von Jan Hinnerk Timm
Die Wundheilung ist ein energieaufwändiger, fordernder und komplexer Prozess, bei dem Makro- und Mikronährstoffe eine wichtige Rolle spielen. Durch bewusste Entscheidungen bei der Nahrungsaufnahme kann der Abheilungsprozess somit durch die Bereitstellung hierfür erforderlicher Ressourcen unterstützt werden. Im Gegenzug kann ein Mangel bestimmter Nährstoffe in unserem Essen die Wundheilung behindern und das Auftreten neuer Wunden, beispielsweise Dekubitus, begünstigen.
„Kleine“ Nährstoffe – große Wirkung
Wie im Beitrag Essen ist Lebensqualität – und mehr! erwähnt, kommt dem Element Zink eine besondere Bedeutung bei der Wundheilung zu. Dieses Spurenelement unterstützt das Immunsystem und fördert den Wundverschluss. Aber auch Eisen (zum Sauerstofftransport und Kollagensynthese), Folat (für die Zellteilung und -regeneration) und Selen (zur Immunabwehr) unterstützen die Abheilung. Zudem spielen die Vitamine E (für die Membranfunktion), D (für Epithelzellen), K (zur Blutgerinnung), und A (zur Zellentwicklung und Hautaufbau) eine wichtige Rolle bei der Wundheilung und sollten hierfür dem Körper zur Verfügung stehen. Es handelt sich um fettlösliche Vitamine, die durch Fette transportiert werden. Darüber hinaus tragen die Vitamine B6 (Immunsystem), B12 (Zellentwicklung und -teilung) sowie C (Kollagensynthese, Eisenresorption, Immunsystem) zum Abheilungsprozess bei.
Der Bedarf steigt
Der Energiebedarf des Körpers ist ein individueller Wert, der unter anderem wesentlich von unseren Lebensumständen abhängt. Einen wichtigen Einfluss auf unseren Kalorienbedarf hat, neben dem Grundumsatz an Energie, den unser Körper im Ruhezustand leistet, auch unsere körperliche Aktivität. Zudem erhöhen bestimmte Krankheitsbilder den Grundenergiebedarf. Dieser liegt bei einem gesunden Erwachsenen bei 24 kcal/kg Körpergewicht. Bei Menschen mit Dekubitus oder anderen Wunden steigt der Grundumsatz auf bis zu 35 kcal/kg Körpergewicht an.
Der Eiweißbedarf von Patienten mit Wunden (Dekubitus, Verbrennungen) liegt bei 1-1,5 g/kg Körpergewicht.
Die Proteine spielen eine wichtige Rolle bei der Vernarbung und werden somit zur Abheilung der Wunde benötigt. Der Eiweißdarf des Körpers ist daher durch die Prozesse im Zusammenhang mit der Wundheilung erhöht. Während bei einem gesunden Menschen mittleren Alters 0,8g/kg Körpergewicht zugeführt werden sollte, liegt der Eiweißbedarf von Patienten mit Wunden, beispielsweise bei Dekubitus oder hochgradigen Verbrennungswunden, bei 1-1,5 g/kg Körpergewicht.
Für eine adäquate Verteilung aller zugefügten Nährstoffe im Körper ist zudem eine ausreichende Flüssigkeitszufuhr notwendig. Ein gesunder Mensch hat einen täglichen Flüssigkeitsbedarf von 30-40 ml/kg Körpergewicht. Dieser Bedarf steigt an, wenn es zu krankheitsbedingten übermäßigen Flüssigkeitsverlusten kommt, etwa durch Fieber, Durchfall oder Erbrechen, aber auch durch eine übermäßige Wundexsudation. Bei Flüssigkeitsmangel verdickt sich das Blut und verliert seine Fähigkeit, Nährstoffe und Sauerstoff zu transportieren, was in der Folge auch die Wundheilung beeinträchtigt.
Der Blick aufs Ganze
Wer Menschen mit chronischen Wunden versorgt, ist es gewohnt, den Menschen als Ganzes in den Blick zu nehmen. Hierzu gehört neben der Evaluierung der Lebensumstände, der Beurteilung der individuellen Fähigkeiten und der Motivation sowie des möglichen Unterstützungsbedarfs im Alltag auch eine frühzeitige Abklärung des Ernährungszustands und die Begutachtung der Ernährungsgewohnheiten des Betroffenen. Bei einem Patienten, der sich ungenügend und falsch ernährt, kann es schwierig sein, den Wundheilungsprozess zu initiieren. Hierbei können einige Hinweise auf die ideale Zusammensetzung der Nahrung und deren Bedeutung für die Wundheilung oder auch eine Anreicherung der gewohnten Nahrung mit Makro- und Mikronährstoffen hilfreich sein.
Lesetipp aus dem WUNDmanagement-Archiv
Eine Übersichtsarbeit zu dem aktuellen Kenntnisstand darüber, welchen Einfluss Ernährung auf die Wundheilung haben kann, finden Sie HIER.