Leitlinie, Wirkmechanismus, Evidenz: Laser-Therapie bei chronischen Wunden

© Peter Kurz

© Peter Kurz

von Susanne Moser

In der aktuellen S3-Leitlinie zur Lokaltherapie schwerheilender und/oder chronischer Wunden wird sie noch nicht empfohlen: Die Low-Level-Laser-Therapie (LLLT) oder der „Soft-Laser“. Dagegen sehen manche Fachleute vielversprechende Erfolge der photobiomodulierenden Therapien, zum Beispiel beim Diabetischen Fußsyndrom. Was bringt die LLLT wirklich? Dazu ein Blick auf den zugrundeliegenden Wirkmechanismus und auf die Studienlage zum Nutzen der LLLT in der Behandlung chronischer Wunden.


„Wegen unsicherer Evidenzgrundlage wurde keine Empfehlung verabschiedet“ – zu diesem einhelligen Fazit (Konsensstärke 100%) kommen die Verantwortlichen der jüngsten S3-Leitlinie zur Lokaltherapie schwerheilender und/oder chronischer Wunden mit Blick auf die Phototherapie im Allgemeinen und die LLLT im Besonderen. Sie begründen ihre Entscheidung mit der vorliegenden Studienlage, die keine „[…] belastbaren Aussagen zum Nutzen oder Schaden zu speziellen Arten oder Intensitäten der Phototherapie bei Wunden […]“ zulasse. Den Schwarzen Peter hat also die Studienlage – aus zwei Gründen:

  • Entweder waren in den gefundenen kontrollierten Studien zu wenig Teilnehmende eingeschlossen
  • oder Metaanalysen fassen unterschiedliche Settings – insbesondere hinsichtlich der Bestrahlungseinstellungen und Therapiedauer – zusammen [1].

Photobiostimulation: Hypothesen zum Wirkmechanismus der LLLT

Bevor es um die Kritikpunkte aus der Leitlinie geht, zunächst zur Frage: Wie wirkt eigentlich die LLLT bei Wunden? Der entscheidende Begriff lautet „Photobiostimulation“, deren Mechanismus jedoch noch nicht vollständig geklärt ist. Bei der LLLT wird Gewebe per Laser oder Leuchtdiode (LED) kontinuierlich oder gepulst mit Infrarot- oder Nahinfrarotlicht bestrahlt. Die Energiedichte ist dabei geringer als bei anderen medizinischen Laser-Anwendungen wie beispielsweise der Ablation. Man vermutet, dass bestimmte Moleküle (Chromophoren), vor allem in den Mitochondrien der Zellen, die Lichtenergie absorbieren können. In der Folge kommt es zu verschiedenen Reaktionskaskaden auf molekularer Ebene. Dadurch werden unter anderem Membranrezeptoren, Enzyme und Botenstoffe (darunter Entzündungsmediatoren) sowie die Synthese des zellulären Energieträgers Adenosintriphosphat (ATP) beeinflusst. Außerdem entstehen reaktive Sauerstoffspezies, die wiederum die Herstellung von Proteinen und den Zellzyklus regulieren. Durch diese verschiedenen physiologischen Prozesse wirkt die LLLT unter anderem

  • antiinflammatorisch
  • analgetisch
  • regenerativ (Zellmigration/-proliferation, Angiogenese)


Oder abgekürzt: Man vermutet, dass die LLLT verschiedene Selbstheilungsmechanismen im Körper anregt [2, 3].

Nicht nur eine Frage der Wellenlänge

Die Wirkung der LLLT hängt jedoch von zahlreichen Faktoren ab, darunter:

  • verwendete Wellenlänge (circa 400 bis 1.100 nm werden je nach Zielsetzung in der Wundversorgung eingesetzt)
  • Leistungsstärke / Bestrahlungsdichte
  • Expositionsdauer
  • Bestrahlungsregime (kontinuierlich oder gepulst)
  • Vorbereitung oder Beschaffenheit der Wunde


Diese Parameter-Vielfalt ist mutmaßlich einer der Gründe für die heterogenen Ergebnisse der LLLT. Überdies bewegt sich die LLLT auf einem schmalen Grat zwischen Nutzen und einem möglichen Schaden durch eine gerade ausreichende beziehungsweise zu intensive Lichtexposition [2, 3].

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Wie sieht die Studienlage zur LLLT aus?

Metaanalysen zum Diabetischen Fußsyndrom (DFS)

Zurück zur Studienlage und der Frage: Wie sieht es mit der, von der Leitlinie gescholtenen, Evidenz konkret aus? Deren Autoren beziehen sich in erster Linie auf eine Metaanalyse aus dem Jahr 2021 zur LLLT beim Diabetischen Fußsyndrom (DFS). Von den gefundenen 13 randomisierten kontrollierten Studien (RCT) mit 361 Teilnehmenden wurden schließlich nur drei berücksichtigt. Sie zeigen eine signifikante Verringerung der Wundfläche von 22,96% (95%-Konfidenzintervall (KI): 18,22-27,69; z = 9,51, p < 0,0001) im Vergleich zur Kontrollgruppe. Zudem gibt die Metaanalyse Empfehlungen zu den Behandlungsmodalitäten. Demnach profitieren Patienten mit DFS von einer LLLT bei einer Wellenlänge von 632,8 bis 685 nm, einer Bestrahlungsstärke von 50 mW/cm2, einer Dosis von 3 bis 6 J/cm2 und einer Bestrahlungsdauer von 30 bis 80 Sekunden, dreimal wöchentlich bei einer Behandlungsdauer von einem Monat [4].
Eine zweite Metaanalyse zum DFS aus dem gleichen Jahr untersuchte ebenfalls 13 RCT mit 413 Teilnehmenden. Diese Studien arbeiteten mit Wellenlängen von 400 bis 904 nm, bei einer Behandlungsdauer von 15 Tagen bis 20 Wochen. Sie berichtet signifikante Verbesserungen (p < 0,0002 bis < 0,00001) gegenüber der Kontrollgruppe bei den folgenden Endpunkten:

