„Klar ist: Die Entscheidungen der Regierung Trump gefährden die globale Gesundheit. Großes menschliches Leid, Krankheit und Tod werden die Folge sein.“ Mit dieser Warnung gingen vier deutsche infektiologische Fachgesellschaften in einer gemeinsamen Pressemitteilung Anfang Februar 2025 an die Öffentlichkeit [1]. Sind diese Befürchtungen übertriebener Alarmismus oder berechtigt? Was könnte zum Beispiel passieren, wenn der „globale Süden“ mit Blick auf die Gesundheitsversorgung und vor allem die Infektionsprävention plötzlich auf sich allein gestellt wäre?
Die neue US-Regierung unter Donald Trump schlägt auch in der Gesundheitsversorgung einen neuen Ton an. Gelder für die medizinische Forschung und für Hilfsprogramme werden gestrichen sowie bislang dafür verantwortliche Behörden aufgelöst. Wissenschaftliche Informationen zu Prävention und Impfungen werden zensiert. Keine drei Wochen nach der Amtseinführung des neuen US-Präsidenten schlagen vier deutsche Fachgesellschaften Alarm. Die Deutsche Arbeitsgemeinschaft ambulant tätiger Ärztinnen und Ärzte für Infektionskrankheiten und HIV-Medizin (dagnä), die Deutsche Gesellschaft für Infektiologie (DGI), die Deutsche AIDS-Gesellschaft (DAIG) und die Deutsche Gesellschaft für pädiatrische Infektiologie (DGPI) befürchten dramatische Folgen für die globale Gesundheit – auch in Industrieländern [1]. Sind diese Sorgen berechtigt? Die WUND_letter-Redaktion hat dazu recherchiert – in seriösen Quellen.
Mit dem Klima nach Norden: Wenn Erreger migrieren
Warum ist es nicht „egal“, wenn die Länder des „globalen Südens“ mit Blick auf Infektionserkrankungen sich selbst überlassen werden? Ganz einfach: Weil die dafür verantwortlichen Erreger infolge der Globalisierung und des Klimawandels nicht im Süden bleiben. Das hat eigentlich bereits die SARS-CoV-2-Pandemie gezeigt und gilt umso mehr für andere Erkrankungen. Denn seit Anfang der 2020er-Jahre zeigen Modellrechnungen, wie insbesondere der Klimawandel die Epidemiologie von sogenannten vektorübertragenen Erregern verändert. Damit sind pathogene Organismen gemeint, die zum Beispiel von Insekten verbreitet werden. Dazu zwei Beispiele:
- Durch den Klimawandel können sich die erregerübertragenden Insekten auch in den bislang gemäßigten Klimazonen ansiedeln und die entsprechenden Endemiegebiete nach Norden verlagern. Colón-González et al. haben berechnet, dass bei einer durchschnittlichen Temperaturerwärmung um 3,7 Grad bis 2070 die Anzahl der Menschen mit einem erhöhten Risiko für Malaria oder Dengue-Fieber um circa 4,7 Milliarden zunehmen kann. Betroffen sind insbesondere das Flachland-Regionen und städtische Ballungszentren [2].
- Mora et al. kommen zum Schluss, dass die verschiedenen Auswirkungen des Klimawandels wie Dürren, Überschwemmungen und die Veränderungen des natürlichen Lebensraums dazu führen, dass 58% der 375 heute bekannten Infektionserkrankungen sich verschlimmern werden. Dazu gehören beispielsweise Dengue, Chikungunya, Pest, Borreliose, West-Nil-Virus, Zika, Trypanosomiasis (Schlafkrankheit), Echinokokkose und Malaria [3].
Beispiel Dengue: Fallanstieg in Deutschland – größter Ausbruch in Amerika
Einen Vorgeschmack auf den Realitäts-Gehalt dieser Modellrechnungen bietet das Beispiel Dengue-Virus, das durch Stechmücken vor allem der Spezies Ae. aegypti oder Ae. Albopictus übertragen wird. So meldete das Robert Koch-Institut (RKI) Mitte Mai 2024 einen ungewöhnlichen Fallzahlanstieg in Deutschland mit 737 von Reisenden „importierten“ Dengue-Fieber-Fällen in den ersten 17 Wochen des Jahres 2024 – gegenüber 174 Fälle im Vergleichszeitraum 2023. Als Ursache vermutet das RKI eine vermehrte Ansteckung der Reisenden durch eine Zunahme der Dengue-Virus-Infektionen in den Endemiegebieten – darunter typische Reiseländer wie Thailand, aber auch in Nordamerika [4]. Wie wird es 2025 mit Dengue weitergehen?
Die europäische Gesundheitsbehörde European Centre for Disease Prevention and Control (ECDC) warnt in ihrem jüngsten Surveillance-Bericht, dass der amerikanische Kontinent derzeit vom bislang größten Dengue-Fieber-Ausbruch betroffen ist – übrigens auch die USA [5,6]. Zudem weist die ECDC darauf hin, dass Verbreitung des Dengue- und des Chikungunya-Virus von den übertragenden Stechmücken abhängt. Sie sind inzwischen in einem großen Teil von Europa heimisch und werden in den wärmeren Monaten wieder aktiv [5].
