Skin Tears – Herausforderung für die Versorgung von Menschen mit fragiler Haut

© Jan Hinnerk Timm

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von Jan Hinnerk Timm

Das International Skin Tears Advisory Panel (ISTAP) ist eine Fachexpertengruppe, die sich dem Themenkomplex der sogenannten Skin Tears widmet. Diese als „Einrisse fragiler Haut“ beschriebenen akuten Wunden treten in der täglichen Praxis häufig auf, werden jedoch in ihrer Bedeutung oft unterschätzt. Ein mit internationalen Vortragenden besetztes Online-Seminar des ISTAP fasste am 25. März aktuelle Erkenntnisse zu Skin Tears zusammen und nahm auch die internationale Perspektive in den Blick.  

In diesem Jahr trägt das ISTAP mit gleich zwei zusammenhängenden Seminaren den Themenkomplex offensiv unter dem Motto „The Science and Practice of Skin Tears“ in die Öffentlichkeit. Der erste Teil der Veranstaltung fand am 21. Januar statt. Nun folgte am 25. März der zweite Teil, bei dem sechs internationale Experten den Themenkomplex unter verschiedenen Perspektiven beleuchteten. Die online-Veranstaltung fand in englischer Sprache statt und wurde moderiert von Prof. Dimitri Beeckman (Belgien), dem aktuellen Präsidenten des ISTAP.  

Die ganzheitliche Perspektive

Prof. Karen Ousey (Vereinigtes Königreich) sprach zur Infektionskontrolle bei Skin Tears und die Bewertung dieser Wunden. Sie erläuterte einleitend die Definition: es handelt sich um traumatische Wunden durch mechanische Einwirkungen. Hierzu gehören beispielsweise Schäden durch klebende Verbandmittel, die beim Ablösen entstehen. Diese Einrisse treten primär bei Menschen mit empfindlicher Haut auf. Dies betrifft sehr junge Menschen, deren Haut noch nicht voll entwickelt ist oder ältere Personen, deren Haut nicht mehr so widerstandsfähig ist. Ousey wies darauf hin, dass immer der Patient als Ganzes – hierzu gehört auch seine Umgebung – in den Blick genommen werden sollte, nicht nur der Zustand der Haut und die Wunde selbst.    

Dr. Kimberley LeBlanc (Kanada) berichtete von den Möglichkeiten des Wundrandschutzes. In diesem Zusammenhang wies sie auf die Relevanz der Integrität des Wundrandes hin und erläuterte die darauf einwirken Risikofaktoren und Komplikationen. LeBlanc erläuterte anhand wissenschaftlicher Erkenntnisse den Zusammenhang zwischen dem Zustand des Wundrandes und dem Heilungsprozess. Zudem beeinflussen die Verhältnisse auf der wundumgebenden Haut die Lebensqualität der Betroffenen. Hierbei sei nach LeBlancs Ansicht ein besonderes Augenmerk auf auftretende Feuchtigkeit zu legen. Dem Exsudatmanagement käme demnach bei der Behandlung und Prävention von Skin Tears eine besondere Bedeutung zu.  

Von der Theorie in die Praxis

Steven Smet (Belgien) legte in seinem Vortrag den Fokus auf die Möglichkeiten und Grenzen des Wissenstransfers von der Forschung im Themenfeld Skin Tears in die alltägliche Praxis. Er erläuterte in diesem Zusammenhang den Skin Tear Algorithmus und dessen Umsetzung im alltäglichen Versorgungsprozess. Hierbei liegt eine besondere Herausforderung bei der Versorgung von Patienten im fortgeschrittenen Lebensalter. Insofern handelt es sich bei Skin Tears um eine Problematik, die im Zuge der Überalterung der westlichen Gesellschaften zukünftig dringlicher werden wird. Hier setzt der Skin Tear Algorithmus als Praxistool an. Anhand einiger anschaulicher Fallbeispiele aus seiner Arbeit im Universitätsklinikum in Gent verdeutlichte Smet den Einsatz dieses praktischen Tools. 

 

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Kerstin Protz (Deutschland) ergänzte diese praxisnahen Ausführungen um die deutsche Perspektive. In Praxisalltag werden Skin Tears oft unterschätzt, so Protz. Gängig seien Bezeichnungen wir Ablederung, Abschürfung oder „nur ein kleiner Ratscher“ und die unzutreffende Diagnose Dekubitus Kategorie II. Dabei seien fast 10 % aller über 65 Jahre alten Patienten von Skin Tears betroffen. Diese Menschen haben oft einen großen Bedarf an Beratung, insbesondere zu Hautreinigung und -pflege. Oft kaufen sie sich Produkte, die nicht dem Bedarf ihrer anfälligen Haut gerecht werden. Hier sieht Protz einen Ansatz für edukative Maßnahmen von Seiten der Pflegekräfte, die mit der Versorgung von Menschen mit erhöhtem Skin Tear-Risiko betraut sind.       


Anika Fourie (Belgien) berichtete von den besonderen Risiken, die für Patienten in dauerhaft liegender Position bestehen. Sie stellte die besonderen Körperregionen vor, an denen Hautschäden auftreten. Dies betrifft in erster Linie die Auflageflächen des Körpers, aber auch Regionen, wo die Haut besonders dünn oder Feuchtigkeit ausgesetzt ist. Hinzu kommen Bereiche, die über längere Zeit mit harten Gegenständen versorgt werden, beispielsweise Sondenkabeln. Ein erhebliches Risiko besteht zudem durch haftende Versorgungen oder Fixierpflaster. Insbesondere im Verlauf der COVID-Pandemie wären verstärkt Gefährdungen für Patienten aufgetreten, so Fourie, da in dieser Zeit deutlich mehr Menschen in Intensivbehandlung und über Geräte versorgt wurden als üblich. Abschließend stellte Fourie ein praktisches Tool zur Risikoeinschätzung bei liegenden Patienten vor, das die drei Aspekte Positionierung, Hautinspektion und Kontrolle der Risikobereiche kombiniert.    


Die Veranstaltung wurde ergänzt durch eine Fragerunde, in der die Vortragenden auf Anmerkungen aus dem online-Auditorium eingingen. An diesem zweiten Teil der Webinar-Reihe „The Science and Practice of Skin Tears“ nahmen mehr als 230 Besucher online teil.

Mehr dazu:

  • Beide Seminare können Sie hier ansehen (Anmeldung erforderlich): Jetzt reinschauen.


  • Tools, wie den Skin Tear Entscheidungsalgorithmus, einen Behandlungsleitfaden oder Handweisungen zur Risikoanlayse, sowie Infomaterialien des ISTAP können Sie hier anschauen und herunterladen (in Englisch)

  • Veranstaltungsankündigung: Skin Tears sind auch das Thema des nächsten Webinars des WundD.A.CH am 13.4.2022. Was Sie erwartet? Hier reinschauen oder gleich anmelden.

 

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