In meinem Newsletter vom 3. Februar hatte ich noch geschrieben „Wir alle dürfen erleichtert aufatmen, dass es jetzt weiter geht …“
Denn das Bundesgesundheitsministerium hat die Erstattungsfähigkeit sonstiger Produkte zur Wundbehandlung bis Anfang Dezember 2025 verlängert. Ich hatte dabei bereits aber auch angemerkt: „Auf der einen Seite müssen wir unserem Gesundheitsminister, Herrn Lauterbach, dafür danken, dass es eine Fristverlängerung gibt. Auf der anderen Seite glaube ich, dass im Alltag noch mancher Kampf gefochten werden muss, bis betroffen Patienten, anwendende Pflegefachkräfte, verordnende Ärzte und herstellende Industrie zu ihren Rechten kommen.“
Wie man hört, ist es an einigen Stellen genauso gekommen ...
Ein Beispiel: Die AOK Nordost schreibt mit Datum vom 18.02.2025 an eine Berliner Wundpraxis folgendes:
„Wie bereits Anfang Dezember 2024 informiert, lief die Übergangsfrist für die Verordnungsfähigkeit sonstiger Produkte zur Wundbehandlung am 02. Dezember 2024 aus. Betroffen waren u. a. Hydrogele sowie Produkte mit pharmakologischer Wirkung (2. B. silber- und polyhexanidhaltige Wundauflagen).
Die Verordnungsfähigkeit ist nun bis zum 02. Dezember 2025 verlängert worden. Eine vom G-BA bestätigte Evidenz für die Wirksamkeit solcher Produkte liegt weiterhin nicht vor.
Nach wie vor gilt für antimikrobielle Wundauflagen: Zweckmäßig und wirtschaftlich ist die kurzzeitige Anwendung nur bei vorliegender lndikation (infektionsgefährdete oder infizierte Wunden). Die prophylaktische und/oder dauerhafte Anwendung ist unwirtschaftlich.
Nutzen Sie die Zeit bis zum 02. Dezember 2025, um lhre Erfahrungen in der Versorgung infizierter Wunden auch ohne den Einsatz von pharmakologisch wirkenden Produkten weiter
auszubauen. Empfehlungen hierzu finden Sie in der S3-Leillinie ,,Lokaltherapie schwerheilender oder chronischer Wunden" sowie im Experteninterview mit einem der Leitlinienautoren, Herrn Dr. Stefan
Die Aufforderung „Nutzen Sie die Zeit, um ihre Erfahrung in der Versorgung infizierter Wunden auch ohne den Einsatz von pharmakologisch wirksamen Produkten weiter auszubauen“ unterstellt, dass die verordnenden Ärzte und Ärztinnen sich bisher nicht mit diesem Thema auseinandergesetzt haben. Aktuell habe ich das angegebene Experteninterview mit Herrn Dr. Fuchs auf der Seite der AOK nicht finden können.
So, aber es geht ja weiter. Die kassenärztliche Vereinigung Berlin gab mit Datum vom 26.02.2025 ein Informationsblatt zu Verordnung heraus:
Verordnungs-News Nr. 2, 26.02.2025
Übergangsregelung für Verordnungsfähigkeit von Produkten zur Wundbehandlung – Aktuelle Situation
Am 29. November 2024 wurde ein Schreiben des Bundesministeriums für Gesundheit (BMG) zur Verordnungsfähigkeit von sonstigen Produkten zur Wundbehandlung veröffentlicht. Darin appelliert das BMG an den GKV-Spitzenverband (GKV-SV), die Kassenärztliche Bundesvereinigung (KBV) und die Bundesvereinigung Deutscher Apothekerverbände (ABDA), die bisherige Übergangsregelung zur Verordnungsfähigkeit von sonstigen Produkten zur Wundversorgung bis zum 2. März 2025 zu verlängern.
Mittlerweile liegen von verschiedenen Krankenkassen die Zustimmungen zur Verlängerung der Verordnungsfähigkeit vor. Einer Weiterverordnungsmöglichkeit bis zum 2. März 2025 im Sinne der Empfehlung des BMG haben zugestimmt:
– Ersatzkassen des vdek: TK, Barmer, DAK, KKH, hkk, HEK
– Innungskassen: BIG direkt gesund, IKK classic, IKK Südwest
– SVLFG
– Knappschaft.
Bei den folgenden Krankenkassen wurde eine Verlängerung der Übergangsfrist ausgeschlossen:
– AOK Nordost
– IKK gesund plus
– IKK Brandenburg und Berlin.
Für die Anforderung von sonstigen Produkten zur modernen Wundversorgung im Sprechstundenbedarf (SSB) in Berlin wurde nicht von allen beteiligten Krankenkassen das Einverständnis zur Verlängerung der Übergangsregelung gegeben. Ein Bezug über den SSB ist damit momentan ausgeschlossen.
