
© Referenten des RESTART-Kongresses (v.li.): Prof. H.-J. Papier, Prof. H.-W. Sinn, Linvinguard CEO Sanjeev Swamy, Prof. K. Schlögl-Flierl, Prof G. Hücker, Prof. M. Exner, Dr. E. von Hirschhausen
Mit neuen Technologien und neuen Ideen in eine neue Normalität
Aus einer Pressemitteilung der Livinguard AG
Auf dem Kongress „RESTART – von der Krise zur Chance“, veranstaltet vom Schweizer Hygienetechnologie-Unternehmen Livinguard, wagten hochkarätige Referenten einen Blick in die Zukunft nach Corona. Welche Auswirkungen wird die Pandemie auf unser Zusammenleben und die Gesellschaft haben? Wie stark ist die Wirtschaft betroffen, welche Rolle spielt Nachhaltigkeit, welche Lehren muss die Politik ziehen und wie kann Technologie einen Weg zum Leben mit dem Corona-Virus ermöglichen? Dies waren nur einige der vielfältigen Aspekte, die im Laufe der beiden Tage zur Sprache kamen.
Referenten des Kongresses, der am 15. und 16. September in Berlin stattfand, waren u.a. der Virologe Prof. Dr. Hendrik Streeck, der Hygieniker Prof. Dr. Martin Exner, der Ethikerin Prof. Dr. Kerstin Schlögl-Flierl, der Ökonomen Prof. Dr. Dr. h.c. mult. Hans-Werner Sinn und der Jurist Prof. Dr. Dres. h.c. Hans-Jürgen Papier. So war sichergestellt, dass die Vorträge zahlreiche, auch konträre Perspektiven spiegelten. Die Moderation übernahm der Arzt und Wissenschaftsjournalist Dr. Eckart von Hirschhausen. Organisator des Kongresses war das Schweizer Hygiene-Technologie-Unternehmen Livinguard, das im Rahmen der Veranstaltung erstmalig seine neue biozidfreie selbstdesinfizierende Technologieplattform vorstellte.
Impfdurchbrüche sind wahrscheinlich
Im ersten Vortrag analysierte Prof. Dr. Hendrik Streeck (Direktor des Instituts für Virologie am Universitätsklinikum Bonn) die aktuelle pandemische Lage und gab einen Ausblick auf mögliche Entwicklungen aus Perspektive der Wissenschaft. Seine Kernthesen: Auch in diesem Herbst und Winter werden wir mit steigenden Fallzahlen rechnen müssen, auch gelegentlich unter Geimpften. Da diese aber mit sehr hoher Wahrscheinlichkeit dank Impfung nur asymptomatische und milde Verläufe erleben werden, ist die Inzidenz als alleiniges Kriterium nicht mehr aussagekräftig. Es gilt nun vielmehr, den Blick auf andere Aspekte, etwa die Belegung von Krankenhäusern, zu legen und diese belastungsfest zu definieren.
Entscheidend sind außerdem weitere Anstrengungen zur Erhöhung der Impfquote, zu Präventionsmaßnahmen in sozial schwachen Milieus und zum Schutz von Risikogruppen, sowie Konzepte für sichere Innenräume, denn: „Wir werden dauerhaft mit dem Virus leben und gleichzeitig Wege finden müssen, uns und andere effektiv zu schützen – und das auf globaler Ebene.“
Hygiene und Masken als zentrale Hygienemaßnahmen
Prof. Dr. Martin Exner (Präsident der Deutschen Gesellschaft für Krankenhaushygiene) ging im Folgevortrag auf den Stellenwert von Hygienestrategien bei der Prävention und Kontrolle von Pandemien ein und zeigte auf, welche Auswirkungen diese für die öffentliche Gesundheit in einem gesamtgesellschaftlichen Kontext haben. „Zur Verhütung und Kontrolle von COVID-19 haben sich eine Vielzahl von sich gegenseitig ergänzenden Hygienemaßnahmen einschließlich der Impfung bewährt“, so Exner. „Besondere Bedeutung haben hierbei Abstand und Masken. Mit diesen Maßnahmen wird es mittelfristig gelingen, die Krankheitslasten durch COVID-19 deutlich abzumildern. Hygienestrategien werden aber immer eine bedeutsame Rolle spielen.“
Exner erwähnte auch die „Denkschrift zur Bedrohung durch Infektionskrankheiten“, die schon 1996 an damaligen Bundesgesundheitsminister Seehofer überreicht wurde. Trotz dieser intensiven Auseinandersetzung mit dem Thema sei eine Pandemie des momentanen Ausmaßes nicht vorstellbar gewesen. Diese neue Realität müsse akzeptiert werden, und auch, dass so etwas wieder passieren könne. Umso wichtiger sei die Vorbereitung und konsequente Umsetzung von Präventionsmaßnahmen, orientiert an den neuen Erkenntnissen, um zukünftig besser reagieren zu können.
