von Dr. Barbara Springer, Jan Hinnerk Timm, Martin Motzkus
Vom 15. bis 17. Mai trafen sich wundbegeisterte Fachbesucher und Pflegende aus der gesamten Bundesrepublik und dem deutschsprachigen Ausland. Es ist der jährliche Treffpunkt für alle Berufsgruppen, die sich über aktuelle Trends und Produktneuheiten informieren möchten. Zu den Themenbereichen Nachhaltigkeit, Partizipation, Perspektiven, Patientensicherheit, Praxis und Pflegeforschung kamen in Bremen in diesem Jahr über 4.600 Fachbesucher, mehr als 300 Referenten und über 117 Aussteller zusammen und machten den DEWU erneut zu einer erfolgreichen Veranstaltung.
324 Referierende gestalteten an drei Kongresstagen 168 unterschiedliche Sitzungen, Workshops, Diskussionen und interaktive Formate und gaben damit einen Überblick über den aktuellen Stand der Forschung und zukünftige Entwicklungen in der Pflege und Wundtherapie. Zudem wurden gesundheitspolitische Themen wie der große Fachkräftemangel oder auch die Auswirkungen des Klimawandels auf die Pflege diskutiert.
Nach der Begrüßung durch die Veranstalter, den Kongressbeirat, die Präsidentin des Deutschen Pflegerates und die Senatorin für Gesundheit, Frauen und Verbraucherschutz des Landes Bremen hielt Prof. Dr. Renate Tewes aus Dresden den Eröffnungsvortrag. Sie beleuchtete das Thema Nachhaltigkeit unter dem sozialen Aspekt des Klimas im Pflegeteam und betonte, dass die gefährlichsten „Klimakiller“ Jammern und Lästern seien, denn die wertvollste Ressource für eine gelingende Zusammenarbeit sei die professionelle und wertschätzende Kommunikation.
WUNDupdate 2024

Bereits zum siebten Mal bot das WUNDupdate in Zusammenarbeit mit dem mhp Verlag einen kompakten Überblick über die neu erschienene englischsprachige Literatur des Vorjahres. Die drei Wundexperten PD Dr. Cornelia Erfurt-Berge (Erlangen), Johannes Edel (München) und Prof. Dr. med. Knut Kröger (Krefeld) hatten wieder die Publikationen des Jahres 2023 zu den Themen Ulcus cruris, Dekubitus, Diabetisches Fußsyndrom sowie periphere arterielle Verschlusskrankheit (PAVK) gesichtet und kommentierten ihre Auswahl interessanter Studienergebnisse.
Die ausführlichen Kommentare und ausgewählten Studien können im Sonderheft WUNDupdate des mhp Verlags nachgelesen werden. Darüber hinaus werden in diesem Jahr noch drei Webinare angeboten, am 27. Juni, 19. September und 14. November (»Hier geht´s zum Terminüberlick).
Neue Realitäten bieten neue Möglichkeiten in der Wundversorgung
Eine aktuelle Entwicklung in Medizin und Pflege ist der Einsatz von computergestützten Hilfsmitteln wie z. B. Augmented Reality. Dabei werden mit Hilfe einer Brille Bilder direkt vor dem Auge erzeugt, während die reale Umgebung durch die transparenten Brillengläser, die eigentlich kleine Bildschirme sind, sichtbar bleibt. Reale Strukturen in der Umgebung des Nutzers werden so durch computergenerierte Inhalte sozusagen erweitert (engl.: augmented). In einer von Astrid Probst aus Reutlingen moderierten Session wurden die Möglichkeiten dieser Methode aus verschiedenen Perspektiven beleuchtet.
Thorsten Prennig aus Roth sieht großes Potenzial für Augmented Reality in der Ausbildung von Pflegekräften. Der Krankenpfleger und Wundberater leitet seit 16 Jahren eine Fortbildungsakademie und beschreibt sein Prinzip mit den Worten:
„Die beste Bildung ist die, bei der der Schüler nicht merkt, dass er lernt“.
