von Susanne Moser
Was fällt Ihnen zum Stichwort „Hygiene“ ein? Händewaschen? Desinfektionsmittel? Vielleicht auch „Wundinfektionen“, die durch Hygienemaßnahmen vermieden werden sollen. Anfang September 2023 feierte der Verbund Angewandte Hygiene e.V. sein 20-jähriges Bestehen. Grund genug für die WUND_letter-Redaktion, sich mit dem komplexen Thema Hygiene auseinanderzusetzen und einen Blick in die jüngste „Konsensusempfehlung Infektionsprävention und Hygiene in der Wundversorgung“ der Initiative Chronische Wunden (ICW) zu werfen.
Während der Hoch-Zeit der Corona-Pandemie wusste jedes Kind, was das „H“ in der AHA-Regel bedeutet, und zahllose YouTube-Tutorials erklärten das richtige Händewaschen. Inzwischen ist es in der medialen Öffentlichkeit ruhiger geworden um die Hygieia, die „Lehre zur Gesunderhaltung“. Dabei sind hygienerelevante Themen zeitlos wichtig, wie der Verbund für Angewandte Hygiene (VAH) anlässlich des Jahrestags seiner Gründung vor 20 Jahren klarstellte. Die Feierlichkeiten zum 20-jährigen Bestehen des VAH standen unter dem Motto „Gemeinsam der Komplexität der Hygiene gerecht werden“.
VAH: Interdisziplinäres Hygiene-Wissen in die Anwendung bringen
Dem VAH gehören derzeit neun hygienerelevante wissenschaftliche Fachgesellschaften und Berufsverbände an. Der interdisziplinäre Verbund wurde mit dem Ziel gegründet, die angewandte Hygiene zu fördern. Die Mitgliedsgesellschaften beschäftigen sich mit Anwendungsfragen und tauschen Fachwissen sowie jüngste Forschungsergebnisse aus, um Praxisleitlinien und Empfehlungen zur Infektionsprävention und Hygiene zu entwickeln und zu aktualisieren. Dabei liegt der inhaltliche Schwerpunkt auf Desinfektions- und Reinigungsmittel.
Vielfältige Aufgaben: Von der Desinfektionsmittel-Liste bis zum Ringversuch
Zu den Aufgaben des VAH gehören zum Beispiel:
- Desinfektionsmittel-Liste: Der VAH zertifiziert Desinfektionsmittel-Produkte und veröffentlicht sie in einer anerkannten Liste. Maßgeblich für die Zertifizierung ist die Qualität des Wirksamkeitsnachweises von Desinfektionsverfahren, um ein Höchstmaß an Sicherheit für den Infektionsschutz zu gewährleisten. Die zugrundeliegenden Zertifizierungsmethoden und -anforderungen werden kontinuierlich dem Stand der Wissenschaft angepasst und in die europäische Normung mit eingebracht.
- Ringversuche: Das VAH-Referenzlabor am Universitätsklinikum Bonn organisiert regelmäßig Ringversuche, um Methoden zur Wirksamkeitstestung zu validieren und zu optimieren. Außerdem entwickelt das Referenzlabor neue anwendungsbezogene Lösungsansätze für hygienerelevante Fragen und führt Nachtestungen von auf dem Markt verfügbaren Desinfektionsmitteln durch.
- Anwendungsfragen: Der VAH befasst sich mit praxisnahen Fragestellungen aus medizinischen und nicht-medizinischen Bereichen sowie mit aktuellen infektiologischen Themen. Dazu bringt sich der VAH als Teilnehmer, Organisator und Moderator in nationale und internationale Gremien ein. Auf diese Weise erhält der VAH Einblick in die Praxis und kann neue Entwicklungen bei Produkten sowie Anwendungs- und Testmethoden initiieren.
Zukünftige Hygiene-Herausforderungen im Blick
Anlässlich seines 20-jährigen Bestehens wies der VAH auf die zukünftigen Herausforderungen im Hygiene-Bereich hin. Dazu gehören insbesondere weitere Pandemien (vor allem durch virale Erreger), Antibiotikaresistenzen und nicht zuletzt Nachhaltigkeitsaspekte. Daher werden in Zukunft neue Technologien und Infektionsschutzverfahren eine zunehmend wichtige Rolle spielen.
Weitere Infos zum VAH gibt es in der neue Image-Broschüre » oder im HYGIENE & MEDIZIN VAH-Schwerpunktheft »
Konsensempfehlung der ICW unterstützt im Alltag
Von zukünftigen Herausforderungen des Infektionsschutzes zu den hygienerelevanten Fragen im Alltag der Wundversorgung. Antworten hierzu bietet die jüngste Auflage der „Konsensusempfehlung Infektionsprävention und Hygiene in der Wundversorgung“, die die Arbeitsgruppe „Mikrobiologie und Hygiene“ der ICW entwickelt hat. Im Sinne eines Leitfadens und auf Basis der aktuellen Rechtslage soll sie sowohl Pflegefachkräften als auch der Ärzteschaft mehr Handlungssicherheit in der Wundversorgung vermitteln.
Hygiene und Wunden – ein komplexes Thema
Hygiene-Anforderungen sind ein komplexer Aspekt in der Wundversorgung. Warum? Die Konsensusempfehlung nennt einige besondere Herausforderungen:
- Es gibt keine sterilen Wunden. Das heißt, in jeder Wunde besteht per se eine mikrobielle Besiedelung und damit ein Infektionsrisiko.
- Sowohl der Zustand des Patienten – wie Grunderkrankungen oder Mangelernährung als auch der Wunde selbst – wie Nekrosen oder Fremdkörper – können Infektionen begünstigen.
- Gerade bei chronischen Wunden kann sich ein Gleichgewicht zwischen Erregern und Abwehr einstellen. Dadurch wird eine Infektion verhindert, aber zugleich eine Wundheilung verzögert oder sogar vereitelt.
Wichtig ist daher, Hygienemaßnahmen auf der Basis einer individuellen Risikobewertung durchzuführen, anstatt einfach Vorgaben umzusetzen.
Von den Rechtsgrundlagen bis zu praktischen Empfehlungen
Die Konsensusempfehlung der ICW spannt einen weiten inhaltlichen Bogen von den mikrobiologischen und medizinischen Grundlagen über die relevanten Rechtsnormen und Erregerdiagnostik bis hin zu praxisnahen Empfehlungen zur Basishygiene und Desinfektion sowie zu spezifischen Fragestellungen. Zu letzten gehören unter anderem die Hygieneanforderungen für die einzelnen Wundversorgungsschritte und Maßnahmen bei potenziell infektiösen Patienten.
Die Konsensusempfehlung erhalten Sie im Online-Shop der ICW »

Quellen:
1. Verbund für Angewandte Hygiene e. V. Gemeinsam der Komplexität der Hygiene gerecht werden. Pressemitteilung vom 07.09.2023
2. Verbund für Angewandte Hygiene e. V. 2003-2023. Seit 20 Jahren für mehr Sicherheit im Infektionsschutz. Broschüre. 2023
3. Initiative Chronische Wunden e.V. Konsensusempfehlung. Infektionsprävention und Hygiene in der Wundversorgung. 5. Auflage 2021
