IQWiG-Rapid Report zur Wundbehandlung: Experten begrüßen Empfehlungen, fordern aber Präzisierungen

© iStock.com/M-Stock

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IQWIG, Initiative Chronische Wunden e. V., Deutscher Wundrat e. V., BVMed, Zusammenstellung Barbara Springer
 

Das Institut für Qualitätsentwicklung im Gesundheitswesen (IQWiG) hat im Auftrag des G-BA eine wissenschaftliche Analyse zu klinischen Studien im Bereich Wundbehandlung mit Fokus auf die Bewertung von Endpunkten erarbeitet. Hintergrund ist eine Gesetzesänderung von 2023, die für die Hersteller „sonstiger Produkte zur Wundbehandlung (sPzW) “ spezifische Vorgaben zu Studien und patientenrelevanten Endpunkten fordert.

Sonstige Produkte zur Wundbehandlung sind eine von drei 2019 gesetzlich festgelegten Gruppen von Produkten, die zur Wundbehandlung eingesetzt werden. Hierbei unterscheiden sich sPzW gegenüber Verbandmitteln dadurch, dass sie über eine pharmakologische, immunologische oder metabolische Wirkungsweise im menschlichen Körper der Wundheilung dienen (vgl. § 31 Absatz 1a SGB V).

 

Rapid Report „Wissenschaftliche Ausarbeitung zu klinischen Studien im Therapiegebiet Wundbehandlung“

Der vorläufige Rapid Report gibt Empfehlungen zur Studienplanung und -bewertung bei chronischen Wunden. Bis zum 28.01.2025 konnten Stellungnahmen eingereicht werden, bei offenen Fragen folgt am 21.02.2025 eine Erörterung. Danach wird der finale Report erstellt werden.

Der Report umfasst 85 Seiten und wurde unter Beteiligung eines externen Sachverständigen erstellt, der schriftlich Fragen zu den Themenbereichen Krankheitsbild / Krankheitsfolgen, Therapieziele, Patientinnen und Patienten im deutschen Versorgungsalltag, Therapieoptionen, Therapeutischer Bedarf und zum Stand der medizinischen Praxis beantwortete. Weiterhin wurden im Rahmen der Berichterstellung 6 Betroffene konsultiert, die zu ihren Erfahrungen in Bezug auf die Auswirkung der Erkrankung auf ihr Leben und ihren Alltag sowie zu Behandlungen gehört wurden.

Sehr kurz zusammengefasst gibt der Bericht Empfehlungen zur Durchführung von Studien zur Behandlung chronischer Wunden mit Sonstigen Produkten zur Wundbehandlung. Wichtige Aspekte sind demnach die Festlegung von Behandlungsprotokollen, eine angemessene Beobachtungsdauer und die Verblindung aller Beteiligten. Neben dem vollständigen Wundverschluss sind patientenrelevante Endpunkte wie Lebensqualität, Schmerz und soziale Teilhabe entscheidend. Ein partieller Wundverschluss kann unter bestimmten Bedingungen vorteilhaft sein, jedoch nur, wenn er nachweislich patientenrelevante Verbesserungen bringt. Da es bisher keine geeigneten Studien zur Validierung des Endpunkts „partieller Wundverschluss“ gäbe, schlägt der Report die Planung einer entsprechenden Surrogatvalidierungsstudie vor.

Stellungnahmen zum Rapid Report

Wie bereits erwähnt, gab es die Möglichkeit, bis zum 28. Januar 2025 Stellungnahmen zu dem Report einzureichen. Die Stellungnahmen sind detailliert und sehr umfangreich. Daher nachfolgend nur einige Auszüge. Wir werden in der Zeitschrift WUNDmanagement ausführlicher berichten.
Der Vorstand der Initiative Chronische Wunden e. V. (ICW) hat eine Stellungnahme abgegeben, in der er die Bemühungen des Instituts für Qualität und Wirtschaftlichkeit im Gesundheitswesen (IQWiG) und deren Rapid Report als Grundlage für die Festlegung von Studienanforderungen ausdrücklich begrüßt. Der Bericht liefere wertvolle Ansätze, z. B. zur Randomisierung, Stratifizierung und Verblindung. Dennoch bedürfe es weiterer Klärungen, insbesondere in Bezug auf:

  1. Heterogene Wundentitäten: Atypische Wunden werden bislang unzureichend berücksichtigt, obwohl sie die Studienergebnisse stark beeinflussen können.
  2. Phasenspezifische Endpunkte: Neben dem vollständigen Wundverschluss sollten Zwischen- und Sekundärziele wie Geweberegeneration und andere prozessspezifische Effekte besser erfasst werden.
  3. Standardbehandlung als Kontrollgruppe: Es fehlt an klar definierten Mindestanforderungen, die Verfälschungen durch Variabilität minimieren.
  4. Biostatistische Aspekte: Detaillierte Empfehlungen zur statistischen Planung und Auswertung sollten Teil künftiger Rahmenwerke sein.