Dazu nutzt Roth auch spielerische Möglichkeiten der Wissensvermittlung sowie computergestützte Methoden. Unter anderem setzt er AR-Brillen ein, um anatomische Grundlagen zu vermitteln. Dabei wird dem Nutzer beispielsweise ein dreidimensionales Abbild eines Beines gezeigt, um das er herumgehen kann und an dem er einzelne anatomische Bestandteile identifizieren muss. An diesen virtuellen Modellen können auch Maßnahmen geübt werden, wie zum Beispiel die Abstandspolsterung beim Diabetischen Fußsyndrom. Dazu werden so genannte „Workflows“ einprogrammiert, die der Anwender durch die Brille betrachtet, während er die gezeigten Maßnahmen in der Realität nachvollzieht.
Diese Möglichkeit erschließt nach Thorsten Prennigs Ansicht auch Ressourcen bei der Edukation von Laien, beispielsweise pflegenden Angehörigen. Insbesondere im ländlichen Bereich, wo der aktuelle Fachkräftemangel zunehmend deutlich spürbar ist, kann die mit sachgerechten „workflows“ bespielte AR-Brille Angehörige seiner Erfahrung nach zu bestimmten Versorgungsformen anleiten.
Jenny-Victoria Steindorff aus Halle stellte DigiCare vor, ein dreijähriges Projekt der Universität Halle, das vom Bundesministerium für Wissenschaft und Forschung gefördert wird. In diesem Projekt entwickelt ein multiprofessionelles Team Lehr- und Lernszenarien für die generalistische Pflegeausbildung. Die dabei eingesetzte Virtual Reality (VR) ist klar von der Augmented Reality abzugrenzen. Eine VR-Brille wird zwar auch vor den Augen getragen, ist aber im Gegensatz zur AR-Brille nicht transparent. Die gesamte Umgebung des Nutzers, die zu erledigenden Aufgaben und teilweise auch der Körper des Nutzers werden simuliert.
„Dabei handelt es sich um ein besonders nachhaltiges Konzept“, betonte Steindorff. „Virtuell gestützte Szenarien können den gesamten Pflegeprozess abbilden, von der Informationssammlung bis hin zur Dokumentation“, erläuterte die Wissenschaftliche Mitarbeiterin.

„Virtuell unterstützte Szenarien können den gesamten Pflegeprozess von der Informationssammlung bis zur Dokumentation abbilden“, erklärte Frau Steindorff. An der Universität Halle wurden bisher drei Fallbeispiele entwickelt, die aus ihrer Sicht authentisch und realistisch sind und den Auszubildenden helfen, ihre Fähigkeiten zu trainieren, zu reflektieren und zu verbessern. Dabei werden sie von einer erfahrenen Fachkraft begleitet, die den Prozess am Computer beobachtet. Die Fachkraft gibt unmittelbar Feedback bzw. Hinweise und kann die bearbeiteten Szenarien auch während der Anwendung spontan anpassen und variieren. Abschließend präsentierte Frau Steindorff spannende Bilder der bereits entwickelten Szenarien, die verdeutlichten, wie sich der Nutzer in der virtuellen Realität bewegt.
Abschließend erläuterte Astrid Probst in der Sitzung die bisher verfügbaren Möglichkeiten von Augmented Reality in Medizin und Pflege sowie die entsprechenden Anwendungsbereiche. Sie sieht beispielsweise eine Erleichterung der Informationsvermittlung zwischen den Akteuren, aber auch zu Patienten und Angehörigen. So sei es möglich, Videos aufzunehmen, die auch Laien Maßnahmen fachgerecht erklären. In diesem Zusammenhang griff Probst die bereits von Prennig angesprochenen „Workflows“ auf, die beispielsweise die korrekte Vorgehensweise bei Wundabstrichen verdeutlichen. Auch sie sieht im Einsatz der AR-Brille eine Möglichkeit, die Ausbildung in der Pflege, um ein zeitgemäßes Instrument zu erweitern. „Die Generation Z lernt ganz anders als wir“, unterstrich die Pflegeexpertin aus Reutlingen die Bedeutung neuer Ansätze wie Augmented und Virtual Reality in der Pflegeausbildung.
