Das war der 05. Nürnberger Wundkongress 2022

von Barbara Springer

 

5. Nürnberger Wundkongress unter dem Motto
„Wer heilt, hat recht – Wundtherapie zwischen Evidenz und Bauchgefühl“

Im Dezember erlebte der Nürnberger Wundkongress seine fünfte Auflage, nach zwei Jahren im Digitalformat diesmal wieder in Präsenz. Erneut nutzten rund 1.500 Mediziner, Pflegefachkräfte und Wundinteressierte die Chance zur wissenschaftlichen Fortbildung beim komplexen Thema Wundversorgung sowie zum Erfahrungsaustausch untereinander.


Unter den Schirmherrschaften der Deutschen Gesellschaft für Wundheilung und Wundbehandlung e. V. (DGfW), der Initiative Chronische Wunden e. V. (ICW) und des Klinikums Nürnberg mit der Paracelsus Medizinischen Privatuniversität bot der 02. Nürnberger Wundkongress Ärzten und Fachkräften aller an der Wunde beteiligten Disziplinen und Professionen ein vielseitiges Update von aktuellen Standards bis zu innovativen Lösungen. 25 kooperierende Fachgesellschaften und Verbände waren mit 25 Sitzungen vertreten.

In der Eröffnungsveranstaltung gab der Kongresspräsident des ersten WUKO-Kongresses 2018, Prof. Dr. Bert Reichert, einen historischen Abriss und betonte die Interdisziplinarität und Interprofessionalität der Veranstaltung, die im Bereich Wundheilung und Wundbehandlung zwingend geboten ist.


Ziel ist es, Patientinnen und Patienten zu verstehen, sie abzuholen und in die Therapie einzubinden.

 

Kongresspräsidentin Prof. Dr. Ewa Stürmer bei der Eröffnung des 05. Nürnberger Wundkongress.

Die Kongresspräsidentin 2022, Prof. Dr. Ewa Stürmer (im Bild) ergänzte, dass jede Patientin, jeder Patient eine eigene gesundheitliche Vorgeschichte hat. Aus diesem Grund sollen nicht nur die typischen Grunderkrankungen im Fokus des Kongresses stehen, sondern auch andere Erkrankungen, wie Demenz, Depression oder Adipositas. Das Ziel sei es, Patientinnen und Patienten zu verstehen, sie abzuholen, sie einzubinden und ihre Adhärenz zu stärken. Gerade dies ist auch ein wichtiger Teil der täglichen Wundtherapie.

 
Wundversorgung zwischen objektiver und subjektiver Tatsächlichkeit

Den Festvortrag hielt Dr. Alexander Risse. In gewohnt fesselnder und unterhaltender Weise stellte er in einem rhetorischen Parforceritt Grundlagen aus der Erkenntnistheorie und Philosophie in einen medizinischen Kontext. Zum Beispiel ging es um objektive Tatsachen im Vergleich zu subjektiven Tatsachen oder um den Begriff der Evidenz, der vom englischen Begriff „evidence“ abzugrenzen ist. Häufig werden beide Begriffe falsch gedeutet und verwendet.


Wund Slam

In diesem Jahr gab mit dem Wund Slam ein neues Format, dass den Kongress modernisieren und bereichern sollte. Analog zu den bekannten Poetry-Slams waren die ausstellenden Firmen aufgerufen, ihr Produkt oder Konzept einmal anders zu präsentieren. Die Bandbreite reichte dabei von konventionellem Vortrag, Film oder Animationen, über Gedichte und bis hin zu einen Kompressions-Wickelwettbewerb. Es hatten sich zwar nur 6 Firmen auf die Bühne getraut, aber das Format hat Potential und man darf gespannt auf die nächsten Darstellungen dieser Art sein.


Leitlinien und Evidenz in der Wundtherapie

In dieser Sitzung wurde mit Spannung der Vortrag von Prof. Dr. Andreas Maier-Hasselmann aus München zum Update der S3-Leitlinie „Lokaltherapie chronischer Wunden bei Patienten mit den Risiken periphere arterielle Verschlusskrankheit, Diabetes mellitus, chronisch venöse Insuffizienz“ erwartet. Diese Leitlinie ist nach Überprüfung durch das Leitliniensekretariat nach Überprüfung bis zum 11.6.2017 verlängert worden und befindet sich in der finalen Phase der Überarbeitung. Prof. Maier-Hasselmann ist Koautor und Mitglied im Redaktionsteam der AWMF-Leitlinien und gab schon einmal einige allgemeine Einblicke. So wurde der Aufbau neu gegliedert in Behandlungsalgorithmen, Debridement, Auswahl der Wundauflagen und Adjuvante Maßnahmen.

