von Jan Hinnerk Timm
Die Erfassung der Lebensqualität ist wesentlicher Bestandteil der Versorgung von Menschen mit chronischen Wunden. Entsprechende Fragebögen geben Aufschluss über gesundheitsrelevante Informationen und unterstützen individuelle Versorgungsansätze. Eine Hamburger Studie beleuchtet, wie verbreitet solche Instrumente zur Messung der Lebensqualität von Patienten in der Praxis tatsächlich sind.
Lebensqualität und Wunden
Die Wunde und die zugrundeliegende Erkrankung beeinflussen das Leben der Betroffenen auf vielfältige Weise. Am häufigsten nennen Patienten Schmerzen als die gravierendste Einschränkung ihrer Lebensqualität im Zusammenhang mit einer chronischen Wunde. Weitere häufig genannte Belastungen sind übermäßiges Auftreten von Wundexsudat und unangenehme Geruchsentwicklung, aber auch die Einschränkung der Selbständigkeit und Mobilität sowie zunehmende Schwierigkeiten bei der Kleider- und Schuhauswahl.
Neben der eigentlichen Wundsituation gilt es also, solche wund- und therapiebedingten Einschränkungen bei der Versorgung von Menschen mit chronischen Wunden entsprechend in den Blick zu nehmen. Grundlage hierfür ist die Kenntnis der diversen möglichen physischen, psychischen sowie sozialen Beeinträchtigungen und die darauf aufbauende Einschätzung, wie diese sich auf die individuelle Lebensqualität auswirken.
Um die Lebensqualität von Menschen mit chronischen Wunden zu erfassen und darzustellen, gibt es inzwischen eine Reihe von Erfassungsinstrumenten. Aber werden sie auch in der Praxis eingesetzt?
Wer nutzt was – und warum (nicht)?
Die Studie des Hamburger Instituts für Versorgungsforschung in der Dermatologie und bei Pfegeberufen (IVDP) wirft ein Schlaglicht auf die tatsächliche Verbreitung und Anwendung von Fragebögen zur Erfassung der Lebensqualität [1]. Im Rahmen einer Befragung gaben 136 Leistungserbringer (69 % aus der Krankenpflege, 13 % aus der Altenpflege und 6 % aus der Ärzteschaft) Auskunft darüber, wie sich die Erhebung solcher Daten in der täglichen Praxis darstellt.
Bei den Befragten handelte es sich zu 98 % um Wundexperten. Mit 41 % waren die meisten in einer Klinik beschäftigt, 26 % arbeiteten in der ambulanten Pflege, 7 % in der stationären Altenpflege und 8 % in Sanitätshäusern oder Homecare-Unternehmen. Erfassungsinstrumente zur Lebensqualität kamen bei 58 % der Befragten nicht zum Einsatz. Als Begründungen für den Verzicht auf eine adäquate Erhebung wurde eine Vielzahl an Gründen angegeben (siehe Tabelle 1):

Tabelle 1: Warum Wundversorgende keinen LQ-Fragebogen verwenden [1].
Ein interessantes Ergebnis der Studie ist, dass 38% der Befragten selbst entwickelte Fragebögen zur Erfassung der Lebensqualität ihrer Patienten verwenden. Obwohl die Erhebung der Lebensqualität im Rahmen der Pflege grundsätzlich positiv zu bewerten ist, gibt es gute Gründe, bereits etablierte Fragebögen zu verwenden, wie z.B. den Wound-QoL-Fragebogen, der von 41% der Befragten verwendet wird.
Solche nach wissenschaftlichen Grundsätzen entwickelten und überprüften Erfassungsinstrumente liefern objektive, sensitive, reliable (=zuverlässige) und valide Ergebnisse. So wurde beim Wound-QoL, aber auch beim Würzburger Wundscore (WWS), der von 23 % der Befragten verwendet wird, oder beim Freiburg-Life-Quality-Assessment für Wunden (FLQA-w), das von 5 % der Befragten angegeben wird, darauf geachtet, dass die Patienten in der Lage sind, die Fragen zu verstehen und somit die erhaltenen Antworten aussagekräftig sind.
„Papierkram“, der sich lohnt!
Die Erfassung der Lebensqualität ist in mehrfacher Hinsicht ein wesentlicher Bestandteil der Versorgung von Menschen mit chronischen Wunden. Dementsprechend wird die Bedeutung von Instrumenten zur Erfassung der Lebensqualität auch im Expertenstandard „Pflege von Menschen mit chronischen Wunden“ des Deutschen Netzwerks für Qualitätsentwicklung in der Pflege, der im kommenden Jahr erneut überarbeitet wird, ausdrücklich betont. Von den 42% der Befragten, die dies regelmäßig bei ihren Patienten durchführen, nutzt jeder Vierte einen solchen Bogen bei jedem Patientenkontakt. Die gewonnenen Informationen helfen bei der Entscheidung über unterstützende Maßnahmen (83%), sind Grundlage für die Behandlungsplanung (75%) und dienen der Verlaufskontrolle (44%) - also sehr nützliche Daten, deren Erhebung sich lohnt.
Langsam aber sicher hält die Digitalisierung auch in der Pflege Einzug. Sie soll das Erstellen, Ausfüllen, Auswerten und Verwalten von Dokumenten erleichtern und den Abgleich von erfassten Daten beschleunigen. Für die Leistungserbringer bedeutet dies in mehrfacher Hinsicht ein großes Potenzial zur Zeitersparnis: Bereits erfasste Informationen sind schneller verfügbar, Befunde können leichter eingesehen und mit der Dokumentation abgeglichen werden, und auch das Ausfüllen und Einsortieren, die „Ablage“, nimmt weniger Zeit in Anspruch.
Aber nicht für jeden Patienten ist es angemessen oder zumutbar, mit digitalen Endgeräten zu arbeiten – gerade ältere Menschen bevorzugen oft den vertrauten Umgang mit Papier. Umso nützlicher ist es, wenn solche Bögen kurz, übersichtlich, einfach auszufüllen und dennoch aussagekräftig sind.
Literatur und Link zum Artikel
1. Topp J, Protz K, Augustin A, Blome C: Die Bedeutung der Lebensqualitätsmessung bei Menschen mit chronischen Wunden: Die Perspektive der Versorgenden. WUNDmanagement 2021; 15(1): 28–32.