Aktuelles aus der ICW im Gespräch
Diese Sitzung wurde von Anke Bültemann moderiert, die die Vorstandsmitglieder der Initiative Chronische Wunden e. V. (ICW) zu aktuellen Projekten der Fachgesellschaft befragte.
PD Dr. Cornelia Erfurt-Berge stellte hier ein Projekt vor, dass die geregelte Aufnahme des Themas Wunde in die medizinische Ausbildung zum Ziel hat. Weitere Themen waren die Veröffentlichungen der ICW, speziell das aktuelles Positionspapier zum Debridement (siehe auch WUNDmanagement 2/2024), eine Kooperation mit der Thieme-Gruppe zur Erweiterung des Lernangebotes für Kursabsolventen für den Alltag sowie die Arbeit der Arbeitsgruppe Wunde & Psyche, die von Veronika Gerber vorgestellt wurde.
Expertenstandard Haut – ein Präventionsstandard für alle Pflegesettings
Der aktuelle Expertenstandard „Förderung und Erhaltung der Hautintegrität in der Pflege“ des Deutschen Netzwerks für Qualitätsentwicklung in der Pflege (DNQP) liegt seit Juni 2023 als Sonderdruck des DNQP vor. Aktuell werden die Erfahrungen aus der modellhaften Implementierung eingearbeitet. In einem interaktiven Seminar hatten die Besucher des DEWU eine Gelegenheit, sich über den elften DNQP-Expertenstandard, der voraussichtlich im Sommer in seiner endgültigen Fassung erscheint, zu informieren. „Sie erhalten Informationen aus erster Hand“, versprach Norbert Kolbig, der Moderator der Sitzung, den Teilnehmern.
Petra Blumenberg vom wissenschaftlichen Team des DNQP erläuterte einleitend, wie ein solcher Expertenstandard entsteht. Diese Standards beschreiben das pflegerische Leistungsniveau. Dabei werden von den jeweiligen Autoren alle Pflegesettings mitgedacht. Frau Blumenberg betonte hierbei den Unterschied zu den Leitlinien, in denen konkrete Maßnahmen und Produkte empfohlen werden und aus denen die einzelne Pflegekraft Handlungsoptionen ersehen kann. Ein DNQP-Expertenstandard wendet sich hingegen an die Organisation der Einrichtungen und zeigt auf, wie ein Thema organisatorisch gut und pflegefachlich korrekt behandelt werden kann, so Frau Blumenberg. Darauf aufbauend obliegt es jeder Einrichtung selbst, wie die Umsetzung erfolgt – beispielsweise als Ergänzung des Qualitätsmanagement-Handbuchs, in Form einer Verfahrensregelung, als Inhalt von Fortbildungen oder über einen hauseigenen Praxisstandard. Von besonderer Bedeutung für die Praxisrelevanz des Standards sind die berufenen Experten, denn
„die Literatur beantwortet uns nicht alle für die Praxis und die Handlungsleitung wichtigen Fragen“,
so Frau Blumenberg. Das Verfassen der Kommentierungen, die den Expertenstandard ergänzen, sei in diesem Zusammenhang eine „wichtige Hausaufgabe“ der ehrenamtlichen Experten.