Ein wichtiger Aspekt ist die Implementierung in die Praxis. Dazu wurden Schlüsselfragen formuliert, z.B. „Wie sollen stark riechende Wunden abgedeckt werden“ oder „wie soll mit einer, trotz leitliniengerechter Wundbehandlung, stagnierenden Wunde umgegangen werden.
Interessant sind auch die Empfehlungen zu Wundauflagen. Für viele Produkte konnte erneut keine ausreichende Evidenz gefunden werden – und damit wird es auch keine Empfehlung geben, wie zum Beispiel für Hämoglobinspray, Plättchen udn Thrombozytenreiches Plasma, Silberhaltige Wundauflagen oder Polihexanid, -biguanid- oder octenidinhaltige Wundauflagen.

Bei den adjuvanten Maßnahmen können für die Vakuumversiegelungstherapie und die Hyperbare Sauerstofftherapie Empfehlungen gegeben werden – hier ist Evidenz vorhanden. Keine Evidenz wurde für Reizstrom, Phototherapie, Kaltplasma oder die Topische kontinuierliche O2-Therapie gefunden.



Wie können mehr Evidenz und umsetzbare Handlungsempfehlungen erreicht werden?

 

Der Vortrag wurde intensiv diskutiert, insbesondere zu der Frage, wie man denn an bessere Evidenz und umsetzbare Handlungsempfehlung kommen kann. Hier werde es noch einiges zu tun geben, insbesondere zur Definition der Studienendpunkte, zu registerbasierten Datenanalysen oder zur intelligenten Überwachung der Wundparameter, so Prof. Maier-Hasselmann in seinem Fazit.


Innovationen in der Wundtherapie und -diagnostik

In ihrem Übersichtsvortrag „Was ist neu in der Lokaltherapie und wofür nützt es uns wirklich?“ dämpfte Frau Prof. Stürmer zunächst die Hoffnung auf bahnbrechende Neuerungen, denn aus ihrer Sicht gibt es generell wenig Neues auf dem Markt.
Aber einige Produkte und Verfahren sind dann doch innovativ oder haben Potential. Interessant findet Prof. Stürmer ein neues Produkt zum chemischen Debridement, das auch Biofilm bekämpft. Der wird durch das topisch dehydrierende Gel sozusagen ausgetrocknet. Erste eigene Untersuchungen dazu sind vielversprechend, sagte sie. Prof. Stürmer benannte danach noch Verfahren wie platelet rich plasma in Kombination mit Hyaluronsäure, Wundmatrices oder Probiotika als vielversprechend in der Therapie chronischer Wunden. Zur Wirkung von Probiotika hat sie eigenen Untersuchungen laufen, die im nächsten Jahr publiziert werden sollen

Posterpreis

WUKO_Posterpreisgewinnerin

Auch in diesem Jahr wurde aus den 12 Posterbeiträgen von einer Fachjury das beste Poster mit einem Jahresabonnement der Zeitschrift „WUNDmanagement“ der mhp Verlag GmbH prämiert.

Wir gratulieren der Preisträgerin Frau Mirjam Frink für ihr Poster mit dem Titel „Konzept des Wundentlassmanagement am Rhein Maas Klinikum, Würselen!“.
Das Konzept sieht vor, den Übergang aus der stationären in die ambulante Wundbehandlung zu verbessern. Feste Bestandteile des Entlassungsmanagements sind ein Wund-­Entlassungsbrief, die Kontaktaufnahme mit Hausarzt/Pflegedienst und ein Versorgungspaket für die erste Wundversorgung, um Versorgungslücken auszuschließen.
im Wund-Entlassungsbrief werden automatisch die betreffende Fachabteilung, die Daten der letzten Wunddokumentation und die Diagnosen mit ICD-Schlüssel übernommen. Dies stellt eine ausführliche Dokumentation für die ambulante Versorgung dar und beinhaltet auch eine Fotodokumentation.
Das Wundmanagement nimmt Kontakt zu den Pflegediensten und Pflegeeinrichtungen sowie Hausärzten/-ärztinnen auf und bespricht das weitere individuelle Vorgehen. Zu diesem Konzept gehören selbstverständlich auch die Integration und Anleitung der Angehörigen.
Am Tag der Entlassung erhält der Patient dann eine eigens für die weitere Wundversorgung bereitgestellte Tasche mit der ggf. benötigten Verordnung zur Behandlungspflege, Entlassrezepten für Wundmaterial in der kleinsten Abgabegröße und auch Wundversorgungsmaterial für den ersten Verbandwechsel.

 
Save the Date  

Insgesamt war der Kongress ein Erfolg – auch hier freute man sich, dass der persönliche Austausch in den Pausen und rund um die Veranstaltung wieder möglich war. Der nächste und 06. Nürnberger Wundkongress findet vom 23.-24. November 2023 in Nürnberg statt. Kongresspräsident ist dann Herrn Prof. Dr. Joachim Dissemond aus Essen.

+++ Den ausführlichen Kongressbericht lesen Sie in der nächsten Ausgabe der Zeitschrift WUNDmanagement. +++

 

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Tags: WUKO
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