Exner erklärte weiter, dass eine vollständige Ausrottung von Coronaviren nicht möglich sei, weil die Voraussetzungen deutlich anders seien als beispielsweise bei den Pocken: für Coronaviren existiert z.B. ein Tierreservoir, und eine Infektion ist nicht äußerlich erkennbar. Wir müssen also lernen, mit dem Virus zu leben und Anreize für die Impfung schaffen. Die Hospitalisierungsrate und Zahl der Intensivbetten müssten ebenfalls berücksichtigt werden, um eine Überlastung des Gesundheitswesens zu vermeiden. Die Dynamik der Pandemie ist kontinuierlich zu verfolgen und ggf. sollten Booster-Impfungen durchgeführt werden. Bis diese Faktoren unter Kontrolle sind, muss man eine gewisse „Grundspannung“ aufrechterhalten, so Exner.
Die Corona-Pandemie ist ein großer Lehrmeister – was können wir mitnehmen?
Dieser Frage widmete sich Prof. Dr. Kerstin Schlögl-Flierl (Lehrstuhlinhaberin Moraltheologie an der Universität Augsburg und Mitglied des Deutschen Ethikrates). Ihr Vortrag gruppierte sich um die drei Kernelemente „Vulnerabilität“ – „Solidarität“ – „Gerechtigkeit“. Alle drei auf den ersten Blick scheinbar eindeutigen Begriffe haben im Verlauf der Pandemie Charakter und Bedeutung verändert, was sich nicht nur in den politischen und öffentlichen Diskussionen rund um die Veröffentlichungen des Ethikrates widerspiegelt. Unser Wertefundament muss daher überdacht – was bedeutet beispielsweise Solidarität und wie können wir sie in der Gesellschaft stärken? – und für zukünftige Pandemien tragfähig gemacht werden. Auch Vulnerabilitäten müssten betrachtet werden, damit sich bei ähnlichen Ereignissen in der Zukunft nicht blinde Flecken herausbilden. Als Beispiel nannte sie Kinder, die während der Phasen der Schulschließungen zu Hause wenig erzieherische oder technische Unterstützung bekommen konnten. Insgesamt, so ihr Fazit, hat die Pandemie uns alle auf persönlicher, organisatorischer, administrativer und struktureller Ebene an Grenzen geführt. Es hat sich aber auch gezeigt, dass sehr vieles machbar ist. Als Umweltethikerin bezeichnete sie es als wünschenswert, dass mit der gleichen Kraft auch der Klimawandel angegangen würde und so entscheidende Veränderungen möglich wären.
In seinem Vortrag mit dem Titel „Die europäische Wirtschaft am Ausgang der Corona-Krise“ erörterte Prof. Dr. Dr. h.c. mult. Hans-Werner Sinn (Präsident des ifo Institut a.D.) die Schwierigkeiten, die sich aus der Corona-Pandemie für die globale Wirtschaft ergeben. Zwar habe die Wirtschaft insgesamt die Wachstumsdelle durch Corona bereits weggesteckt – „Corona ist für die Wirtschaft bereits vorbei“, so seine These. Zugleich aber warnte er eindringlich vor den Konsequenzen des bereits vor Jahren begonnenen Weges der Vergemeinschaftung von Schulden durch den Ankauf von Staatsanleihen der Europäischen Zentralbank und den darin inhärenten Gefahren. „Die Schulden sind aus dem Ruder gelaufen, zugleich ist die Inflationsbremse der EZB mutwillig lädiert worden. Ich persönlich rechne mit dem Einstieg in ein inflationäres Jahrzehnt.“ Sinn verwies auf einen Bericht des wissenschaftlichen Dienstes des Bundestages von 2012 nach der damaligen SARS-Epidemie. Leider seien daraus keinerlei Konsequenzen gezogen worden. Es wäre auf Basis des Berichts und im Rahmen des herrschenden Rechts eine viel bessere Vorsorge für die heutige Pandemie möglich gewesen, sagte Sinn.