Der wissenschaftliche Leiter der Expertengruppe, Prof. Dr. Jan Kottner aus Berlin, sprach anschließend über evidenzbasiertes Wissen zur Hautpflege. „Es gibt kaum eine Pflegeintervention oder eine Pflegemaßnahme, die so häufig stattfindet“, unterstrich Prof. Kottner den Stellenwert der Hautpflege. Diese lässt sich grob in zwei Handlungsbereiche unterteilen: entweder es soll etwas von der Haut entfernt werden oder es soll etwas aufgetragen werden, das dort verbleiben soll. Der Expertenstandard nimmt Hautzustände und Risiken in den Blick, die eindeutig in pflegerischer Verantwortung liegen. Hierbei wird die Haut von Menschen in jedem Lebensalter, von Geburt bis zum Lebensende, miteinbezogen. Obwohl dabei beispielsweise Hautanhangsgebilde oder Schleimhaut sowie Wunden und deutlich diagnostizierbare Hautinfektionen ausgeschlossen wurden, handelt es sich dennoch um einen der am breitesten aufgestellten DNQP-Standards, so Prof. Kottner. Anschließend beschrieb er die Suche der Expertengruppe nach der entsprechenden Evidenz zum Thema. Dabei konnten von 64 zunächst tauglich wirkenden Leitlinien nur sieben vollständig und acht zum Teil eingeschlossen werden, und von fast 90 Übersichtsarbeiten wurden nach eingehender Prüfung nur zwölf als brauchbar beurteilt. Die externe Evidenz sei hinsichtlich der Risiken für die gängigen Hautprobleme sehr schlecht, resümierte Prof. Kottner.
Mit ihrem Vortrag zu den „Highlights des Expertenstandards“ nahm Kerstin Protz anschließend einige konkrete Inhalte in den Blick. Sie erläuterte Maßnahmen und Produkte, die bei Säuglingen, Erwachsenen und alten Menschen bei Hautreinigung und -pflege zum Einsatz kommen. Im Zusammenhang mit der Reinigung unterstrich Frau Protz insbesondere die Risiken, die mit einem übertriebenen Wassereinsatz einhergehen, wie das Ausspülen natürlicher Feuchthaltefaktoren oder die Erhöhung des pH-Wertes der Haut. Eine schonende Alternative stellen die sogenannten No-Rinse-Produkte dar, die hygienische Hautreinigung ohne Wasser ermöglichen. Für die eigentliche Hautpflege empfiehlt der Expertenstandard nach dem Prinzip „Feucht auf feucht und fett auf trocken“ vorzugehen. Hautmittel mit hohem Wasseranteil kommen somit auf feuchter Haut und Hautmittel mit hohem Fettanteil auf trockener Haut zum Einsatz. In ihrem anschaulichen Vortrag betonte Frau Protz, dass bei allen Maßnahmen sowie in der Auswahl der Produkte die Präferenzen der pflegebedürftigen Menschen zu berücksichtigen sind. Hierbei spielen das individuelle Sauberkeitsbedürfnis, aber auch ökonomische Erwägungen eine Rolle.
Einen Blick in die Praxis warf abschließend Inga Hoffmann-Tischner, die von ihren Erfahrungen bei der modellhaften Implementierung des DNQP-Expertenstandards in einem pflegerischen Wundzentrum berichtete. Dabei wurde im Gespräch mit den Praktikern zunächst deutlich, dass nicht viel Wissen über die Haut vorhanden war. Zudem mussten die im Expertenstandard verwendeten Begrifflichkeiten vermittelt werden. Das Team von Frau Hoffmann-Tischner nahm daher zunächst an entsprechenden Schulungen teil. Zudem wurden verschiedene Hersteller kontaktiert, um sich über Produkte zu informieren und die Empfehlungen des Expertenstandards entsprechend umsetzen zu können. Die eigentliche Implementierung erstreckte sich auf vier Monate, in denen Strukturen geschaffen, ein Qualitätsmanagement entwickelt sowie eine Dokumentation eingeführt wurden.
