„Brennpunkt Wunde - die Sprache der Wunde“ lautete das diesjährige Thema, mit dem sich über 500 Fachleute aus dem regionalen Gesundheitswesen einen ganzen Tag lang angeregt auseinandersetzten. Dabei wurde mit über 500 Teilnehmern ein erneuter Rekord erzielt. Sieben hochqualifizierte Fachreferenten traten mit den Anwesenden in den Dialog, transportierten Fachwissen, diskutierten und zeigten neue Trends auf. Den Vorsitz bildeten in diesem Jahr Julian Anselm Bayer (Gesundheits- und Krankenpfleger, Wundexperte ICW, Bildungsreferent und Pflegepädagoge der Bayerischen Pflegeakademie), Frank Schümmelfeder (MScN, Pflegewissenschaftler, Wundexperte ICW, Fachkrankenpfleger Intensiv und Anästhesie) sowie Dr. Thomas Wild (Oberarzt, Facharzt für Chirurgie, Städtisches Klinikum Dessau).
Umrahmt und bereichert wurde die Veranstaltung durch 33 Aussteller aus dem Bereich der Gesundheitsindustrie, die ihre Informationsstände im Foyer des Edwin-Scharff-Hauses platziert hatten. Im Laufe des Tages führten die praxisnah vermittelten Eindrücke im Zusammenspiel mit der souverän geführten Moderation zu einem rundum gelungenen Wundkongress 2019 mit durchweg positivem Feedback der Teilnehmer.
Zum Auftakt begrüßen Häussler-Geschäftsführer Hans-Peter Dahlmann sowie die Leiterin des Forums, Daniela Schuster, die Seminarteilnehmer im großen Saal und bedankten sich bei allen Anwesenden für ihre Teilnahme am Kongress. Dahlmann zitierte in seiner Begrüßung Konfuzius: „Die ganze Kunst der Sprache besteht darin, verstanden zu werden.“ Mit Bezug auf das Thema des Kongresses verdeutlichte er, wie wichtig es ist zu begreifen, was uns eine Wunde mitteilen möchte. Denn nur dann, wenn wir die Sprache der Wunde verstehen, kann Wundversorgung erfolgreich verlaufen. Schuster referierte über das Leitthema „Die Sprache der Wunde“. Hier geht es um viel mehr als um Wundheilung und Wundversorgung alleine, nämlich um das allseitige Miteinander im medizinischen Team. Wie fühlen sich die Pflegefachkräfte im Zeitalter des Kostendrucks und der effizienten Arbeitsweise? Ist hier noch eine aufopferungsvolle Pflege möglich, wie sie einst Florence Nightingale vorgelebt hat? Was empfinden Ärzte und Therapeuten, wenn kaum noch Zeit besteht, um auf Patienten genügend einzugehen? Und wie fühlen sich die Patienten selbst? Wahrgenommen als Menschen mit all ihren Bedürfnissen oder als bloße Nummern, die abgearbeitet werden müssen? Wie schaffen wir es im Team, auf die Bedürfnisse jedes Einzelnen zu schauen, sich zu respektieren und wertzuschätzen? Mit dieser Fragestellung sollte der Kongresstag beginnen und Antworten liefern. Zudem ermunterte Schuster alle Teilnehmer dazu, bei den heutigen Themen mitzudiskutieren und sich einzubringen.
Frau Ronja Kemmer, CDU-Bundestagsabgeordnete und Präsidentin des Roten Kreuzes in Ulm, hatte auch in diesem Jahr die Schirmherrschaft für den Ulmer Wundkongress übernommen. Sie begrüßte die Anwesenden mit einer Videobotschaft und appellierte darin insbesondere an das Engagement aller Pflegefachkräfte, nicht aufzugeben, sich in aktuelle Debatten einzubringen, denn Pflege sei kein Selbstzweck, sondern Ausdruck einer humanen Gesellschaft und Gewährleistung der Würde des Menschen in allen Lebenslagen. Es sei wichtig, weiterhin junge Kollegen zu gewinnen und für diesen Beruf zu motivieren. Sie erinnerte an zahlreiche Gesetzesvorhaben, die zu Verbesserungen im Pflegebereich führen sollen.
Mit der „Sprache des Gospel“ begeisterte die Ulmer Gospelsängerin Siyou Isabelle Carola Ngnoubamdjum die Teilnehmer während ihres Auftrittes und stimmte dadurch musikalisch auf die bevorstehenden Vorträge ein.