Herausforderungen an die Demokratie
Prof. Dr. Dres. h.c. Hans-Jürgen Papier (em. Lehrstuhlinhaber für Öffentliches Recht an der LMU München und Präsident des Bundesverfassungsgerichts a.D.), thematisierte im Vortrag „Demokratie und Rechtsstaat unter Druck“ die Ausmaße der Herausforderungen, mit der sich die rechtsstaatliche Demokratie in Zeiten der Pandemie konfrontiert sieht.
Nach einem Streifzug durch den Grundrechtskatalog ging er näher auf deren Anwendbarkeit, deren Wirkungsmöglichkeiten und auch deren Grenzen ein. Zudem wies er nachdrücklich darauf hin, dass Grundrechte nicht nur staatliches Handeln beschränken, sondern auch Schutzpflichten des Staates gegenüber Einzelnen oder Gruppen begründen. Klar wurde außerdem, dass die Interpretation und Anwendung von Grundrechten und auch deren Anwendbarkeit einer ständigen Weiterentwicklung unterliegen, wie es die jüngst ergangene Entscheidung zum Klimaschutz für künftige Generationen zeigt.
Zu guter Letzt mahnte er eindrücklich, eine Rechtsgrundlage für künftige Krisensituationen zu schaffen, die den demokratischen Souverän, das Parlament, einbezieht. „Wir haben eine Notstandslage auf Verfassungsrang nur für den Verteidigungsfall – diese Lücke hat die Corona-Pandemie und das Handeln der Exekutive deutlich zu Tage gefördert.“ Z.B. wäre die Einführung eines Notparlaments denkbar, das im Falle einer ähnlichen Notlage als parlamentarisches Entscheidungsgremium vorgesehen wäre. Grundrechtseinschränkungen sollten weniger defizitär erfolgen – z.B. ist bei den Maßnahmen das international garantierte Recht von Kindern und Jugendlichen auf schulische Bildung nicht ausreichend einbezogen worden. Massive Freiheitsbeschränkungen für jedermann sind auch nicht längerfristig möglich und auf Dauer kein geeignetes Instrument, nicht zuletzt aufgrund der erheblichen Kollateralschäden.
Corona und Klima: ein Zusammenhang?
Im anschließenden Kurzvortrag „Gesundes Wissen vermitteln“ schlug Dr. Eckart von Hirschhausen (Arzt, Wissenschaftsjournalist und Gründer der Stiftung „Gesunde Erde – Gesunde Menschen“) den Bogen von der Corona- zur Klimakrise. Wie wichtig es ist, globale Krisen mit globalen Anstrengungen anzugehen und dann auch zu lösen, macht die Corona-Pandemie offensichtlich und ebenso, wie sehr die verschiedenen Regionen der Welt miteinander in Verbindung stehen und voneinander abhängen.
Dieser Gedanke wurde in der anschließenden Podiumsdiskussion intensiv und unter reger Beteiligung von Wortmeldungen aus dem Podium noch weiter vertieft. Bemerkenswert war außerdem, dass sich bei aller unterschiedlicher Fachrichtung und Expertise Parallelen in den Forderungen der Referenten herausstellten, etwa die Notwendigkeit der Bildung eines parlamentarisch geprägten Pandemie-Gremiums oder der Bedeutung und Notwendigkeit für mehr Nachhaltigkeit.
Der zweite Veranstaltungstag, moderiert von Prof. Dr. Gerhard Hücker (Wissenschaftlicher Experte für technische Hygiene), fokussierte auf die Frage, welchen Beitrag hygienetechnische Innovationen zur Bewältigung von Pandemien leisten können. In diesem Rahmen stellte Sanjeev Swamy (CEO und Gründer von Livinguard), gemeinsam mit Dr. Mahsa Zabara (Senior Vice President Technology bei Livinguard) die neue biozidfreie selbstdesinfizierende Technologieplattform des Unternehmens vor. Die Methode arbeitet auf Basis der bereits bestehenden, patentgeschützten Wirkprinzipien und zerstört auf entsprechend behandelten Materialien auf physikalischem Weg nachweislich zu 99,9 Prozent Bakterien, Viren und andere Krankheitserreger. Die neue Technologie verzichtet gänzlich auf den Einsatz von Bioziden, kann auf vielen verschiedenen Materialien (darunter Textilien, Kunststoffen und Papier) angewendet werden und ist dauerhaft selbstdesinfizierend. Die zugrundeliegende Technologie erläuterte Prof. Dr. Stefan Salentinig (Universität Freiburg, Schweiz) anhand wissenschaftlicher Daten.
Weitere Vorträge befassten sich mit Sicherheitsaspekten, Tests zur Reduktion der mikrobiellen Keimzahl durch die neue Technologie und mit deren vielfältigen Anwendungsmöglichkeiten.