Bekannte und neue Infektionserkrankungen machen weiter Schlagzeilen
Die Nachrichten zu Infektionserkrankungen reißen nicht ab. So griff ein ärztliches Fachmedium in seinem täglichen Newsletter vom 26. Februar 2025 gleich zwei relevante Meldungen auf:
- „Arboviren haben sich in Südosteuropa ausgebreitet“: Zwei Lancet-Publikationen bestätigen, dass Arboviren – zu denen auch die Erreger des Dengue- und des West-Nil-Fiebers gehören – inzwischen von (sub)tropischen Regionen weitergewandert sind und auf dem Balkan fest Fuß gefasst haben [7].
- „Ausbruch unbekannter Krankheit im Kongo mit mehr als 50 Toten“: Noch ist unklar, woran die Menschen in zwei Dörfern in der Demokratischen Republik Kongo verstorben sind. Alle bekannten Infektionserreger wie das Ebola- und das Marburg-Virus konnten bereits ausgeschlossen werden. Die Weltgesundheitsorganisation mahnt: „Es werde dringend Unterstützung benötigt, um die Gesundheitsdienste zu stärken, diagnostische Tests zu beschleunigen, eine weitere Übertragung zu verhindern und die Früherkennung und Berichterstattung zu verbessern“ [8].
Diese Beispiele lassen nur ahnen, was uns ins Haus stehen könnte, wenn Industrieländer den Geldhahn für Gesundheits- und Entwicklungshilfe zudrehen, sodass sich Infektionserkrankungen in Ländern des globalen Südens völlig unkontrolliert verbreiten können. Bakterien, Viren und Protozoen interessieren Dekrete und Einreisebestimmungen herzlich wenig.
One Health-Ansatz als Kontrastprogramm
Das Gegenteil zur aktuellen US-Gesundheits- und Entwicklungspolitik ist der One Health-Ansatz. Hinter „Eine Gesundheit“ oder „One Health“ steht die Idee, dass mit Blick auf die globale Gesundheitssituation alles mit allem zusammenhängt. So stammen beispielsweise 75% aller neu auftretenden Infektionserkrankungen beim Menschen ursprünglich von Tieren (Zoonosen). Plakative Beispiele sind SARS-CoV-2 sowie das Ebola- und das HI-Virus. One Health-Aktivitäten in den Ländern des globalen Südens sollen diese nachteiligen Zusammenhänge durchbrechen. Sie reichen von Hygienemaßnahmen und der Infektionsprävention mit Impfungen über eine verbesserte Gesundheitsversorgung bis hin zu Entwicklungshilfeprojekten in der Landwirtschaft und zum Erhalt der Biodiversität.
Übergeordnetes Ziel ist es, Pandemien frühzeitig dort zu verhindern, wo sie ihren Ausgang nehmen. Davon können am Ende alle profitieren, übrigens auch die USA [9].
Referenzen
1. Pressemitteilung – Regierung Trump gefährdet die globale Gesundheit (06.02.2025). Deutsche Arbeitsgemeinschaft ambulant tätiger Ärztinnen und Ärzte für Infektionskrankheiten und HIV-Medizin (dagnä), Deutsche Gesellschaft für Infektiologie (DGI), Deutsche AIDS-Gesellschaft (DAIG) und Deutsche Gesellschaft für pädiatrische Infektiologie (DGPI), unter: https://dgpi.de/pressemitteilung-regierung-trump-gefaehrdet-die-globale-gesundheit-06-02-2025/ (abgerufen: 03.03.2025)
2. Colón-González FJ, et al. Projecting the risk of mosquito-borne diseases in a warmer and more populated world: a multi-model, multi-scenario intercomparison modelling study. Lancet Planet Health. 2021;5(7):e404-e414. doi:10.1016/S2542-5196(21)00132-7
3. Mora C, et al. Over half of known human pathogenic diseases can be aggravated by climate change. Nat Clim Chang. 2022;12(9):869-875. doi:10.1038/s41558-022-01426-1
4. Lachmann R, Frank C: Starker Anstieg der Denguefieber-Meldefallzahlen in den ersten Monaten 2024. Epid Bull 2024;20/21:3-8. doi: 10.25646/12101
5. European Centre for Disease Prevention and Control (ECDC). Communicable disease threats report, 22 - 28 February 2025, week 9, unter: https://www.ecdc.europa.eu/en/publications-data/communicable-disease-threats-report-22-28-february-2025-week-9 (abgerufen: 03.03.2025)
6. Centers for Disease Control and Prevention (CDC). Current Dengue Outbreak. 20. Februar 2025, unter: https://www.cdc.gov/dengue/outbreaks/2024/index.html (abgerufen: 03.03.2025)
7. Deutsches Ärzteblatt: Arboviren haben sich in Südosteuropa ausgebreitet. 26.02.2025, unter: https://www.aerzteblatt.de/news/arboviren-haben-sich-in-sudosteuropa-ausgebreitet-48aafff0-611b-45cd-ac32-58fe660750a2 (abgerufen: 03.03.2025)
8. Deutsches Ärzteblatt: Ausbruch unbekannter Krankheit im Kongo mit mehr als 50 Toten, 26.02.2025, unter: https://www.aerzteblatt.de/news/ausbruch-unbekannter-krankheit-im-kongo-mit-mehr-als-50-toten-20e7a3a1-e7fb-454a-8c69-26b00b69de21 (abgerufen: 03.03.2025)
9. Bundesministerium für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung: Gemeinsames Engagement gegen Pandemien, unter: https://www.bmz.de/de/themen/corona-pandemie (abgerufen: 03.03.2025)