Bedeutung im Praxisalltag
Da aktuell keine Verlängerung der Übergangsregelung vorliegt (bis auf die oben genannten Krankenkassen), wird seit dem 2. Dezember 2024 von der Verordnung von sonstigen Produkten zur Wundbehandlung abgeraten. Dies betrifft unter anderem auch silberhaltige Wundauflagen, die direkten Kontakt mit der Wunde haben und antimikrobiell wirkende Stoffe in die Wunde abgeben.
Ein Ausweichen auf Alternativpräparate bei antimikrobiellen Wundauflagen/ Gelen ist schwierig, da apothekenpflichtige topische Antiseptika (z.B. Lösungen mit Polyhexanid oder Octenidin) nach Anlage I der Arzneimittel-Richtlinie für Erwachsene nur zur Selbstbehandlung schwerwiegender generalisierter blasenbildender Hauterkrankungen (z. B. Epidermolysis bullosa, hereditaria; Pemphigus) zu Kassenlasten verordnungsfähig sind.
Bitte beachten Sie: Bei weiteren Verordnungen über den 2. Dezember 2024 hinaus besteht ein Regressrisiko, da der GKV-Spitzenverband dem Appell zur Weiterverordnung des Bundesministeriums für Gesundheit nicht folgt. Daher wird von der Verordnung von sonstigen Produkten zur Wundbehandlung momentan weiterhin abgeraten. Wir empfehlen die Verordnung auf Privatrezept und die Einreichung durch die Patient:innen bei der gesetzlichen Krankenkasse. Eine Verordnung auf Muster-16- Formular für Versicherte der Ersatzkassen (TK, Barmer, DAK, KKH, hkk, HEK), Innungskassen (BIG direkt gesund, IKK classic, IKK Südwest), SVLFG und Knappschaft ist bis zum 2. März 2025 möglich.
Die KV Berlin ist an die übrigen Kassenverbände herangetreten, um eine eigene regionale Übergangsfrist zu vereinbaren.
Was bedeutet das nun?
Mit Datum vom 26.02.2025, also gut drei Monate nach der Verkündung durch das Bundesministerium für Gesundheit, besteht Uneinigkeit bei den Kassen darüber, ob sie den Vorgaben des Bundesministeriums für Gesundheit folgen oder nicht. Dies mündet darin, dass den niedergelassenen verordnenden Kollegen das drohende Regressrisiko vor Augen gehalten wird.
Gleichzeitig wird darauf hingewiesen, dass ein Ausweichen auf Alternativpräparate bei antimikrobiellen Wundauflagen/ Gelen schwierig ist, da apothekenpflichtige topische Antiseptika nach Anlage I der Arzneimittel-Richtlinie für Erwachsene nur zur Selbstbehandlung schwerwiegender generalisierter blasenbildender Hauterkrankungen zu Kassenlasten verordnungsfähig sind. Eine Lösung für das vorhandene Problem wird den betroffenen Ärztinnen und Ärzten damit nicht angeboten.
Wie ging es weiter?
Die Kassenärztlich Vereinigung Berlin hat dann mit Datum vom 05.03.2025 ein weiteres Informationsblatt erstellt:
Übergangsregelung für Verordnungsfähigkeit von Produkten zur Wundbehandlung verlängert
Verordnung
Der Text gibt den Sachstand zum Zeitpunkt der Veröffentlichung wieder. Über ggf. weitere Neuigkeiten zum Thema wird an anderer Stelle informiert. Sonstige Produkte zur Wundbehandlung können weiterhin für alle Patient:innen aller Krankenkassen und als Sprechstundenbedarf verordnet werden.
Hintergrund
Die nun beschlossene Verlängerung gilt rückwirkend zum 2. Dezember 2024. Daher sind evtl. Regresse bezüglich der Verordnungen von sonstigen Produkten zur Wundbehandlung, die zwischen dem 2. Dezember 2024 und 1. März 2025 ausgestellt wurden, ausgeschlossen.
Die Gesetzesänderung trat rückwirkend – mit Wirkung vom 2. Dezember 2024 – in Kraft.
Es wurde also erst am 05.03.2025 von der Kassenärztlich Vereinigung Berlin festgehalten, dass eventuelle Regress, die seit dem 2. Dezember 2024 angedroht sind oder noch anfallen werden, rückwirkend nicht gerechtfertigt sind.
Was auf dem Papier vielleicht einfach klingt, hat im Alltag zu Verstimmungen zwischen ärztlichen Wundzentren und Fach- oder Hausärzten geführt. Behandlungsempfehlungen der ärztlichen Wundzentren wurden von den weiterverordnenden Fach- oder Hausärzten aus Angst vor mangelnde Erstattungsfähigkeit und Regressen nicht weitergeführt.
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