Frag doch mal ChatGPT

© iStock.com/Ole_CNX

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von Susanne Moser



„Es“ schreibt Arztbefunde und Dissertationen, besteht Approbationsprüfungen und weiß sowieso alles besser – sogar besser als Google: Seit das US-Unternehmen OpenAI Ende 2022 den Chatbot ChatGPT veröffentlicht hat, überschlägt sich die mediale Diskussion. Gut, die neue Technologie mag vielleicht Schreibtischberufe revolutionieren. Aber ist diese Form der „Künstlichen Intelligenz“ (KI) auch für die Wundversorgung relevant? Und: Wie steht es um andere digitale Ansätze wie DiPAs und E-Health? 


Schon gemerkt? Der Titel dieses WUND_letter-Beitrags stammt aus der Feder von ChatGPT. Dieser „Chatbot Generative Pre-trained Transformer“ kann mit seiner generativen KI-Technologie und anhand eingetippter Fragestellungen der Nutzenden selbstständig sinnhafte und lesbare Texte „berechnen“. Andere generative KI-Werkzeuge basteln täuschend echte Fotos oder komponieren Musik. Ihre Gemeinsamkeit: Sie erzeugen – mithilfe mathematischer Modelle und (im Internet) vorhandener Informationen – neue Daten. Im Gegensatz dazu funktionieren „traditionelle“ KI-Lösungen analytisch. Das heißt, sie verarbeiten bereits existierende Daten – beispielsweise im Rahmen der Mustererkennung in großen Datenmengen [1,2].


Die Zukunftsmusik: Generative KI trainiert analytische KI

Zurück zur Wundversorgung und der Frage, welche Rolle generative KI-Technologien für sie spielen? Im Moment noch wenig, was sich jedoch in Zukunft ändern könnte: Beispielsweise forscht man bereits an wundspezifischen Einsatzmöglichkeiten für „Generative Adversarial Networks“ (GANs). Dabei erzeugen GANs „synthetische“ Fotos von Wunden, die wiederum analytischen KI-Lösungen bei der Wundbeurteilung helfen sollen. KI-Anwendungen zur Wundanalyse müssen nämlich mit möglichst vielen Fotos „trainiert“ werden, um im Versorgungsalltag sinnvoll unterstützen zu können. Der heute verfügbare Bilddatenbestand kann jedoch nicht die große Variabilität von Wunden abdecken. Diese erheblichen KI-Trainings-Lücken könnten mithilfe künstlich erzeugter Fotos – durch Adaption realer Bilder – geschlossen werden [3]. Eine Promotion an der Fachhochschule Dortmund beschäftigt sich bereits mit diesem Problem.

Die Gegenwart: Wund-Apps mit analytischer KI

Während die generative Wundversorgungs-KI noch im Forschungslabor steckt, haben analytische KI-Technologien erste Schritte in Richtung Praxis unternommen. So sind heute Apps verfügbar, die bei dokumentarischen, administrativen Aufgaben unterstützen und zugleich KI-basierte Funktionen bieten wie zum Beispiel [4,5]:

  • automatisierte Wund- und Gewebeanalysen zur Charakterisierung der Läsionen
  • Unterstützung bei der Behandlungsentscheidung (Clinical Decision Support)
  • Vorhersage zur Wundheilung


Wer weiß – vielleicht gehören KI-basierte digitale Helfer in einigen Jahren zum Versorgungsstandard?

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Jenseits des KI-Hypes: Leiser Startschuss für DiPAs

Angesichts der Aufregung rund um ChatGPT geriet eine weitere digitale Neuigkeit für den Pflegebereich ins mediale Hintertreffen: Die digitalen Pflegeanwendungen (DiPA). Seit Dezember 2022 steht das elektronische Antragsportal für App-Hersteller zur Verfügung und es liegt der für die Antragsstellung erforderliche Leitfaden des Bundesinstituts für Arzneimittel und Medizinprodukte (BfArM) vor. DiPAs können definitionsgemäß …

  • Pflegebedürftigen helfen, Beeinträchtigungen zu vermindern oder einer Verschlimmerung der Pflegebedürftigkeit entgegenwirken.
  • die Kommunikation zwischen Pflegebedürftigen, Angehörigen und Pflegefachkräften unterstützen.