Bremer Schlagabtausch
Ausgehend vom kürzlich erschienenen Positionspapier der ICW zum Thema „Wer darf was beim Debridement" luden Dr. Holger Diener und Norbert Kolbig zum traditionellen Bremer Schlagabtausch ein. Schläge gab es zwar keine, aber interessante Standpunkte aus der Sicht verschiedener Berufsgruppen. Im Kern waren sich alle einig, dass eine erfolgreiche Wundtherapie nur interdisziplinär gelingen kann und alle Beteiligten ihre Expertise einbringen sollten. Reibungspunkte beim Débridement gibt es vor allem immer dann, wenn es Berührungspunkte zwischen ärztlicher und pflegerischer Kompetenz gibt. Prof. Großkopf differenzierte daher anschaulich zwischen scharfem und chirurgischem Débridement und riet allen Beteiligten, klare Absprachen zu treffen, Behandlungsstandards zu schaffen und sich für den Fall der Fälle versicherungstechnisch abzusichern. Aber auch für den Notfall sollte immer vorgesorgt sein. Sollte es beispielsweise im ambulanten Setting zu einer unkontrollierbaren Blutung kommen, muss ein Plan vorliegen, welcher ärztliche Ansprechpartner kurzfristig zur Verfügung steht oder wie genau die Situation sicher gemeistert werden kann.
Ergänzend stellte Martin Motzkus die Situation in der Klinik dar, wo natürlich die Nähe zu den verfügbaren Ärzten gegeben ist. Er bemängelte die oft unzureichenden Maßnahmen zur Wundreinigung und betonte deren Bedeutung für die Beschleunigung der Wundheilung.
Georg König wies auf die oft schwierige Situation im ambulanten Bereich hin. Neben der unzureichenden Vergütung zeigte er auf, dass auch die Zuständigkeiten oft unklar sind und die Pflegenden mit den Herausforderungen allein gelassen werden.
Carsten Hampel-Kalthoff zeigte am Beispiel seiner pflegegeleiteten Einrichtungen, dass mit guten Standards und ausreichend qualifiziertem Personal auch komplexe Wundversorgungen inklusive der notwendigen Debridements gelingen können.
Auch Prof. Ewa Stürmer plädierte für eine gute Zusammenarbeit und den Wert des chirurgischen Débridements, das oft zu zögerlich eingesetzt werde. Insgesamt wurde deutlich, dass ein differenziertes Vorgehen, aber auch eine gute Risikoeinschätzung sowie klare Strukturen und Absprachen notwendig sind, wie sie auch im Positionspapier der ICW empfohlen werden.
Politische Podiumsdiskussion – Wundpflege quo vadis?
Die auch in diesem Jahr hochkarätig besetzte Podiumsdiskussion beleuchtete aktuelle pflegepolitische Entwicklungen. Pflegekompetenzgesetz, Häusliche Krankenpflege-Richtlinie (HKP-RL) und Heilkundeübertragung waren die Stichpunkte, mit denen sich die anwesenden Diskussionsteilnehmer auseinandersetzten. Christoph Fischöder moderierte die Veranstaltung und stellte die Fragen bzw. bezog das sehr interessierte Publikum mit ein.
Leah Dörr vertrat als (APN) der Uniklinik Bonn einerseits die Wundpflegenden in den Kliniken, als Vorstandsmitglied der Pflegekammer NRW aber auch alle Pflegenden. Ihre Themen waren die neue Rollenentwicklung in der Pflege, das Pflegeberufegesetz und natürlich die Pflegekammer und ihre Rolle in der Politik. Sie sprach auch von einer stillen Epidemie in der Wundversorgung, da Wunden z.T. über Jahrzehnte unerkannt blieben. Betroffene würden teils unter-, teils überversorgt. Bisherige Lösungsmodelle könnten das Versorgungsproblem nicht lösen. Sie plädierte dafür, dass das neue Rollenbild der APN zur Lösung beitragen könne, sprach aber auch von politischen Notwendigkeiten zur Aufwertung der Pflege. Die Pflege sollte eine wichtige Rolle bei der Steuerung des Wundmanagements in den Kliniken spielen? Dazu sei auch eine bessere Verzahnung zwischen ambulantem und stationärem Sektor notwendig, um unnötige Krankenhausaufenthalte bei chronischen Wunden zu vermeiden. Wunden zu vermeiden.