Den Auftakt machte Gerhard Schröder. Als Autor zahlreicher Fachbücher und Artikel über Dekubitus sowie als Direktor der Akademie für Wundversorgung (Göttingen) gilt er als absoluter Fachexperte. In seinem Vortrag widmete er sich der Frage, wie guter Umgang mit schwierigen Patienten in der Wundversorgung gelingen kann. Über 80% der kritischen Fehler in der Behandlung von Wundpatienten seien auf Defizite in der Kommunikation zurückzuführen.Der Krankenpfleger und Fachbuchautor stellte gleich zu Beginn die Frage, ob es wirklich „schwierige Patienten“ gibt. Schließlich verspüre man als Kranker einen Leidensdruck, habe oft Schmerzen, die zu wenig vom Umfeld wahrgenommen würden und fühle sich nicht ausreichend beachtet. Dazu kommen Ängste und manchmal lange Wartezeiten aufgrund Personalmangels im medizinischen Sektor, die durchaus zu Aggressionen bei Patienten führen könnten. Er zitierte Dipl.-Psych. Gert Kowarowsky aus „der schwierige Patient“ „Den schwierigen Patienten gibt es nicht, er wird erlebt in einem intensiven Interaktionsprozess.“ Er appellierte an das Publikum: „Wir brauchen kommunikative Kompetenz. Denn Kommunikation findet immer statt, auch wenn man es gar nicht will.“ Gerade im Umgang mit chronisch Kranken sei es hilfreich, das Gegenüber ausreden und sich mitteilen zu lassen, anstatt die Kommunikation zu unterbrechen.
Professor Dr. Volker Großkopf aus Köln vermittelte den Teilnehmern die strafrechtliche Haftung der Wundversorgung. Seit 2001 hält er den Lehrstuhl für Rechtswissenschaften im Fachbereich Gesundheitswesen an der Katholischen Hochschule Nordrhein-Westfalen inne. Zudem ist er seit dem Jahr 2003 Herausgeber der zweimonatlich erscheinenden, interdisziplinär ausgerichteten Fachzeitschrift „Rechtsdepesche für das Gesundheitswesen“. Großkopf ging auf die Entwicklungen im Bereich der Pflege ein. Schwerpunkte waren die Akademisierung der Pflege, die haftungsrechtliche Situation sowie die gesetzlichen und tatsächlichen Entwicklungen. Zu Beginn seines Vortrages zeichnete er die Akademisierung der Pflege nach. Auf den Fortschritt dieses Prozesses freue er sich besonders, denn ab 2020 lässt sich der Studiengang „Pflege“ belegen und in der Folge kann endlich eine Begegnung zwischen Pflegenden und Ärzten auf Augenhöhe stattfinden. Weiter beschrieb er anhand von vielen Fallbeispielen die Grundsätze der Anordnungs- und Durchführungsverantwortung. Die Themen Remonstrationsrecht, Übernahmeverschulden und Anordnungsrecht standen im Fokus. Es entstanden angeregte Diskussionen, die sich noch in der anschließenden Pause in lebhaften Gesprächen der Kongressteilnehmer untereinander fortsetzen.
Von der Sprache des Wundschmerzes handelte der Vortrag von Thomas Bonkowski, Wundexperte ICW, Pflegerische Leitung der Klinik und Poliklinik am Universitätsklinikum Regensburg. Sein einführender Gedanke war, dass 4,5 Millionen chronische Wunden in Deutschland bekannt sind. Dabei ist die Dunkelziffer hoch, da viele der Betroffenen sich schämen oder schlechte Erfahrungen bei vorherigen Behandlungen erlebt haben. Er skizzierte die Sorgen und Nöte dieser Menschen mit chronischen Wunden, die rasch in einen scheinbar ausweglosen Teufelskreis aus Angst und Stress geraten können Das Bundesministerium für Bildung und Forschung schätzt die jährlichen Kosten für Schmerzbehandlung bei chronischen Wunden auf 15,3 Milliarden Euro. In seiner Präsentation griff Bonkowski unter anderem die verschiedenen Schmerzformen auf. Allgemeine Zustimmung fand sein Zitat: „Es ist göttlich, den Schmerz zu lindern“.
Bernd von Hallern, Wundexperte ICW und freiberuflicher Dozent für Wundversorgung und Wundbehandlung aus Stade verdeutlichte in seinem Vortrag „Sherlock Wounds in der Wunde“, wie bedeutsam die Detektivarbeit bei der Wundversorgung ist. Er stellte bildlich dar, dass die Beobachtung von Wunden extrem wichtig ist, um ihre Ursache zu finden. Der Wundexperte machte deutlich, dass eine Spurensuche immer mit Betasten und Befühlen der Wunde erfolgen muss. Unterschiedliche Wundverbände benötigen außerdem eine angepasste Wundreinigung. Durch seine jahrelange Berufserfahrung konnte von Hallern das Publikum mit vielen Fallbeispielen in Form von Videos begeistern.
