1. Die erste Auflage Ihres Buches „Hygiene in der Arztpraxis“ erschien bereits 2006. Sie waren damit einer der ersten Experten, die sich dieser Thematik annahmen. Mittlerweile liegt die 4. Auflage Ihres Buches vor, und die Hygiene in der Arztpraxis ist sehr viel mehr in den Fokus von Behörden, Fachgesellschaften sowie Einrichtungen zu Fort- und Weiterbildung gerückt. Sie haben aufgrund Ihrer über 30-jährigen Lehrtätigkeit den direkten Kontakt zu Praxisbetreibern und Hygienebeauftragten: Welche Themen haben für die Praktiker derzeit die oberste Priorität?
Immer wieder nachgefragt wird das Verhalten des medizinischen Personals gegenüber multiresistenten Erregern. Hier bestehen bei niedergelassenen Ärztinnen und Ärzten noch viele unbegründete Ängste. Weitere Themen sind – ausgelöst auch durch die Begehungen der Gewerbeaufsicht – die Aufbereitung von Medizinprodukten. Das Gesundheitsamt interessiert sich für die Basishygiene. Für die ambulant operierenden Praxen gilt es, sich auf die Anforderungen des Instituts für Qualität und Transparenz im Gesundheitswesen (IQTiG) vorzubereiten.
2. Sie sind nicht nur als Dozent und Referent tätig, sondern auch als Sachverständiger zu Hygienemängeln. Unzureichende Hygienemaßnahmen in niedergelassenen Arztpraxen sind immer wieder Gegenstand von Gerichtsverfahren. Inwieweit können Sie die Erkenntnisse aus diesen individuellen Verfahrenshergängen in Ihr Buch und auch in Ihre Lehrtätigkeit einbringen?
Oft sind es kleine Fehler, die sich in die arbeitstäglichen Routineprozesse eingeschlichen haben. Das fängt bei unzureichender Hautdesinfektion vor Injektionen, Punktionen und Infusionen an bis hin zur fast regelhaft auftauchenden Behauptung der Kläger, es sei mit unsterilen Instrumenten gearbeitet worden. Hier helfen nur klare Standards und eine saubere Dokumentation gemäß den Vorgaben der KRINKO. Auch muss man an die Hygieneausbildung des Personals denken, einschließlich der Ernennung und Qualifikation von Hygienebeauftragten Medizinischen Fachangestellten, die sich dann um die obligate jährliche Aktualisierung des Hygieneplans kümmern können. Daher ist das Buch auch zum Nachschlagen für diese Zielgruppe, die ja in einer 3–5 Tage dauernden Qualifikation nicht alles aufnehmen können, konzipiert.
3. Hygienemanagement in Arztpraxen erfordert auch den Mut zu Entscheidungen in Situationen, die nicht von Behörden und Fachgesellschaften im Detail vorgegeben und geregelt werden. Was raten Sie Hygienebeauftragten in der Praxis: Welche Grundlagen müssen in jedem Fall beherrscht werden, um infektionspräventive Maßnahmenbündel schnüren zu können?
Die Mikrobiologie kommt oft etwas zu kurz. Aber nur, wer die potentiellen Erreger und deren Übertragungswege kennt und versteht, kann ein gutes Hygienekonzept erstellen, das vielleicht nicht immer genau den Vorgaben der KRINKO entspricht, aber in sich schlüssig und gut begründbar ist. Das Buch soll auch helfen, sich in die Erreger hineinzuversetzen und – ganz im auch von der KRINKO gepflegten Stil der strengen, plausiblen, theoretischen und nachvollziehbaren Ableitung – den richtigen Weg zu finden.
4. Gerade in der Winterzeit nehmen die Arztbesuche von Patienten mit allen möglichen Infektionskrankheiten teilweise sehr plötzlich zu. Können Sie uns ein paar Beispiele nennen, welche organisatorischen Maßnahmen das Praxisteam im Vorfeld treffen kann, um sich selbst und die weiteren Patienten vor Ansteckung zu schützen?
Natürlich muss man zuerst die Grippeschutzimpfung auch für das Personal nennen. Wer diese Impfung nicht möchte, sollte ganz besonders auf die Händedesinfektion und andere Basishygienemaßnahmen (PSA) achten, um das Infektionsrisiko zu minimieren.
Gegen Noroviren, die ebenfalls in den Wintermonaten Saison haben, kann man jedoch leider noch nicht impfen. Da ist die Händedesinfektion nochmals wichtiger. Es ist ebenfalls wichtig, die Patienten auf diese Maßnahmen hinzuweisen. Die Hand- und Hautkontaktflächen der Patienten sind mit einem Flächendesinfektionsmittel mit geeignetem Wirkspektrum zu desinfizieren. Ein Schild oder Poster im Wartezimmer weist darauf hin, dass Patienten nicht immer in der Reihenfolge des Erscheinens behandelt werden können. So können fiebernde Patienten mit offensichtlichen Symptomen direkt in einen Behandlungsraum gelotst werden, ohne im Wartezimmer jemanden anzustecken. Bekannt besiedelte Patienten mit multiresistenten Bakterien werden am Schluss der Sprechstunde einbestellt, Patienten mit erhöhtem Infektionsrisiko am Morgen. Alle diese Maßnahmen sollten im Hygieneplan festgeschrieben und allen Mitgliedern des Praxisteams bekannt sein.
5. „Hygiene in der Arztpraxis“ ist zu einem echten Standardwerk geworden. Unabhängige Wissensvermittlung, Praxistipps und weiterführende Literaturhinweise sowie Informationen, wie man auf dem Laufenden bleiben kann, sind ebenso integriert wie Merksätze und Checklisten sowie Testfragen am Ende jedes Kapitels. Auf welche inhaltlichen Veränderungen sollten die Leserinnen und Leser dieser Auflage besonders achten?
In Anbetracht der kommenden Anforderungen wurde das Kapitel zum ambulanten Operieren und das für das Qualitätsmanagement erweitert. Die Checklisten sollen Arbeitshilfen sein, denn der Arbeitsalltag ist schon hektisch genug und die Hygienebeauftragten sollten sich auf das Wesentliche konzentrieren können. Sie zu nutzen heißt, das „hygienische Leben“ in den Praxen mit korrekten und aktuellen Dokumenten zu organisieren und zu kontrollieren.
Das Interview können Sie hier als PDF herunterladen.
Zum Buch: ,,Hygiene in der Arztpraxis - 4., komplett überarbeitete und aktualisierte Ausgabe''