Übersichtsarbeit
Digitale Wunddokumentation
N. Kolbig
EINLEITUNG
Allgemeines
Zu Beginn jeder Wundbehandlung erfolgt die Dokumentation der Wunde. Die genaue Beschreibung ermöglicht, den Verlauf der Abheilung nachvollziehbar darzustellen. Eine Dokumentation beschreibt den exakten Ablauf der Wundtherapie und der Versorgungsprozesse. Auf der Basis einer Wunddokumentation lässt sich eine Prognose über den zu erwartenden Verlauf formulieren.
Eine Fotodokumentation ergänzt die schriftliche Dokumentation. Bilder erlauben eine visuelle Einschätzung, sind aber allein zur rechtssicheren Wunddokumentation nicht ausreichend.
Neben der Möglichkeit, Befunde auf einem Wunddokumentationsbogen händisch zu dokumentieren, gibt es immer mehr Angebote zur digitalen Dokumentation.
Stationäre Einrichtungen wie Krankenhäuser nutzen eher Desktop-Lösungen, während Pflegedienste oder ambulant tätige Einrichtungen App-basierte Systeme bevorzugen.
Wunddokumentation in Papierform
Die Wunddokumentation auf einem Papierbogen ist noch die am häufigsten genutzte Dokumentationsform. Sie wird in Kliniken, bei ambulanten Pflegediensten oder in Langzeitpflegeeinrichtungen täglich verwendet. Ein solcher Wunddokumentationsbogen enthält eine Einschätzung der Wunde, die geometrischen Angaben zur Wundform und -größe, die ärztliche Anordnung, die durchgeführte Wundversorgung und die Verlaufskontrolle. Für einen Bogen Papier sind das doch sehr umfangreiche Informationen! Es verwundert daher nicht, dass heutige Wunddokumentationsbögen mit vielen Kästchen zum Ankreuzen bestückt sind und nur wenige Möglichkeiten zur eigenen, handschriftlichen Texteintragung vorhanden sind.
Problematisch können u. a. die Aufbewahrung oder der Zugriff auf diese Formulare sein. Denn einerseits müssen sie datensicher verwahrt werden, andererseits müssen die Informationen jederzeit verfügbar sein. Auch die Lesbarkeit ist manchmal eine Herausforderung. Eine systematische Abfrage einzelner Dokumentationspunkte erfolgt oftmals nicht, so dass wichtige Punkte der Dokumentation unberücksichtigt bleiben können. Die Wundlokalisation kann häufig auf einem Körperschema markiert werden.
Wunddokumentation am PC
Die in Kliniken verwendeten Computerprogramme zur Wunddokumentation sind oft im Krankenhausinformationssystem (KIS) verankert. Diese Vernetzung hat den Vorteil, dass Informationen in unterschiedlichen Verlaufsdokumentationen verfügbar sind. So kann einerseits die Pflege eine Wunddokumentation zur Überleitung erstellen, andererseits können Ärzte die Inhalte direkt in den Entlassungsbrief übernehmen. Neben diesen Informationen können auch Daten für wissenschaftliche Auswertungen oder aber auch zur Abbildung der Diagnosis related groups (DRG) oder zur Abrechnung verwendet werden. Auf den Visitenwägen installiert, können die Computer auch im Patientenzimmer verwendet werden. Dies ermöglicht dann eine Dokumentation nah am Patientenbett, womit sichergestellt wird, dass alle wichtigen Informationen erfasst werden. Spezielle Programmroutinen ermöglichen eine systematische Wunddokumentation, d. h. alle Parameter werden erfasst. Wundfotos können importiert und mit der Dokumentation archiviert werden.
Im Uniklinikum Düsseldorf wird das CGM MEDICO Krankenhausinformationssystem verwendet.
Vor der Einrichtung einer [...] App auf dem Smartphone oder Tablet sollte geklärt werden, wo die sensiblen Daten verbleiben und was mit ihnen passiert.