Dr. Claudia Druschel, Chirurgin beim Medizinischen Dienst Brandenburg, vertrat die Seite der Kostenträger. Gemeinsam mit der AOK Nordost begleitet sie ein Projekt zur HKP-RL. Sie beleuchtete die Kostenentwicklung aus Kassensicht. Sie beobachtet häufig nicht leitliniengerechte, teure und langwierige Versorgungen im Bereich der chronischen Wunden. Sie wies auf Informationsdefizite und daraus resultierende Versorgungslücken hin.
Dr. Siiri Ann Doka, Referatsleiterin der Die Bundesarbeitsgemeinschaft Selbsthilfe von Menschen mit Behinderung, chronischer Erkrankung und ihren Angehörigen (BAG SELBSTHILFE e.V.) vertrat die von chronischen Wunden betroffenen Menschen und deren Angehörigen. Sie beklagte die Versorgungsbrüche an den Sektorengrenzen und stellte fest: „Gute Versorgung merkt man nicht.“
Heike Senge übernahm die Rolle der Politik, da sie selbst in ihrer Region kommunalpolitisch engagiert ist. Sie sprach über Versorgungssicherheit und beschrieb eine problematische politische Blockadehaltung. Ihr Fazit: Die Politik muss mehr Verantwortung für die Daseinsvorsorge übernehmen.
Martin Motzkus betonte als Krankenpfleger mit langjähriger Berufserfahrung (auch) in der stationären Wundversorgung die Wichtigkeit einer guten Vernetzung. Als problematisch stellte er die Überleitung der Betroffenen in ambulante Settings und dort eine gute Versorgung nach dem aktuellen Stand der Wissenschaft dar. Entscheidend seien Wissenstransfer, Kommunikation und Vernetzung. Sorgen bereiteten ihm Fehlentwicklungen und Fehlanreize in der Versorgungsstruktur sowie der Fachkräftemangel. Darunter litten Betroffene und Beschäftigte in den verschiedenen Versorgungsbereichen gleichermaßen. Hoffnung machten ihm die aktuellen politischen Entwicklungen und die zu erwartende Aufwertung des Pflegeberufs.
Ida Verheyen-Cronau referierte als Geschäftsführerin der Zertifizierungsstelle ICW/TÜV PersCert, die seit 2006 verschiedene Qualifizierungen zum Thema chronische Wunden anbietet, über deren Arbeit und Bedeutung. Dabei betonte sie die Wichtigkeit von klientengerechten, abgestuften Bildungsmaßnahmen im Themenfeld chronische Wunden. Sie plädierte für eine Anschlussfähigkeit an weiterführende Bildungsabschlüsse in der Pflege auf Landesebene. Wie dringend notwendig dies sei, sehe sie in ihrer zweiten beruflichen Tätigkeit als pflegerische Leitung einer Wundambulanz im ländlichen Raum.
Das Publikum nutzte ausgiebig die Möglichkeit, Fragen zu stellen, die von den anwesenden Referenten kompetent beantwortet wurden.
Flashmob für die Pflege

Der Fachkräftemangel in der Alten- und Krankenpflege ist nach wie vor zu groß und das Image des Berufs oft schlecht. Das soll sich ändern. Deshalb trafen sich am Freitag im Anschluss an den Internationalen Tag der Pflegenden mehrere hundert Teilnehmer/-innen aus der professionellen Pflege, darunter viele Auszubildende und Studierende, zu einem Flashmob auf dem Bremer Marktplatz. „Wir feiern Pflege“ lautete der Titel der Aktion. Die jungen Pflegenden zogen durch die Innenstadt zu den Messehallen. Mit dabei war auch Kongress-Projektleiterin Cordula Paul, die einem TV-Team einen kurzen Kommentar zur Situation in der Pflege gab.
