Editorial - WUNDmanagement 03/2018

Stellen Sie sich einmal vor, gäbe es eine Pille, welche folgende Eigenschaften in sich vereinigen würde: die Senkung des myokardialen Sauerstoffbedarfs, die Vergrößerung des myokardialen Sauerstoffangebots, eine Hemmung der Arterioskleroseentwicklung, eine Verbesserung der Fließeigenschaft des Blutes, verbunden mit einem anti-thrombotischen Effekt, einem Entgegenwirken von Adipositas sowie einer Begünstigung einer optimalen Entwicklung von Körper und Geist unter Vermeidung von körperlichen und geistigen altersbedingten Leistungseinbußen. Mit welch großartiger Dramaturgie würde wohl ein solches Medikament weltweit gefeiert werden?

Dabei ist dieses Medikament vorhanden, es heißt: „geeignetes, individuell angepasstes körperliches Training vom Kindes- bis zum Greisenalter. Seiner Anwendung steht leider das physikalische Gesetz der Trägheit entgegen – und damit müssen wir nun einmal leben.“

Mit diesem Wortlaut bezeichnete es jedenfalls schon 1995 Wildor Hollmann, ein Pionier und Universitätsprofessor der Sportmedizin aus Köln.

Heute freue ich mich Ihnen, in diesem Heft, den Zusammenhang zwischen Bewegung und Wunde vorstellen zu dürfen. Ein Aspekt, der meiner Meinung nach wenig formuliert oder in Vorträgen angesprochen wird.

Liebe Leser, Stichwort Trägheit: bei mir war es ähnlich, wenn ich kurz aus meiner eigenen Vita erzählen darf. Eines Tages bückte ich mich und es fuhr mir ein Stich, wie ein Blitzschlag in den Rücken, der mich anfangs fast bis zur vollständigen Bewegungslosigkeit und in den darauf folgenden Tagen zur massiven Bewegungseinschränkung verdammte. In diesem Moment wurde mir das Geschenk der Bewegung einmal richtig deutlich und mir wurde auch bewusst, wie wichtig Mobilität auch für unsere Patienten, die an chronischen und akuten Wunden laborieren, sein muss. Schauen wir uns doch diese Wunden kurz einmal an.

Die „Claudicatio intermittens“ bei der pavK die uns dazu verurteilt, nur kurze schmerzfreie Gehstrecken zurückzulegen. Die CVI der man im Frühstadium durch Gewichtsabnahme, regelmäßige Bewegung (Muskelpumpe) und Vermeiden längerer Stehbelastung entgegenwirken bzw. ein Fortschreiten verzögern kann. Oder betrachten wir den Dekubitus. Auch hier kann die Mobilität eines Menschen so stark eingeschränkt sein, dass er eine Druckentlastung nicht mehr selbstständig durchführen kann. Er ist nicht mehr in der Lage, seine Körperposition zu ändern und wir müssen ihm durch Prophylaxemaßnahmen und über Förderung von Mikro– und Makrobewegungen helfen. Es gibt also Bewegungseinschränkungen – egal wohin man sieht! 

Auf meine Krankheitsgeschichte zurückzukommen, auch ich wollte mich so wenig wie möglich bewegen, mich nicht aktiv „zum Schwitzen“ bringen – sondern ich wollte „machen lassen“ – in diesem Fall von den Physiotherapeuten, von meinem sozialen Umfeld (das mich verhätschelte) und ich wollte mich natürlich von Medikamenten heilen lassen – retrospektiv gesehen: alles das Falscheste was ich tun konnte.

Erst als ich gymnastische Übungen lernte (sehr zu meinem Unwillen, denn es war ja nicht „bequem“) und dann sogar täglich anwendete, merkte ich „Es hilft ja!!!!“

Liebe Leserinnen und Leser, wir alle sollten also unser Denken umstellen, auch aus Sicht des therapeutischen Teams. Auch wir müssen uns bewegen – Change Management darf kein Fremdwort sein. Wir müssen uns darüber im Klaren sein, dass wir unseren Klienten mit einer chronischen Wunde oder einem immobilen Patienten nichts Gutes tun, wenn wir ihm einen „Schongang“ unterziehen. Nein, im Gegenteil, es ist kontraproduktives Arbeiten – und das können wir uns, zuletzt auch aus ökonomischer Sichtweise, nicht mehr leisten.

Auch unser Patient mit seiner chronischen Wunde sollte lernen, dass er sich bewegen muss, – er muss begreifen, dass es nicht damit getan ist, dass er die tollste Wundauflage, den schönsten Verband, die innovativste Therapieform erhalten hat, sondern dass er selbst mitverantwortlich sein kann, um sein UCV, das vielleicht schon vier Rezidive und einen 30-jährigen Lebenslauf hinter sich hat, zur Abheilung zu bringen. Wenn er was tut!!!! Er muss sich bewegen und das im doppelten Sinne.

Damit komme ich zu drei „Zauberwörtern“ die zukunftsträchtig sein müssen in der Behandlung von Menschen mit chronischen Wunden, nämlich dem Erlernen von Prävention, sowie der Förderung der Adhärenz mithilfe einer professionellen Edukation.

Herzlich,
Ihr Thomas Bonkowski 

Seite 137-138 WUNDmanagement | 12. Jahrgang | 3/2018 EDITORIAL | Thomas Bonkowski, Gasteditor 

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