Wunddokumentation per App
Für das mobile Arbeiten, z. B. im häuslichen Pflegedienst, aber auch auf der Station in der Klinik oder Langzeitpflege, eignen sich App-basierte Lösungen. Hierzu können Apps in der -iOS oder Android- Version aus den entsprechenden Stores der Betriebssysteme heruntergeladen werden. Die Einrichtung der App ist zumeist einfach. Vor der Einrichtung einer solchen App auf dem Smartphone oder Tablet sollte geklärt werden, wo die sensiblen Daten verbleiben und was mit ihnen passiert. Hier liegt m. E. eine relevante Problematik vor. Dokumentations- Apps sollten vor dem Zugriff von Unberechtigten geschützt sein. Die mit dem Smartphone erstellten Fotos werden mit einer Wunddokumentation verknüpft. Bei verschiedenen Apps können Messdaten aus der Fotografie in die Befundung übernommen werden. Manchmal sind spezielle Marker notwendig. Auch die Übertragung der patientenspezifischen Daten kann mittels eines Barcodes erfolgen. So können zum Beispiel Daten von den Patientenarmbändern sofort übernommen werden. Menügeführt erfolgen dann die Erfassung der Anamnese und die Dokumentation der geometrischen Messergebnisse, der Wundtherapie und des Verlaufs.
Die nachfolgend aufgeführten digitalen Wunddokumentationssysteme hat der Autor für Sie in ihrer Funktionalität und Anwendung getestet und bewertet:
- die Wund und Spezialdokumentation von CGM mit der Integration von Dokumentationssystemen
- die Healico-App
- die imitoWound-App
- die Wundera-App
- XOTOTEC – Kamera und App
Im Folgenden stellen wir die Apps und das Fazit des Autors vor.
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CGM MEDICO
Anwendungsbereich
Die CGM MEDICO Wund- & Spezialdokumentation dient zur Dokumentation von:
- chronischen und akuten Wunden, z. B. Dekubitus, Ulcus cruris, OP-Wunden, Verbrennungen
- Zuleitungen, z. B. perkutane Sonden, Zentralvenenkatheter, Venenverweilkanülen
- Ableitungen, z. B. Blasenverweilkathetern, Thoraxdrainage, Wunddrainage
- chronischen und akuten Schmerzen Zusätzlich können Fixierungen, Sturzereignisse oder eine Tracheotomie dokumentiert werden.
Technische Voraussetzungen
Verwendbar innerhalb des Krankenhauskommunikationssystems CGM Medico. Die mobile Lösung Medico-Touch ist ebenfalls mit dem KIS verknüpft.
Bewertung
Die CGM Wund- und Spezialdokumentation zielt auf den klinischen Alltag ab. Sie stellt eine Ergänzung zum Klinischen Dokumentationssystem CGM-Medico dar. Eine Nutzung als reines Wunddokumentationssystem ist nicht vorgesehen. Mobil kann das System nur in der Kombination mit CGM MEDICO TOUCH angewendet werden. Die Anwendenden werden durch den Prozess der Wunddokumentation geführt. Individuelle Anpassungen an den Klinikalltag sind möglich.
Die Stärken des Systems liegen im Bereich der Datensicherheit, der Auswertbarkeit der Daten und der Integration ins KIS.
Hohe Investitionskosten und kaum Schnittstellen zu anderen Systemen, wie z.B. zur XotoCAM, sind nachteilhaft.
Healico-App
Die Healico-App ist ein Assistent fürdie Wunddokumentation. Ein wesentliches Feature ist die Team-Kommunikation. Die App kann im Apple App Store oder im Google Play Store kostenlos heruntergeladen werden.
Technische Voraussetzungen
Die App ist zur Verwendung auf Smartphones und Tablets geeignet. Schnittstellen zu einem KIS stehen derzeit nicht zur Verfügung.
Bewertung
Die Benutzer/-innen werden komplett durch die Wunddokumentation geführt. Nach einer ausführlichen Anamnese kann angelegt werden. Je nach Lokalisation werden verschiedene Wunddiagnosen angeboten. Auch an das Anfertigen eines Wundfotos wird man erinnert. Wundklassifikationen können aktuell nicht verwendet werden. Jederzeit kann die Wunddokumentation unterbrochen und später fortgesetzt werden. Viele Wundprodukte sind bereits in der App gespeichert, daher funktioniert die Erfassung der Wundtherapie sehr zügig. Die Healico- App verwendet eine eher kollegiale Sprachform, die die Nutzer/-innen auf persönlicher Ebene anspricht.