Anders als bei digitalen Gesundheitsanwendungen (DiGAs) gibt es für DiPAs keine „Schnellzulassungsverfahren“ (Fast Track) ohne vorherigen Nutzennachweis und der Erstattungsbetrag der Krankenkassen ist auf 50 Euro pro Anwendung und Monat limitiert. Vielleicht liegt es an diesen Einschränkungen, dass das offizielle DiPA-Verzeichnis des BfARM mit Stand 11. April 2023 noch keine Einträge enthält [6]? Immerhin nennt die Website des einschlägigen Industrieverbands sieben Hersteller, die einen DiPA-Antrag planen. Bei diesen Apps geht es vor allem um die oben genannte Kommunikationsunterstützung sowie um Coaching-/Beratungsangebote und um die Mobilitätsanalyse zur Sturzprophylaxe. Die Wundversorgung ist noch nicht dabei [7].

 

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Digitale Intelligenz abseits des Mainstreams: Sensorik in der Wundversorgung

Bei der Digitalisierung in der Wundversorgung dreht sich nicht alles um KI und Apps – zumindest nicht vordergründig. Interessante Möglichkeiten eröffnet beispielsweise die moderne Sensorik wie zwei Forschungsvorhaben zeigen:

  • Im Projekt „iFoot“ geht es um die verbesserte Versorgung des diabetischen Fußsyndroms (DFS) mithilfe eines mit Sensoren ausgestatteten Verbands. Er übermittelt zum Beispiel Druck- und Feuchtigkeitsdaten über eine App an die Betroffenen oder deren Behandler. So lassen sich frühzeitig die Entwicklung oder Verschlimmerung eines DFS erkennen und gegebenenfalls verhindern. [8]

  • Auch beim bereits abgeschlossenen Forschungsprojekt „vulnusMON“ stand ein intelligenter Wundverband im Mittelpunkt. Seine Sensoren überwachten den Heilungsverlauf, ohne dass Pflegefachkräfte die Wunde freigelegen mussten [9].


Allerdings befinden sich Ideen wie diese entweder noch im frühen Forschungsstadium oder versanden. Sie sind damit weit entfernt von einem massentauglichen Phänomen wie ChatGPT.

» Hinweis: Mit Ausnahme des Titels haben echte Menschen diesen Beitrag recherchiert und geschrieben.

 


 

 

Literatur

1.    Bendel O. Generative KI. Gablers Wirtschaftslexikon. unter: https://wirtschaftslexikon.gabler.de/definition/generative-ki-124952 (abgerufen am 11.04.2023)
2.    Bischoff M. Wie man einem Computer das Sprechen beibringt. Spektrum der Wissenschaft, 09.03.2023, unter: https://www.spektrum.de/news/wie-funktionieren-sprachmodelle-wie-chatgpt/2115924 (abgerufen am 11.04.2023)
3.    Synthetische Daten für die KI-gestützte Wundversorgung. Management & Krankenhaus, 30.12.2022, unter: https://www.management-krankenhaus.de/news/synthetische-daten-fuer-die-ki-gestuetzte-wundversorgung (abgerufen am 11.04.2023)
4.    CureVision, unter: https://www.curevision.de/l%C3%B6sung (abgerufen am 11.04.2023)
5.    Stärkung der KI: Nutzung von Wunddaten für die Entwicklung von KI-Modellen, imito AG, 04.04.2023, unter: https://imito.io/de/blog/neuigkeiten/starkung-der-ki-nutzung-von-wunddaten-fur-die-entwicklung (abgerufen am 11.04.2023)
6.    DiPA, Digitale Pflegeanwendungen. Bundesinstitut für Arzneimittel und Medizinprodukte (BfArM), unter: https://www.bfarm.de/DE/Medizinprodukte/Aufgaben/DiGA-und-DiPA/DiPA/_node.html (abgerufen am 11.04.2023)
7.    DiPA. Spitzenverband Digitale Gesundheitsversorgung, unter: https://digitalversorgt.de/dipa-verzeichnis/ (abgerufen am 11.04.2023)
8.    Intelligenter Verband soll Füße von Diabetikern schützen. Hochschule Niederrhein. 16.04.2019, unter: https://projekt-ifoot.de/projekt/ (abgerufen am 11.04.2023)
9.    vulnusMON. Bundesministerium für Bildung und Forschung, unter: https://www.interaktive-technologien.de/projekte/vulnusmon (abgerufen am 11.04.2023)

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