Mit dem Thema Preispolitik beschäftigte sich Fachapotheker Werner Sellmer aus Hamburg in seinem Vortrag mit dem Titel „Gute Wundversorgung für 40 € im Quartal – wie soll das gehen?“. Dabei erstellte er eine beispielhafte Kostenrechnung, um die Materialkosten der unterschiedlichen Wundauflagen zu veranschaulichen. Die unterschiedlichen Vergütungsgruppen im SGB V im Rahmen der Behandlungspflege variieren je nach Bundesland. Im Gesamten wird die Wundversorgung nicht ausreichend erstattet, so dass Pflegedienste große Schwierigkeiten haben, bei der Versorgung von Menschen mit chronischen Wunden kostendeckend zu arbeiten. Aber wenn man sich mit dem Thema auseinandersetzt, ist es nicht unmöglich. Sellmers Motto und Kernsatz seines Vortrages war die Aussage: „Eine erfolgreiche Wundversorgung macht Spaß und schafft Lebensqualität.“
„Wenn der Patient nicht will…Adhärenz versus Compliance“, lautete das Thema von Kerstin Protz, erfolgreiche Fachbuchautorin und Managerin im Sozial- und Gesundheitswesen aus Hamburg. Sie zeigte Methoden auf, Wundpatienten zur Mitarbeit zu motivieren. Ihr Fazit als Expertin: Immer die Ziele des Patienten im Blick behalten und Gefühlen des Patienten von Macht- und Hilflosigkeit entgegenzuwirken. Ein interdisziplinäres Arbeiten im Team sei dafür Voraussetzung. Denn man wolle Lebensqualität für die Patienten schaffen, was bei Erkrankungen wie Demenz, Alzheimer, Depressionen sowie patientenbezogenen Störfaktoren nicht immer einfach ist.
Dr. Michaela Knestele behandelte das Thema „Wunden durch Drogenkonsum“. Dabei zeigte sie an fünf Fallbeispielen auf, welche Wunden und Gesundheitsschäden durch die Einnahme von Drogen entstehen können. Jede Droge verursacht andere körperliche Schäden. Von Hautschäden (Ecstasy-Pickel, Vernarbungen, Hyperpigmentierungen, infizierten Kratzwunden) über Abszesse zu Gefäßschäden wie Cannabis Arteriitis, tiefe Beinvenenthrombosen bis hin zum Extremitätenverlust. Es gibt viele Stolpersteine, die ein Drogenabhängiger auf seinem Weg meistern muss. Wichtig ist die Compliance des Patienten. Diese ist abhängig von der sozialen Situation, der Substitution und auch von der Abhängigkeit der Rückfallanfälligkeit. Die Behandelnden im Team sollten sich bei der Behandlung bewusst um einen unvoreingenommenen Umgang mit drogenabhängigen Patienten bemühen, auch wenn Rückfälle immer wieder zu Enttäuschungen führen könnten, so Knestele. Der größte Gewinn sei es, wenn es dem Patienten klar wird, dass die große Bedeutung der aktiven Mitarbeit im Vordergrund steht.
Begeistert nahmen alle Teilnehmer am nächsten Programmpunkt teil, dem Wundquiz von Sellmer und Protz. Dabei wurden die Teilnehmer im Saal in zwei Gruppen aufgeteilt. Es galt nun, Fragen zum Thema chronische Wunden zu beantworten, was anhand von Bildern unterstützt wurde. Die beiden Teams trennten sich nach aufgelockerter Stimmung und aktiver Teilnahme unentschieden voneinander.
Abgeschlossen wurde die Vortragsreihe des Kongresstages durch einen weiteren Vortrag von Dr. Michaela Knestele. Nunmehr widmete sie sich Insektenstichen als möglicher Wundursache und beleuchtete die möglichen Folgen und bestehenden Therapiemöglichkeiten. Zudem ging sie näher auf verschiedene denkbare Komplikationen ein, wie z. B. Impetigo contagiso, Lymphangitis, Erysipel, Phlegmone bis hin zur nekrotisierenden Fasziitis. Zum Schluss ihres Vortrages erwähnte die Chefärztin der Klinik Marktoberdorf, dass die meisten Insektenstiche aber problemlos abklingen.
Abschließend lud Daniela Schuster bereits jetzt alle Teilnehmer zum 9. Ulmer Wundkongress am 24. Juni 2020 ein.
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