertenstandard „Erhaltung und Förderung der Hautintegrität in der Pflege“ wurde als Entwurf am 17. Februar 2023 in Osnabrück vorgestellt. An der Konferenz nahmen 180 Personen vor Ort und 320 per online-Zuschaltung teil – es handelte sich um die erste Konsensuskonferenz des DNQP in hybrider Form. Alle Teilnehmer hatten vorab die über hundert Seiten starke Vorabversion des Expertenstandards erhalten. Unter Moderation von Prof. Dr. Astrid Elsbernd aus dem Lenkungsausschuss des DNQP entwickelte sich ein angeregter Austausch mit den anwesenden Experten über grundsätzliche Sachverhalte und einzelne Begrifflichkeiten. Als wissenschaftlicher Leiter der Expertenarbeitsgruppe stellte Prof. Dr. Jan Kottner zunächst den neuen Expertenstandard vor und erläuterte dessen Zielsetzung.
„Jeder Empfänger / jede Empfängerin beruflicher Pflege mit in diesem Standard adressierten hautbezogenen Risiken oder vorhandenen Problemen der Haut erhält pflegerische Interventionen, welche die Hautintegrität erhalten und fördern.“
Kottner unterstrich die Absicht der Gruppe, den Standard breit zu gestalten und in der Praxis für viele Situationen anwendbar zu machen, um einen maximalen Nutzen zu gewährleisten. Der Begriff der Hautintegrität stellte sich hierfür als geeignete Bezeichnung heraus, um die Zielsetzung des Standards zu verdeutlichen.
Vielfalt hat nicht nur Vorteile
Es gibt eine unübersichtliche Menge an Produkten, die heutzutage zur Hautpflege verwendet werden. Im Bemühen am Markt aufzufallen und Einzigartigkeit zu suggerieren, sind die Hersteller bei der Benennung mehr oder weniger einfallsreich. Entsprechend variantenreich sind die etwaigen Gruppenbezeichnungen: Creme, Gel, Duschbad, Fluid, Lotion, etc. Die Terminologie ist uneinheitlich und die jeweiligen Bezeichnungen erlauben keinen Rückschluss darauf, welche Wirkung von den Produkten letztlich zu erwarten ist. Auch einzelne Inhaltsstoffe sagen primär nichts über die Wirkung des Produktes aus, für die die Gesamtrezeptur ausschlaggebend ist. Um angesichts dieses Durcheinanders die Praktikabilität des Standards zu gewährleisten, hat sich die Expertengruppe um eine einheitliche Produktterminologie bemüht. Prof. Kottner sprach in diesem Zusammenhang von einer „Pionierarbeit“, denn auch international sind keine weiteren Versuche bekannt, Ordnung in der Produktvielfalt bei der Hautpflege zu schaffen.
Eine neue einheitliche Terminologie für Hautpflegeprodukte
Der DNQP-Expertenstandard bezeichnet Produkte, die zum Auftragen auf die Haut bestimmt sind, unabhängig von Konsistenz oder Erscheinungsbild, als „Hautmittel“. Hierbei unterscheidet er zwischen Hautmitteln zum Verbleib, etwa um eine Wirkung zu erzielen oder solchen Hautmitteln, die wieder entfernt werden müssen, zum Beispiel Produkte zur Hautreinigung. Der Standard klassifiziert Produkte innerhalb dieser Unterscheidung zudem nach der Polarität, also ob sie hydrophil (wasserliebend) oder lipophil (fettliebend) sind. Bei der Entscheidung für ein bestimmtes Hautmittel ist der Hautzustand ausschlaggebend – eher trockene Haut wird mit einem lipophilen Hautmittel versorgt und bei akuter und entzündeter Haut kommen hydrophile Hautmittel zum Einsatz. Bei der Idee, die Produkte, die zum Auftragen auf die Haut bestimmt sind, als „Hautmittel“ zu bezeichnen, hat sich die DNQP-Expertengruppe von der Kosmetikverordnung inspirieren lassen, berichtete Kottner.
Wann gilt der Standard – und wann nicht?
Der Standard dient für Menschen aller Altersgruppen zur Prävention von Inkontinenz-assoziierter Dermatitis und Windeldermatitis, Skin Tears und Intertrigo sowie der der trockenen Haut (Xerosis cutis) und ihrer Behandlung. Zudem gibt es kurze Ausblicke auf weitere Phänomene. Die Expertengruppe verzichtete aber generell darauf, im aktuellen Standard gezielt über Ätiologien und Ursachen von Hautproblemen zu schreiben sowie entsprechende Gegenstrategien auszuführen. Dies war dem Anspruch geschuldet, den Standard extrem breit aufzustellen. Je allgemeingültiger eine Handlungsempfehlung ist, desto schwieriger wird es, sich nicht in Details zu verlieren. Detaillierte Informationen über Einzelphänomene kann und soll der DNQP-Expertenstandard nicht leisten. Darüber informieren Lehrbücher, während ein Standard dazu geeignet ist, Praktikern einen Handlungskorridor an die Hand geben, so Kottner. Die Erläuterungen des Standards beschränken sich daher auf die Prävention.
„In dem Augenblick, in dem Dermatosen bestehen, gilt dieser Standard nicht mehr. Es ist ein Präventionsstandard.“
Dieser Standard füge nichts Neues hinzu, betonte Kottner, es werde aber zusammengefasst und genauer definiert, was sowieso integraler Bestandteil täglicher Pflege ist: die Hautpflege. Die Anmerkungen und Vorschläge aus dem Auditorium nimmt die Expertengruppe nun als Diskussionsgrundlage mit in die Überarbeitung des Entwurfs. Mit der Veröffentlichung des Sonderdrucks ist im Frühsommer 2023 zu rechnen. Es ist geplant, dann den DNQP-Expertenstandard in der zweiten Jahreshälfte bei ausgewählten Einrichtungen modellhaft zu implementieren, um Informationen über die Akzeptanz und Praxistauglichkeit der Empfehlungen zu gewinnen.