Im Mai 2024 hat der Gemeinsame Bundesausschuss (G-BA) das Institut für Qualität und Wirtschaftlichkeit im Gesundheitswesen (IQWiG) damit beauftragt, eine „wissenschaftliche Ausarbeitung“ (Rapid Report) zu klinischen Studien im Bereich der Wundbehandlung zu erstellen. Jetzt liegt die abschließende Version des Rapid Report vor. Er befasst sich unter anderem mit den „richtigen“ Studienendpunkten. Dabei erklärt das IQWiG, in welchen Fällen es nicht der vollständige Wundverschluss sein muss [1,2].
Die Einschätzung des IQWiG zur Studienlage im Bereich des Wundmanagements fällt unmissverständlich aus:
„Aussagekräftige klinische Studien und darauf aufbauende evidenzbasierte Therapieempfehlungen fehlen jedoch größtenteils. Weite Felder der Wundbehandlung sind unerforscht und patientenberichtete Endpunkte und Nebenwirkungen werden in der Studienplanung nicht ausreichend berücksichtigt.“ [1]
Mit seinem jetzt vorgelegten „Rapid Report“ möchte das IQWiG diesen weißen Evidenz-Fleck tilgen [2]. Denn eine bessere Evidenz – so das IQWiG – sei unverzichtbar für eine bessere Versorgung der Patientinnen und Patienten. Es geht aber um noch mehr. Denn der G-BA hat das IQWIG aus einem weiteren Grund mit dieser Ausarbeitung beauftragt: Der Bericht dient künftig als Grundlage für Beratungsgespräche zu Nutzennachweisen zwischen dem G-BA und den Medizinprodukte-Herstellern [1].
Rapid Report als Checkliste für „richtige“ Studien zu Wundauflagen
Die IQWiG-Forschenden haben mit ihrem Rapid Report einen Evidenz-Rundumschlag zur Wundbehandlung versucht. So befasst sich ihre Ausarbeitung mit den folgenden Themen [2]:
- Beschreibung relevanter Wundtypen einschließlich der jeweils auffindbaren epidemiologischen Daten.
- Übersicht zu Studien-Endpunkten einschließlich geeigneter Messparameter und -instrumente („Operationalisierungen“)
- Weitere Eckdaten für Studien zur Wundbehandlung wie das Studiendesign oder die Therapiedauer
- Recherche nach Studien zur Validierung des partiellen Wundverschlusses als Surrogat (Surrogatvalidierungsstudien)
Vollständiger Wundverschluss ist nicht immer alles
Mit Blick auf patientenrelevante Endpunkte betont das IQWiG-Team, dass der vollständige Wundverschluss (Heilung) das primäre Behandlungsziel bleibt, weil es für die Betroffenen den höchsten Stellenwert habe (hohe Patientenrelevanz). Allerdings ist es nach Meinung des IQWiG möglich, einen partiellen Wundverschluss als Ersatzendpunkt heranzuziehen, wenn er mit mindestens einem „unmittelbar patientenrelevanten Ereignis“ (Endpunkt) gekoppelt wird. Das heißt konkret: Eine Verkleinerung der Wundfläche stiftet per se keinen Nutzen für die Patientinnen und Patienten. Wenn allerdings die kleinere Wundfläche mit einer – „messbaren und spürbaren“ – verbesserten Lebenssituation der Betroffenen in Verbindung steht, kann der partielle Wundverschluss als patientenrelevanter Endpunkt gelten. Nicht gelten lässt das IQWIG hingegen, den partiellen Wundverschluss als prognostischen Marker für einen vollständigen Wundverschluss heranzuziehen, da entsprechende Surrogatvalidierungsstudien fehlen [1,2].
Weitere „Must“ für Studien zu Wundauflagen
Der IQWiG-Bericht beschreibt zudem, wie mustergültige Studien zu Wundauflagen aussehen sollten, zum Beispiel [2]:
- RCT als Goldstandard: Klinische Studien zur Behandlung von chronischen Wunden sollten als randomisierte kontrollierte Studien (RCT) – nach Möglichkeit verblindet – durchgeführt werden. Dabei ist auch ein „adaptiertes“ Design möglich. Das heißt, dass Studien durch, in ihrem Verlauf gewonnene, Erkenntnisse angepasst werden können.
- Drei bis sechs Monate Mindestbehandlungsdauer: Die minimale Gesamtstudiendauer hängt vom Therapieziel ab. Bei einer angestrebten vollständigen Heilung beträgt sie sechs Monate, beim Ziel eines partiellen Wundverschlusses (gekoppelt mit einem unmittelbar patientenrelevanten Endpunkt) sind es mindestens drei Monate.
Daneben geht der Bericht ausführlich auf die Behandlung der Kontrollgruppe und die Übertragbarkeit von Ergebnissen ein [2].
Nachdem der Rapid Report des IQWiG jetzt vorliegt, darf man gespannt auf die ersten Beratungsgespräche zwischen G-BA und Herstellern warten, in denen der Bericht als Grundlage herangezogen wird. Den neuen Rapid Report des IQWiG mit weiteren Informationen finden Sie hier »
Referenzen
1. Institut für Qualität und Wirtschaftlichkeit im Gesundheitswesen (IQWiG). Wundauflagen bei Wundheilungsstörungen: Aussagekräftige Studien zum Nutzen sind dringend notwendig. Pressemitteilung. 09.05.2025, unter: https://www.iqwig.de/presse/pressemitteilungen/pressemitteilungen-detailseite_146051.html (abgerufen: 19.05.2025)
2. Institut für Qualität und Wirtschaftlichkeit im Gesundheitswesen (IQWiG). [A24-61 ] Wissenschaftliche Ausarbeitung zu klinischen Studien im Therapiegebiet Wundbehandlung. Letzte Aktualisierung 09.05.2025, unter: https://www.iqwig.de/projekte/a24-61.html (abgerufen: 19.05.2025)