Die ICW fordert daher eine stärkere Einbeziehung moderner Studiendesigns, Real-World-Evidence und Registerstudien sowie eine holistische Betrachtung der Wundtherapie. Ziel soll sein, ein konsistentes Framework für Studien zu schaffen, das Klarheit für alle Stakeholder bietet und den Patientennutzen priorisiert.

Für den Deutschen Wundrat e. V. (DWR) hat Dr. Christian Münter eine Stellungnahme verfasst. Auch der DWR begrüßt die Motivation und Ziele des Rapid Reports und speziell auch die Möglichkeit von Studien mit realisierbarer Laufzeit und dem Ziel eines partiellen Wundverschlusses. Dabei weist der DWR darauf hin, dass Evidenz durchaus auch durch andere Methoden, z. B. prospektive Register, gewonnen werden kann. Allerdings sind RCT für Zulassungsverfahren am besten geeignet.

Die Verblindung von Patienten, Angehörigen und Studienpersonal dürfte in der Praxis an organisatorischen und finanziellen Hürden scheitern. Dass die Personen, die letztlich die Endpunkterhebung vornehmen verblindet werden, ist jedoch möglich. Eine sechsmonatige Studiendauer mit langer Nachbeobachtungszeit sei sowohl für Sponsoren und Studienzentren als auch für die Patienten kaum realisierbar. Eine dreimonatige Dauer unter den beschriebenen Bedingungen wäre eine gangbare Alternative.

Der Bundesverband Medizintechnologie e. V. (BVMed) begrüßt in seiner Stellungnahme ebenfalls ausdrücklich, dass sich das IQWIG mit dem Report den Anforderungen an die Evidenz von Medizinprodukten im Therapiegebiet Wundbehandlung widmet. Eine wissenschaftliche Vertiefung der Wirkweise, wie auch der Effekte der genannten Produkte ist zwingende Voraussetzung für eine sachgerechte Nutzenbewertung dieser Wundprodukte.
Er weist jedoch grundsätzlich darauf hin, dass vermieden werden sollte, dass es länderspezifische Vorgaben in diesem Fall nur für Deutschland gibt, die nicht den europäischen Vorgaben entsprechen oder damit kompatibel sind. Daher sollten neben nationalen Leitlinien somit auch Europäische Experten-/Konsensuspapiere, z.B. der EPUAP oder der EWMA, sowie die NICE Guidance (UK) zur Wundtherapie im Report berücksichtigt werden.
Auch grundsätzlich merkt der BVMed an, dass er eine spezifischere Betrachtung der Produkte und ihrer Wirkweise als notwendig erachtet, um die adäquaten Rahmenbedingungen (u.a. spezifischer Zweck, Signifikanz, Anwendungsdauer, Verwendung als Teil eines komplexen Behandlungsszenarios) für den Nachweis des Nutzens dieser Produkte definieren zu können. Dies werde im vorliegenden Report nicht ausreichend berücksichtigt; die Kriterien seien teilweise inadäquat und entsprächen nicht der Anwendungsrealität.
Der BVMed bemerkt außerdem, dass die Ausführungen des IQWIG zu abstrakt sind, um eine verbindliche Unterstützung bei der Bewertung des Nutzens der Produkte bieten zu können. Im Umkehrschluss können diese somit auch den Herstellern nicht die notwendige Unterstützung bieten für die Generierung von Evidenz oder für die künftige Durchführung von Studien.

Als ausdrücklich positiv wird der Ansatz der Berücksichtigung der Lebensqualität in Zusammenhang mit einem partiellen Wundverschluss erachtet.

 


Referenzen:
1. Pressemitteilung des IQWIG: https://www.iqwig.de/presse/pressemitteilungen/pressemitteilungen-detailseite_135944.html
2. Stellungnahmen der Initiative Chronische Wunden e. V., des Deutschen Wundrat e. V. und des Bundesverbandes Medizintechnologie e. V.

 

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