Einfache Fragen – schwierige Antworten
Unter dem Titel „Ethik in der Wundversorgung“ griffen Dr. Alexander Risse und Prof. Dr. Gernold Wozniak am Freitagvormittag ein komplexes Thema auf. In seinem Einführungsvortrag ging Dr. Risse unter anderem auf die Begriffe Moral und Sitte ein, für die es keine einheitliche Definition gibt, obwohl sich Wundversorger ständig damit beschäftigen. Deshalb näherte sich der Berliner Diabetologe diesen Fragen aus philosophischer Sicht. „Philosophische Probleme sind Probleme, die es nicht gäbe, wenn es keine Philosophen gäbe“, warnte er die Zuhörer einleitend. Als Beispiel für Wertefragen, die dem Wundversorger in der täglichen Praxis begegnen, nannte Risse die sogenannte „Genesungshemmung des Klagenden“. Diese tritt auf, wenn Patienten ihre Wunde nicht heilen lassen wollen, um die Aufmerksamkeit der Pflegenden nicht zu verlieren.
Prof. Wozniak berichtete ergänzend von einer Umfrage eines großen Pflegeverbandes in der Schweiz, die ergeben habe, dass etwa ein Drittel der ambulant versorgten Wundpatienten keine Heilung wünsche. Daraus ergebe sich für die Leistungserbringer zwingend die Frage, ob die Ziele der Behandelnden mit denen der Betroffenen übereinstimmen. Hinzu kämen ökonomische Zwänge, da der Wundversorger in der Regel für ein Wirtschaftsunternehmen tätig sei. Dieses medizinisch-ethische Handeln im unternehmerischen Kontext veranschaulichte Prof. Wozniak anhand eines Bildes eines Burgers, wie man ihn aus Schnellrestaurants kennt. In diesem Denkmodell ist die obere Brötchenhälfte die Ökonomie, die untere die Moral und dazwischen als „Patty“ eingeklemmt: die Behandlung. Dieses anschauliche Bild verdeutlichte den Zuschauern sehr nachvollziehbar das Dilemma, in dem sich der Wundversorger aus ethischer Sicht befindet.
Deutscher Wundpreis 2024

Ein fester Programmbestandteil des DEWU ist die Verleihung des Deutschen Wundpreises in verschiedenen Kategorien – gestiftet von der Initiative Chronische Wunden (ICW) e. V.. In diesem Jahr wurde er zum dreizehnten Mal für die besten eingereichten Poster verliehen. Insgesamt zeichnete die Fachjury vier Arbeiten aus und vergab einen Sonderpreis in der Kategorie „Newcomer“.
In der Kategorie „Grundlagen“ gewann das Poster „Chronizität in der Wundheilung durchbrechen: Immunmodulation durch lösliches CD83“ von Dr. Moritz Ronicke vom Uniklinikum Erlangen. In der Kategorie „Praxis“ gewann das Poster „Gesundheit geht uns alle was an: Mental Health – eine Herausforderung in jedem Bereich“ von Ursula-Alexandra Wilken (Agaplesion Diakonieklinikum Rotenburg/Wümme). In der Kategorie „Fallvorstellung/Kasuistik“ gewann das Poster „Dekubitus – ein drückendes Problem“ von Inga Hofmann-Tischner (Wundmanagement Köln & Aachen).
Den Publikumspreis erhielt das Poster „Qualität – aber nicht zu jedem Preis!“ von Michaela Jung (APD Ambulante Pflegedienste Gelsenkirchen GmbH).
Den Sonderpreis „Newcomer“ erhielt das Poster „Identifikation von Risikofaktoren für das Auftreten von rezidivierenden Dekubitalulzera bei Menschen mit Rückenmarkverletzungen: eine Befragung zwei bis sieben Jahren nach operativer Versorgung“ von Katharina Kordik (Gefäß-und Endovaskularchirurgie, Krankenhaus Buchholz, Buchholz).
Wunde Ahoi – gewusst wie!
