Werbung in der Wundversorgung im Spiegel der Zeiten

© iStock.com/Mykyta Dolmatov

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Kommentar von Martin Motzkus

Sind Sie sind gut im neuen Jahr angekommen und hatten Zeit, sich mal wieder mit Themen zu befassen, die sonst etwas zu kurz kommen?
Manchmal ist ja der Jahreswechsel eine Zeit der inneren Einkehr und man macht Pläne für das neue Jahr. Die Werbung verspricht dann neue Diäten, das ultimative Fitnessprogramm und natürlich Methoden, das Leben besser zu organisieren und zu strukturieren.

 

Stichwort Werbung: Haben Sie sich nicht auch schon einmal gefragt, wieviel Wahrheitsgehalt an manchen Werbeaussagen ist? Firmen werben für Produkte und Dienstleistungen, Arbeitnehmer bewerben sich und ihre Eigenschaften beim zukünftigen Arbeitgeber, und Politiker werben für Ihre Programme. Kennen Sie noch den vielzitierten Satz von Norbert Blüm: „Die Rente ist sicher …“? Sicherlich kennen Sie auch zartschmelzende Schokolade, Limonade, die Flügel verleiht oder Milch von glücklichen Kühen?


Auch in der „Wundszene“ werden Produkte beworben. Ihr Nutzen soll sich dem interessierten Wundbehandler rasch erschließen und natürlich möchte sich jeder Werbende von seinen Mitbewerbern absetzen, da hier oftmals ein klassischer Verdrängungswettbewerb stattfindet.

Vielleicht ist es Ihnen auch schon aufgefallen, dass einige Hochglanzbroschüren mit Werbeversprechen arbeiten, die das Produkt attraktiv und sinnvoll erscheinen lassen, aber gelegentlich fachlich nicht ausreichend in die Tiefe gehen. Neben der Frage, ob denn die versprochene Wirkung tatsächlich zu erwarten ist, sucht man oftmals vergeblich nach Hinweisen auf ausreichende Evidenz.

Letztlich ist Werbung immer manipulativ, weil sie versucht, unser (Kauf-) Verhalten zu beeinflussen. Diese Manipulation geschieht, ohne dass wir uns dessen bewusst sind. Laut Hans-Georg Häusel, Psychologe, führen wir sogar 80 Prozent unserer Handlungen unbewusst aus.  Das bedeutet, dass Manipulationen durch Werbung unbewusst unser Nutzerverhalten steuern. Laut Häusel steuern dabei Emotionen unsere Einschätzung, ob das Produkt etwas wert ist, also für uns wertvoll und damit erstrebenswert erscheint, oder nicht. Mehr zu diesem Thema unter: Wie weit geht Manipulation mit Werbung? Faktencheck - SWR3

Wir werden immer manipuliert. Der Grund ist, dass wir in unserem Bewusstsein eigentlich nicht mitbekommen, was unser Gehirn alles verarbeitet.


Hans-Georg Häusel, Psychologe



Damit verbunden ist auch immer die Frage, an wen sich die Werbebotschaft richtet. Je nach Adressaten wird von unterschiedlichem Kenntnisstand ausgegangen, die Art und Weise der Ansprache regelt mitunter auch, wessen Interesse geweckt wird.

Tatsächlich haben die Adressaten sich im Laufe der Jahre verändert. Weil Wundversorgung überwiegend durch beruflich Pflegende durchgeführt wird und die Auswahl, beziehungsweise die Verordnung von Produkten häufig nach deren Beratung geschieht, ist seit vielen Jahren ein deutlicher Trend zu bemerken. Werbung ist sehr viel weniger akademisch und Studien spielen eine untergeordnete Rolle. In den Vordergrund treten häufiger provokante, teilweise lustige aber auch kontroverse Slogans und sogenannte Claims, also Strategien, um die Werbebotschaft nachhaltig und prägnant, vor allem aber mit hohem Widererkennungswert zu transportieren. Sprüche wie ich „Ich liebe es“, „Ich bin doch nicht blöd“ oder „Eine Perle der Natur“ sind erfolgreiche Werbeversprechen aus der Konsumbranche, die mittlerweile Jedem geläufig sind.

Es stellt sich bisweilen die Frage, ob eine mitunter polemische Ansprache, markige Sprüche und Superlativen in den Überschriften geeignet sind, um den interessierten Anwendergruppen eine zielgerichtete und fachlich angemessene Bewertungsgrundlage liefern. Nicht selten entsteht stattdessen der Eindruck, dass Emotionalisieren von Pflegesettings, sprachliches Downsizing in den Werbebotschaften und umgangssprachliches Kauderwelsch eher für den Verkauf von Energydrinks, Fitnesstudio-Verträgen oder Produkten von Fastfoodketten geeignet sind.

Der eine oder die andere, die sich mit diesen Botschaften konfrontiert sieht, könnte gar zu der Ansicht gelangen, dass für die Versorgung chronischer Wunden gar keine besondere fachliche Expertise erforderlich sei, lediglich die Verwendung explizit genannter Produkte führe zum gewünschten Ziel.
Das dem nicht so ist, wissen Sie vermutlich selbst, liebe Leserinnen und Leser, dennoch hoffe ich, es geht Ihnen genauso, wenn manchmal dieses komische Gefühl bleibt, nachdem man eine Werbebroschüre in die Hand genommen oder eine Social-Media-Kampagne gesehen hat, die nicht ganz den fachlich gebotenen, guten Ton trifft.

Natürlich sind vor dem Hintergrund einer unübersichtlichen Anzahl von Produkten zur Wundversorgung Marketingmaßnahmen notwendig, um sich aus dem Einerlei der Produkte herauszuheben und die Aufmerksamkeit zu bekommen, die für den erfolgreichen Verkauf erforderlich ist. Dennoch stellt sich häufig die Frage, ob denn „lila Kühe“ wirklich erforderlich sind oder ob stattdessen eine ehrliche und fachlich adäquate Ansprache der Zielgruppen langfristig nicht den größeren Erfolg bringt.
Ich glaube, dass dieser Aspekt gerade auch vor dem Hintergrund der aktuellen Diskussion um die Verordnungs- und Erstattungsfähigkeit wirkstoffhaltiger Wundauflagen, die ja erst durch Werbeversprechen mit zum Teil fehlender Evidenz entstanden ist, neu zu bewerten ist.

 

 

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