Digitalisierungsakzeptanz im Pflegebereich

© Adobe Stock/mast3r

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von Susanne Moser

„Überfordert“ und „nicht ausreichend mitgenommen“ – so das Fazit des gerade veröffentlichten „Digitalisierungsreports 2021“ der Ärzte Zeitung und der Krankenkasse DAK-Gesundheit. Besonders schlecht kommt die Telematik-Infrastruktur (TI) weg: 93,5 % der über 580 Umfrageteilnehmenden aus der Ärzteschaft und der Psychotherapie äußerten sich negativ – nicht zuletzt wegen vieler technischer Mängel, die den Praxisalltag eher blockieren als erleichtern. [1] Was steht dem Pflegebereich in punkto Digitalisierung ins Haus? Eine Standortbestimmung von WUND_letter-Autorin Susanne Moser.


DVPMG 2021: DiPAs stehen in den Startlöchern

Die rechtlichen Fundamente für die Digitalisierung in der Pflege hat die frühere Bundesregierung zuletzt mit dem Digitale-Versorgung-und-Pflege-Modernisierungs-Gesetz (DVPMG) im Juni 2021 verstärkt. Im medialen Mittelpunkt standen damals die Digitalen Pflegeanwendungen (DiPA). Das DVPMG hatte mit dem neuen § 40b SGB XI deren Erstattungsfähigkeit durch die Pflegekassen eingeführt [2]. Um was geht es dabei? Hier die wichtigsten Fakten:

  • DiPAs werden entweder vom Pflegebedürftigen selbst oder von seinen Betreuungspersonen oder „zugelassenen ambulanten Pflegeeinrichtungen“ angewendet (§ 40a SGB XI) [2].

  • Sie sollen „Beeinträchtigungen der Selbständigkeit oder der Fähigkeiten des Pflegebedürftigen mindern“ und einer „Verschlimmerung der Pflegebedürftigkeit entgegenwirken“ (§ 40a SGB XI) [2].

  • Die Pflegekassen erstatten (auf Antrag) die DiPAs mit maximal 50 Euro pro Monat (§ 40b SGB XI). [2, 3]

  • Damit DiPAs von der Pflegekasse erstattet werden, müssen sie erfolgreich eine Prüfung des Bundesinstituts für Arzneimittel und Medizinprodukte (BfArM) durchlaufen, einen pflegerischen Nutzen nachweisen und es darf keine Leistungspflicht der Krankenkasse bestehen. Das BfArM soll ein öffentlich zugängliches Verzeichnis der erstattungsfähigen DiPAs führen [3].


Das Bundesgesundheitsministerium (BMG) rechnete im Sommer 2021 damit, dass die ersten DiPA im Frühjahr 2022 zur Verfügung stehen [3]. Auf der Website des verantwortlichen BfArM finden sich mit Stand 16.2.2022 zwar viele Informationen zu Digitalen Gesundheitsanwendungen (DiGA) – allerdings keinerlei Hinweise auf DiPAs [4] Immerhin zählt der federführende Spitzenverband Digitale Gesundheitsversorgung bereits 6 Start-ups auf, die DiPAs entwickelt haben [5].

Telematik-Infrastruktur: Ab 2024 verpflichtende Teilnahme

Zurück zur Telematik-Infrastruktur (TI): Das DVPMG sieht ab dem 1.1.2024 eine verpflichtende TI-Teilnahme weiterer Leistungserbringer – darunter „Erbringer von Leistungen der häuslichen Krankenpflege“ – vor. Ab dem 01.07.2024 sollen sie ärztliche Verordnungen über die TI erhalten (§ 360 Abs. 5 und 8 SGB V). Zur wissenschaftlich gestützten Erprobung der TI-Anbindung der Pflege spendiert die Pflegeversicherung insgesamt 10 Millionen Euro für die Jahre 2022 bis 2024 (§ 125 SGB XI) [2]. Die Anbindung an die TI heißt auch, dass Pflegedienste und -einrichtungen deren Komponenten wie die elektronische Patientenakte (ePA) nutzen. So soll ab 1.1.2023 auch die Pflege in die ePA dokumentieren [6].

Ausblick von Roboter bis KI: Was kommt möglicherweise noch?

Soweit die rechtlichen Änderungen zur Digitalisierung in der Pflege. Das ist jedoch nicht alles. Wer im Internet nach den Stichwörtern „Digitalisierung“ und „Pflege“ sucht, stößt auf ein unübersichtliches Sammelsurium mit Technologien, Modellprojekten, Absichtserklärungen und Prognosen unterschiedlicher Qualität. Bei vielen geht es darum, Pflegeprozesse zu vereinfachen und die Pflegekräfte von bestimmten Aufgaben zu entlasten. Zur Illustration zwei willkürlich gewählte aktuelle Beispiele:

  • Ein digitales „Bestellsystem“ im Universitätsklinikum Schleswig-Holstein erspart dem Pflegepersonal unnötige Wege. Denn die Patientinnen und Patienten können per Touchscreen am Krankenbett ihr konkretes Anliegen ins Stationszimmer übermitteln. Die Pflegekraft muss dann nur einmal an das Krankenbett kommen [7]
  • In einem anderen Modellprojekt in einer Fachklinik trägt ein Roboter-Assistent die Koffer der Patientinnen und Patienten, begleitet sie innerhalb des Hauses und unterstützt bei manchen Pflegetätigkeiten. Dabei kommt auch Künstliche Intelligenz zum Einsatz. [8]


Stichwort Künstliche Intelligenz (KI): Mit Blick auf die Pflege wird sie derzeit noch in einem wissenschaftlichen Umfeld erprobt. Zum Beispiel erforscht das Institut für Public Health und Pflegeforschung der Universität Bremen verschiedene Szenarien, wie KI im Pflegekontext eingesetzt werden könnte. Dazu gehören unter anderem das häusliche Umfeld („intelligenter Kleiderschrank“) sowie die Beratung von Pflegebedürften und Angehörigen zu geeigneten Pflegeangeboten oder als Entscheidungsunterstützung für Pflegefachkräfte [9].

 

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Literatur

[1]     Digitalisierung im Gesundheitswesen: Skepsis von Ärztinnen und Ärzten überwinden, Pressemitteilung der DAK-Gesundheit, 19.02.2022

[2]     Gesetz zur digitalen Modernisierung von Versorgung und Pflege (Digitale-Versorgung-und-Pflege-Modernisierungs-Gesetz – DVPMG). Vom 3. Juni 2021. Bundesgesetzblatt Jahrgang 2021 Teil I Nr. 28, ausgegeben zu Bonn am 8. Juni 2021

[3]     Bundesgesundheitsministerium, Ratgeber Pflege, Juli 2021, 24. aktualisierte Auflage

[4]     Bundesinstitut für Arzneimittel und Medizinprodukte (BfArM), DiGA

[5]     Spitzenverband Digitale Gesundheitsversorgung, DiPA

[6]     Verbraucherzentrale Bundesverband, Elektronische Patientenakte (ePA) gestartet, 27.07.2021

[7]     Am Krankenbett: Per Klick ein Glas Wasser, Pressemitteilung, Springer Pflege, 25.10.2021

[8]     Erfolgreiches Pilot-Projekt: Intelligente High-Tech-Roboter bestehen Praxis-Test als Pflege-Assistenten im Klinikalltag, Pressemitteilung, Johannesbad Holding SE & Co. KG, 14.02.2022

[9]     Künstliche Intelligenz in der Pflege, Universität Bremen, 11/2021

 

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