Ein traditioneller Bestandteil des Programms des Bremer Wundkongresses ist das Wund-Quiz, das auch in diesem Jahr wieder von Kerstin Protz und Werner Sellmer moderiert wurde. Unter dem nautischen Motto „Wunde Ahoi – die Klippen umschiffen“ bewiesen fast 200 Teilnehmer ihre Fachkenntnis in der Versorgung von Menschen mit Chronischen Wunde. Da die Referierenden nach eigenen Aussagen einen ausgeprägten „A-kü-Fi“ besitzen, also einem „Abkürzungsfimmel“, wählten die Teilnehmer ihre Fragen aus Rubriken wie „Da-kra-wa“ (= „Da krabbelt was“) oder „Ru-u-di-Wu“ (= „Rund um die Wunde“) aus.
Je nach Schwierigkeitsgrad wurden die richtigen Antworten zu Themen wie Larventherapie oder Produkteinsatz mit 100, 200 oder 300 Punkten belohnt. Die beiden konkurrierenden Teams, jeweils die linke und die rechte Seite des Saals, wählten zunächst eine ähnliche Taktik bei der Auswahl der Fragen und zeigten zudem gleichviel Fachwissen. Bis zur achten Frage gab es somit ein spannendes Kopf-an-Kopf-Rennen, dann gelang es allerdings einer Saalhälfte, sich abzusetzen. Der Vorsprung konnte zunächst bis zum Ende gehalten werden, dann ermöglichte schließlich eine knifflige Bonusfrage der bis dahin unterlegenen Hälfte den Ausgleich zu erzielen.
In ihrem großen interaktiven Wund-Quiz lotsten die beiden Moderatoren die Teilnehmer durch die tückischen Gewässer der Wundversorgung. Wie beim Wund-Quiz üblich, gingen Spaß und Vermittlung aktuellen Wissens Hand in Hand. Die wieder einmal sehr gut besuchte Veranstaltung zeigt das große Interesse und die gute Resonanz, auf die dieses Konzept beim Bremer Publikum trifft.
Laufsteg der Innovationen
Ein neues Format in diesem Jahr war eine Sitzung, in der sechs Unternehmen neue Entwicklungen und Produkte vorstellten, die nicht länger als 12 Monate auf dem Markt sind.
Eine Jury und das Publikum wählten das aus ihrer Sicht interessanteste und vielversprechendste Produkt aus. In diesem Jahr gewann die Fidia Pharma GmbH mit ihrem Produkt Hy Tissue Micrograft® den Preis, ein kostenloses Symposium auf dem Kongress 2025.
Workshops
Die Teilnehmenden des Bremer Wundkongresses hatten auch dieses Jahr wieder die Gelegenheit, zahlreiche Workshops zu besuchen. Die Tatsache, dass alle angebotenen Workshops bereits kurz nach Freischaltung der Anmeldung ausgebucht waren, zeigt, dass sehr großes Interesse besteht, selbst einmal „Hand anzulegen" und Dinge auszuprobieren. So konnten beispielsweise bei „Einer Runde Wunde" konkrete Fallbeispiele in Kleingruppen besprochen und Lösungen hergeleitet werden. Unter fachkundiger Anleitung von Claudia Kleine-Altekamp (Ev. Krankenhaus Mülheim), Stefanie Heitmeier-Beul (Uniklinik Essen) und Birgit Kau (Sanaklinik Duisburg) konnten so produktneutral verschiedene Wundprodukte ausgewählt und diskutiert werden. Martin Motzkus moderierte die Veranstaltung und hatte eigens diverse Wundmodelle und laminierte Wundfotos bereitgestellt.
Ein weiterer Workshop, der ebenfalls sehr gut besucht war, befasste sich mit dem Debridement von Wunden. Dr. Christian Vey (Uniklinikum Düsseldorf) demonstrierte das chirurgische Debridement und grenzte vom scharfen Debridement ab. Martin Motzkus leitete das mechanische und auch das scharfe Debridement an. An einer weiteren Station konnte das ultraschallassistierte Debridement geübt werden. Hier waren Mona Eisenschmidt und Mario Gießler vom Südharz-Klinikum die Anleitenden.
+++Save the Date 2025+++
Der nächste DEWU findet vom 7.–9. Mai 2025 in Bremen statt.