imitoWound-App
Anwendungsbereich
Das digitale Wundmanagement der Firma imito AG ist sowohl in einer Webversion als auch per App nutzbar. Die Wunddokumentation richtet sich nach dem Expertenstandard „Pflege von Menschen mit chronischen Wunden“ [5]. Mit der digitalen Wunddokumentation wird außerdem die Urlaubs- und Krankenvertretung erleichtert, da jeder im Team die Daten von überall einsehen kann. Behandelnde erstellen die gesamte Wunddokumentation entweder direkt am Patientenbett oder aber nehmen nur ein Foto auf und laden dieses später in die App hoch und dokumentieren dann alle weiteren Parameter.
Technische Voraussetzungen
imitoWound für iOs und Android kann auf jedem handelsüblichen Handy oder Tablet kostenlos getestet werden. Ambulante Pflegedienste und interessierte Kliniken können so die Nutzerfreundlichkeit Nutzerfreundlichkeit schnell und unverbindlich prüfen. Schnittstellen zu den verschiedenen KIS sind möglich, ebenso Cloud-Lösungen für ambulante Pflegedienste. Auch eine Webversion ist verfügbar (Abb. 4).
Bewertung
Die Anwendenden werden sicher durch den Prozess der Wunddokumentation geleitet. Die Parameter entsprechen den Anforderungen des Expertenstandards „Pflege von Menschen mit chronischen Wunden“. Das Erfassen der Patientendaten Patientendaten über einen Barcode sowie die automatisierte Wundvermessung mit Hilfe von Markern überzeugen. Die Wundbehandelnden haben stets den Heilungsverlauf im Auge. Neben graphischen Elementen kann jederzeit die Bildergalerie zur Beurteilung herangezogen werden. ImitioWound kann insbesondere fürdie Kommunikation der an der Wundversorgung Beteiligten genutzt werden. Die Daten werden über eine sichere End-zu-End- Verbindung weitergeleitet. Die verwendete Künstliche Intelligenz hält zusätzlich den Verlauf der Wundheilung „im Auge“.
Wundera-App
Anwendungsbereich
Relativ neu auf dem Markt ist die Wunddokumentations- App Wundera. Die Entwickler haben sich als Ziel gesetzt, eine App füreine einfache und schnelle Anwendung zu entwickeln. Dabei werden komplexe Vorgänge anwenderfreundlich erfasst. Als Zielgruppen werden stationäre Pflegeeinrichtungen, mobile Pflegedienste sowie Wundexperten und -expertinnen genannt [6].
Technische Voraussetzungen
Die App wurde mit Praktikern für Praktiker entwickelt und ist für Android im Playstore und für iOS im App-Store verfügbar. Die Wunddokumentation funktioniert auch ohne Internetverbindung und eine Anbindung an gängige Dokumentationssysteme ist möglich. Berichtswesen Aus den erfassten Daten lassen sich Berichte online oder im PDF-Format generieren, so dass alle Informationen auch an Ärzte und Ärztinnen, Team-Mitglieder oder den Kostenträger weitergeleitet werden können. Alternativ können Wunddokumente verschlüsselt digital oder postalisch versendet werden.
Bewertung
Das Highlight dieser App ist die automatische Wundmessung. Auch die intuitive Führung durch die Wunddokumentation, angelehnt an den Expertenstandard „Pflege von Menschen mit chronischen Wunden“ [5], überzeugt. Weiterhin wird auch das Krankheitswissen des Patienten selbst erfasst – das ist bisher einzigartig. Eine App mit viel Potenzial.
XOTOTEC – Kamera und App
Anwendungsbereich
Was zunächst wie eine zu groß geratene Kamera aussieht, ist ein gut durchdachtes Wunddokumentationssystem für alle Bereiche (Abb. 9). Es eignet sich sowohl für den stationären als auch für den ambulanten Bereich. Das System entspricht vollumfänglich den Anforderungen des Medizinproduktegesetzes.
Technische Voraussetzungen
Die Technik der XotoCAM basiert auf einem Tablet. Schnittstellen zu KIS und zu anderen Dokumentationssystemen sind möglich. Das Highlight ist jedoch die Möglichkeit, die Kamera vollständig desinfizierend zu reinigen. Eine Wischdesinfektion mit einem üblichen Flächendesinfektionsmittel ist möglich. Die XotoAPP auf dem PC ermöglicht ein barrierefreies Arbeiten.
