Digitale Pflege – Wie sieht die Praxis aus?

© iStock.com/haru_natsu_kobo. Evidenz gegeben?

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2 x 3 Fragen zu Digitalisierung, Pflege und Wundversorgung


Nach den gesetzlichen Rahmenbedingungen und visionären Szenarien stellt sich die Frage, was die in der Pflege Tätigen über die Digitalisierung denken. Wir haben dazu zwei Insider, Inga Hoffmann-Tischner und Martin Motzkus, aus der ambulanten beziehungsweise stationären Pflege befragt.


Hoffmann_Inga-0839_300Inga Hoffmann-Tischner

Die Pflegetherapeutin Wunde ICW ist Inhaberin von Wundmanagement Köln und Wundmanagement Aachen (ICW-zertifiziertes Wundcentrum SPWC) sowie Pflegedienstleiterin Kölner Pflegedienst. Sie erklärt aus dem Blickwinkel der ambulanten Versorgung, wie es um die Digitalisierung in der Pflege bestellt ist.

 

 

 In welchen Bereichen setzen Sie digitale Technologien ein?

Inga Hoffmann-Tischner: Dazu ist es wichtig, die Historie und einige Zusammenhänge zu kennen. Vor rund 15 Jahren führten die Krankenkassen den elektronischen Datenträgeraustausch (DTA) zur Abrechnung ambulanter Pflegeleistungen ein. Wir waren gezwungen, uns auf eigene Kosten entsprechende Hard- und Software anzuschaffen. Die Krankenkassen bestanden aber weiterhin auf Papierunterlagen, was für uns erheblichen Mehraufwand bedeutete. Die papierbasierte Dokumentation der Pflegeleistungen in der Patientenakte ist inzwischen nicht mehr erforderlich. Allerdings brauchen wir für die Leistungsnachweise und Verordnungen noch immer die Originalunterschriften der Pflegebedürftigen oder deren Angehörigen, um sie in Papierform an die Kostenträger zu senden. Ungeachtet der papierbasierten Kommunikation mit den Kostenträgern bin ich überzeugt, dass die Digitalisierung unsere Arbeit erheblich entlastet. Daher haben wir bei uns verstärkt in Soft- und Hardware investiert. Unsere Pflegekräfte dokumentieren per mobiler Datenerfassung mit dem Smartphone und Neuaufnahmen von Patienten erfolgen ausschließlich per Tablet-PC. Im nächsten Schritt möchten wir für Pflegebedürftige, Angehörige und Ärzten jeweils spezifische digitale Zugriffsrechte auf die Pflegedokumentation einrichten.

Wo sehen Sie Ausbaumöglichkeiten für digitale Technologien in der Pflege?

Inga Hoffmann-Tischner: Wir brauchen einfach funktionierende Schnittstellen zwischen unseren IT-Systemen und jenen anderer Versorgungsbeteiligter wie die Ärztinnen und Ärzte. Ein echtes Vorbild ist für mich die spezialisierte ambulante Palliativversorgung (SAPV). Dort arbeiten alle Beteiligten über ein zentrales Portal, was die Abläufe deutlich vereinfacht. Sie können sich so schnell über den aktuellen Stand informieren. In der Wundversorgung sind wir davon noch ganz weit weg. Dort ist es aufwändig, die aktuellen Informationen zu den Patientinnen und Patienten von allen Beteiligten einzusammeln.


Was sind für Sie wesentliche Fallstrick, wenn es um Digitalisierung in der Pflege geht?

Inga Hoffmann-Tischner: Meiner Meinung nach geht die Digitalisierung nicht schnell genug, weil vor allem die Krankenkassen an den papierbasierten Prozessen festhalten. Dazu kommt die ungelöste Finanzierungsfrage. Digitalisierung geht mit erheblichen Kosten einher, die wir als Pflegedienste nur sehr eingeschränkt über die Kostenträger refinanzieren können. Schließlich müssen wir bei aller Digitalisierungseuphorie aufpassen, dass wir alle unsere Mitarbeitenden „mitnehmen“, da sich nicht jeder im Umgang mit den neuen Technologien wohlfühlt. Hier ist es unsere Aufgabe, diese Berührungsängste abzubauen.

 


 


MotzkusMartin Motzkus
Der Pflegetherapeut Wunde (ICW) leitet das Wundmanagement im Evangelischen Krankenhaus Mülheim/Ruhr. Er gehört dem Vorstand der Initiative Chronische Wunden (ICW e.V.) an, gibt sein Wissen als Fachreferent weiter und schreibt als Redaktionsmitglied regelmäßig für den WUND_letter. Er beschreibt aus Sicht der stationären Versorgung, wie es mit der Digitalisierung in der Pflege aussieht.

 

 



In welchen Bereichen setzen Sie digitale Technologien ein – insbesondere mit Blick auf die Wundversorgung?

Martin Motzkus: In meiner Klinik haben wir seit Jahren die digitale Patientenakte. Das bedeutet, dass ich bei meiner Arbeit, dem Wundkonsildienst, jederzeit auf alle Daten meiner Patientinnen und Patienten zugreifen kann. Auch viele Jahre zurückliegende Daten kann ich aufrufen. Dazu zählen alte Arztbriefe, Wunddokumentationen inklusive Bilder – eben alles. Für den Datenzugriff stehen neben stationären, klassischen PCs auch mobile Rechner und Tablets zur Verfügung. So kann ich auch am Patienten Daten aufrufen und natürlich meine Wunddokumentation am Patientenbett erstellen.


Wo sehen Sie Ausbaumöglichkeiten für digitale Technologien in der Pflege?


Martin Motzkus: Die Zukunft liegt meines Erachtens in der Vernetzung mit anderen Partnern, wie niedergelassenen Ärzten und Pflegeeinrichtungen sowie der Einsatz von künstlicher Intelligenz als Unterstützung meiner Arbeit. Erste Ansätze gibt es ja schon bei der Erkennung von Bakterien oder Belägen auf der Wunde. Auch die Vermessung von Wunden kann automatisch erfolgen. Zukünftig wird es mit Unterstützung der Technik immer besser gelingen, Diagnosen zu stellen und auch Therapievorschläge vom System zu erhalten.


Was ist für Sie der wesentlichste Fallstrick, wenn es um Digitalisierung in der Pflege geht?

Martin Motzkus: Ganz klar – der einzelne Mitarbeiter. Die Herausforderung wird es sein, bei zunehmender Digitalisierung den Menschen vor Ort mitzunehmen. Technik muss einfach und problemlos funktionieren, selbsterklärend sein und auch für wenig affine Mitarbeiter zugänglich bleiben. Nicht zu vergessen sind Sprachbarrieren, die überwunden werden müssen.

 

Die Fragen stellte Susanne Moser.
 

 

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