  • Abheilungsrate
  • Verkleinerung Wundfläche
  • Verkürzung der mittleren Abheilungsdauer


Allerdings sei die Studienqualität sehr gering, meinen die Autoren dieser Metaanalyse. [5]

 

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Studienlage zu Dekubitus – überschaubar

Weniger umfangreich sieht die Studienlage zur LLLT bei Dekubitus aus. Neben einigen Kasuistiken findet sich ein systematischer Literatur-Review mit vier RCT und jeweils unterschiedlichen Wellenlängen-Settings. Eine signifikante Verringerung der Dekubitus-Fläche zeigte sich demnach bei einer Wellenlänge von 658 nm im Vergleich zu den Wellenlängen 808 nm und 904 nm. Nach einem Monat Behandlung reduzierte sich die Wundfläche um 71% und 47% der beobachteten Geschwüre heilten vollständig ab. Mit den anderen Wellenlängen zeigten sich keine signifikanten Ergebnisse [6].

Studienlage zu Ulcus cruris venosum – noch überschaubarer

Bei einer Pubmed-Recherche zur LLLT bei Ulcus cruris venosum fand sich eine RCT zur LLLT als Ergänzung zur Standardlokaltherapie aus dem Jahr 2005. Die 44 Teilnehmenden wurden in drei Gruppen (LLLT mit 685 nm, Placebo-Laser und Standardlokaltherapie) aufgeteilt. Endpunkt war die Verkleinerung der Wundfläche, für den die Studienverantwortlichen keine signifikanten Unterschiede zwischen den drei Studiengruppen fanden [7].

Hausaufgabe Evidenznachweis

Dieser kurze Überblick über die Studienlage zur LLLT legt die Vermutung nahe, dass die Kritik der Leitlinien-Verantwortlichen aus wissenschaftlicher Sicht durchaus berechtigt sein könnte. Es gilt, aussagekräftige und qualitativ hochwertige Studien durchzuführen, um den Nutzen der Behandlungsmethode anhand allgemein anerkannter Kriterien nachzuweisen. Dieser Nachweis gehört zudem zu den unumgänglichen Voraussetzungen, wenn es um die Frage einer zukünftigen Erstattungsfähigkeit der LLLT geht.

 

+++ Zum Weiterlesen  +++

Detaillierte Hintergründe zum Wirkmechanismus und praxisrelevante Empfehlungen zum Einsatz der LLLT hat Peter Kurz in seinem Fachartikel „Photobiomodulationstherapie (PBMT) und Low-Level-Laser-Therapie (LLLT)“ in der WUNDMANAGEMENT-Ausgabe 5/2020 zusammengefasst . Jetzt downloaden » 

 

Quellen

  1. Deutsche Gesellschaft für Wundheilung und Wundbehandlung e. V. (DGfW), Hrsg: Lokaltherapie schwerheilender und/oder chronischer Wunden aufgrund von peripherer arterieller Verschlusskrankheit, Diabetes mellitus oder chronischer venöser Insuffizienz. Version 2.2. Stand: 31.10.2023. AWMF-Register-Nr.: 091/001. unter: https://register.awmf.org/de/leitlinien/detail/091-001 (abgerufen am 31.01.2024)
  2. Werra UEM et al.: Physikalische Interventionen als Alternative/Ergänzung zum chirurgischen Wunddebridement. Gefässchirurgie. 2022; 27:129–134. (https://doi.org/10.1007/s00772-021-00854-1 (abgerufen am 31.01.2024)
  3. Avci P et al.: Low-level laser (light) therapy (LLLT) in skin: stimulating, healing, restoring. Semin Cutan Med Surg. 2013 Mar;32(1):41-52. unter: https://www.ncbi.nlm.nih.gov/pmc/articles/PMC4126803/ (abgerufen am 31.01.2024)
  4. Santos CMD et al.: A Systematic Review and Meta-Analysis of the Effects of Low-Level Laser Therapy in the Treatment of Diabetic Foot Ulcers. Int J Low Extrem Wounds. 2021 Sep;20(3):198-207. doi: 10.1177/1534734620914439. Epub 2020 May 12. https://journals.sagepub.com/doi/10.1177/1534734620914439 (abgerufen am 31.01.2024)
  5. Huang J et al.: The effect of low-level laser therapy on diabetic foot ulcers: A meta-analysis of randomised controlled trials. Int Wound J. 2021 Dec;18(6):763-776. https://onlinelibrary.wiley.com/doi/10.1111/iwj.13577 (abgerufen am 31.01.2024)
  6.  Machado RS et al.: Low-level laser therapy in the treatment of pressure ulcers: systematic review. Lasers Med Sci. 2017 May;32(4):937-944. https://link.springer.com/article/10.1007/s10103-017-2150-9 (abgerufen am 31.01.2024)
  7. Kokol R et al.: Ulcus cruris venosum: Keine Verbesserung der Wundheilung durch Anwendung eines 685-nm-Low-Level-Lasers Randomisierte, placebokontrollierte, doppelblinde Studie Hautarzt. 2005 Jun;56(6):570-5. https://link.springer.com/article/10.1007/s00105-004-0864-7 (abgerufen am 31.01.2024)
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