Bewertung
Ein gut durchdachtes Dokumentationssystem. Fotografie, Wundvermessung, Dokumentation und Archivierung können mit einem einzigen Tool erfolgen. Besonders hochwertig sind die Bilddokumente. Hier spielt die optimale Ausleuchtung der Wunde über den LED-Ring eine entscheidende Rolle. Jederzeit ist auch die Distanz zum Objekt auf der Kamera ablesbar, so dass es möglich ist, Bilder immer mit dem gleichen Abstand zu erstellen. Eine vollständige Wischdesinfektion ermöglicht Arbeiten unter optimalen Hygienebedingungen. Am Anfang wirkt die Kamera sehr groß und unhandlich. Im Alltag bewirkt die Größe der Kamera eine stabile Ausrichtung. Die sofortige Zuordnung des Fotos zur Wunddokumentation verhindert Verwechslungen.
Zusammenfassung und Fazit
Das digitale Zeitalter der Wunddokumentation ist da! Für jeden Anwendenden stehen verschiedene Möglichkeiten zur Verfügung.
Viele Systeme wurden für die ambulante Wunddokumentation entwickelt. Auch in den Kliniken stehen gute mobile Tools, die ein direktes Dokumentieren am Patientenbett ermöglichen, zur Verfügung. Das digitale Wundfoto gehört heute fest zur Wunddokumentation. Die Fotografie mit dem Smartphone über die Wunddokumentations-Apps und die damit verknüpfte Datensicherheit wird helfen, auf die Wundfotografie mit dem privaten Smartphone zu verzichten. Alle Systeme zielen darauf ab, Informationen strukturiert allen Mitarbeitenden des Therapie-Teams zur Verfügung zu stellen. Auch die Möglichkeit, Kennzahlen für die Abrechnung oder statistische Werte für Studien direkt aus der Wunddokumentation abzuleiten, ist nur digital möglich. Künstliche Intelligenz wird die Anwendenden unterstützen, so dass eine rechtssichere Dokumentation entsteht. Außerdem kann KI Prozesse überwachen und Hinweise, z. B. auf eine Stagnation der Wundheilung, geben. Die Akteure in der Wundversorgung sind aufgerufen, gemeinsam mit den Softwareentwicklern geeignete Tools herzustellen. Es gilt also: Die Wunddokumentation goes digital!
Danksagung
Ein besonderer Dank für die Unterstützung dieses Artikels gilt Frau Stappen (CGM), Frau Zahia und Herrn Sulzberger (imito) und Frau Rheinfart (Healico).
Quellen
- Biagioni RB, CarvalhoBV, Manzioni R, Matielo MF, Brochado Neto FC, Sacilotto R: Smartphone Application for Wound Area Measurement in Clinical Practice. Journal of Vascular Surgery Cases and Innovative Techniques 2021; 7 (2): 258–61.
- Do Khac A, Jourdan C, Fazilleau S, Palayer C, Laffont I, Dupeyron A, Verdun S, Gelis A: MHealth App for Pressure Ulcer Wound Assessment in Patients With Spinal Cord Injury: Clinical Validation Study. JMIR MHealth and UHealth 2021; 9 (2): e26443.
- HEdS (Haute Ecole de Santé): www.hesge.ch/heds/actualites/2022/accompagner- traitement-du-soin-des-plaies-lintelligence- artificielle-0
- WHO 2022: www.who.int/health-topics/ health-workforce
- DNQP 2022: www.dnqp.de/expertenstandards- und-auditinstrumente/#c18466
- Wundera: www.wundera.health
- Healico: www.healico.de
- Xtotechnology: https://xototechnology. com/de
- Klinker K., Wiesche M, Krcmar H: Digital Transformation in Health Care: Augmented Reality for Hands-Free Service Innovation. Inf Syst Front 22, 1419–1431 (2020). https://doi.org/10.1007/s10796- 019-09937-7.
Zitierweise
N. Kolbig. Wunddokumentation.
WUNDmanagement
2022; 16(2): 141–147