Fibroblasten spielen eine zentrale Rolle bei der Aufrechterhaltung gesunder Gewebestrukturen sowie bei der Entstehung und dem Fortschreiten von Krankheiten. Lange Zeit ging man davon aus, dass es sich bei diesen spezialisierten Bindegewebszellen um einen einzigen, einheitlichen Zelltyp handelt. Eine aktuelle Veröffentlichung von Forschern des Universitätsklinikums Leipzig zeigt jedoch, dass Fibroblasten im menschlichen Gewebe tatsächlich aus verschiedenen Populationen mit spezialisierten Funktionen bestehen. Diese Heterogenität ist der Schlüssel zur Entwicklung gezielter Therapien in der regenerativen Medizin und bei der Behandlung von Krankheiten.
Die Studie, die in der renommierten Fachzeitschrift Nature Cell Biology veröffentlicht wurde, verdeutlicht, dass Fibroblasten je nach Organ und Krankheitszusammenhang unterschiedlich reagieren. Ihre Funktionen werden durch ihren embryonalen Ursprung, gewebespezifische Signale und pathologische Reize geprägt. Diese spezialisierten Zellen sind nicht nur an der Gewebereparatur und -umgestaltung beteiligt, sondern beeinflussen auch das Immunsystem und die Entwicklung von Krankheiten wie Krebs, Fibrose und chronischen Entzündungen.
Professor Sandra Franz, Hauptautorin der Studie vom Universitätsklinikum Leipzig, erklärt: "Bisher basierte unser Verständnis der Fibroblasten-Vielfalt hauptsächlich auf Studien an Tiermodellen. Diese neue Übersichtsarbeit ist die erste, die umfangreiche Humanstudien vergleicht und integriert, die moderne Einzelzelltechnologien verwendet haben. Dieser Ansatz ermöglicht es, Erkenntnisse aus verschiedenen Humanstudien zu kombinieren und so ein umfassendes Bild der verschiedenen Ursprünge und Funktionen menschlicher Fibroblasten zu erstellen."
Dieses vertiefte Verständnis der zellulären Heterogenität eröffnet neue Möglichkeiten für die Entwicklung gezielter Therapien. In Zukunft könnte es möglich sein, bestimmte Fibroblasten-Subtypen gezielt anzusprechen – beispielsweise um die Gewebereparatur zu fördern oder pathologische Prozesse wie Tumorwachstum zu hemmen. Dies ist besonders bedeutsam für die regenerative Medizin und die Behandlung chronischer Erkrankungen.
Die Autoren der Studie – Dr. Marta Torregrossa, Professor Jan C. Simon und Professor Sandra Franz (alle vom Universitätsklinikum Leipzig) sowie Dr. Yuval Rinkevich (Helmholtz München) – forschen gemeinsam im Rahmen des ZellTWund-Projekts. Ihr Ziel ist es, regenerationsfördernde Fibroblasten-Subtypen und deren Rollen in Gesundheit und Krankheit weiter zu charakterisieren und damit den Weg für neue therapeutische Ansätze zu ebnen. Die Übertragung dieser Erkenntnisse in klinische Anwendungen bleibt eine zentrale Herausforderung für die kommenden Jahre, so das Fazit der Leipziger Forscher.
Die Studie wurde im Rahmen des ZellTWund-Projekts innerhalb des SaxoCell-Clusters durchgeführt. Dieses sachsenweite Cluster, gefördert vom Bundesministerium für Bildung und Forschung, entwickelt neuartige Anwendungsbereiche und Produktionsmethoden für personalisierte Gen- und Zelltherapeutika - sogenannte "lebende Medikamente".
Diese Erkenntnisse könnten auch die Behandlung chronischer Wunden revolutionieren. Durch ein besseres Verständnis der verschiedenen Fibroblasten-Subtypen und ihrer spezifischen Funktionen eröffnen sich neue Möglichkeiten für maßgeschneiderte Therapien. Patienten mit schwer heilenden Wunden oder chronisch-entzündlichen Erkrankungen könnten in Zukunft von gezielteren und wirksameren Behandlungsansätzen profitieren. Die Forschung an den regenerationsfördernden Eigenschaften bestimmter Fibroblasten-Populationen verspricht zudem Fortschritte in der regenerativen Medizin.
Die Herausforderung besteht nun darin, diese grundlegenden Erkenntnisse in die klinische Praxis zu übertragen. Dafür sind weitere Studien notwendig. Auch ethische und regulatorische Fragen müssen geklärt werden, bevor personalisierte Zelltherapien breite Anwendung finden können. Dennoch markiert diese Forschung einen wichtigen Meilenstein auf dem Weg zu innovativen Behandlungsmöglichkeiten für Patienten mit chronischen Wunden und anderen schwer zu therapierenden Erkrankungen.
Zur Pressemitteilung (Link: https://idw-online.de/de/news852414)
Originalpublikation: Franz S, Torregrossa M, Simon JC, Rinkevich Y. Effects of embryonic origin, tissue cues and pathological signals on fibroblast diversity in humans. Nat Cell Biol. 2025; 27:720-735; doi: 10.1038/s41556-025-01638-5
Bilder-Keywords: Fibroblastenzellen, Gewebeprobe, Mikroskopaufnahme, Forschungslabor, Zellkulturen, Wundheilung, personalisierte Medizin