Das 1 x 1 der Kompressionstherapie: Grundlagen, Techniken und Materialien

© Jan Hinnerk Timm | Kompressionsbandagierungen immer unterpolstern.

© Jan Hinnerk Timm | Kompressionsbandagierungen immer unterpolstern.

Jan Hinnerk Timm
 
Kompressionstherapie beschleunigt den venösen Blutrückfluss, verringert Ödeme, erhöht den Abtransport von Abfallstoffen und bildet somit die Grundlage für die Abheilung venöser Ulzera. Sie gilt daher als wichtigste Säule der konservativen Therapie des Ulcus cruris venosum. Es gibt eine Vielzahl an Materialien und Methoden, eine Entstauung des Beins zu erreichen. Doch bestimmte Aspekte sind bei jeder Kompressionstherapie zu beachten. 

 

Wenn sich die Venen infolge einer Venenschwäche erweitern, verlieren die Venenklappen, die das Abfließen des Blutes ausschließlich in Herzrichtung gewährleisten, ihre Ventilfunktion. Die Fließrichtung kehrt sich um, das Blut gelangt von den oberflächlichen in die tieferen Venen, wo es versackt und eine venöse Stauung auslöst. In der Folge bilden sich Ödeme, die Versorgung der Haut mindert sich und das trophisch beeinträchtigte Gewebe wird anfälliger für Verletzungen – der Beginn eines Ulcus cruris venosum, eine chronische Wunde, die im Volksmund als „offenes Bein“ bekannt ist.

Kompression funktioniert nur bei Bewegung!

Die sachgerechte Kompressionstherapie verringert den Durchmesser der krankhaft geweiteten Venen, so dass die Venenklappen wieder schließen können. Unter Aktivierung der Venenpumpen in Wadenmuskel und Sprunggelenk durch Bewegung, kann nun das Blut aus dem gestauten Bein wieder in Herzrichtung abfließen und das Ödem mindert sich. In der Folge verbessert sich die Schmerzsituation und die Versorgung der Haut, was die Abheilung des Ulkus fördert. Da Bewegung der Schlüssel zum Erfolg die Kompressionstherapie ist, sollte der Betroffene dazu angeregt werden, sich ausreichend zu bewegen.

Anwendersicherheit geht vor Technik!

Zu Beginn der Kompressionstherapie, in der sogenannten Entstauungsphase, geht es darum, das Ödem durch eine konsequent getragene kräftige Kompressionsversorgung zu beseitigen. Hierbei kommen in Deutschland vor allem Kurzzugbinden zur Anwendung. Was die „richtige“ Technik zum Erstellen einer Kompressionsbandagierung mit Kurzzugbinden ist, ist schwer zu sagen. Von den bekannten Methoden „nach Sigg“ oder „nach Pütter“ gibt es zahlreiche Varianten, zudem existieren noch diverse weitere mehr oder weniger verbreitete Techniken. Aber obwohl Kompressionsbandagierungen mit Kurzzugbinden bereits oft in Studien untersucht wurden, besteht derzeit keine wissenschaftliche Evidenz für die Überlegenheit einer bestimmten Bandagierungstechnik. Der Anwender sollte also diejenige Methode wählen, in deren Anwendung er sich sicher fühlt. Wichtig ist jedoch die Beachtung einiger Grundlagen der Bandagierung, die jedem Versorger bekannt sein sollten.

Eine übersichtliche Zusammenstellung dieser Grundlagen und somit eine einfache, nachvollziehbare und praxisnahe Handhabe für das sachgerechte Erstellen einer Kompressionsbandagierung mit Kurzzugbinden bietet der sogenannte CCB-Score (= Control Score of Compression bandaging). Der CCB-Score hat sich bereits mehrmals in Studien bewährt und umfasst insgesamt sechs grundsätzliche Aspekte, die bei jeder Kompressionsbandagierung zu beachten sind: 

  • mit Watte- oder Schaumstoffbinden, um eine gleichmäßige Druckverteilung zu gewährleisten und (Haut)Verletzungen vorzubeugen (Abb. 1)
  • Beginn der Bandagierung am Großzehengrundgelenk (Abb. 2)
  • Mit ausreichend Druck beginnen, um Stauungsödeme im Vorfuß zu vermeiden 
  • Ferse mit einbinden für eine stabilere Bandagierung und um Hautschäden zu vermeiden (Abb. 3)
  • Die Binde ausschließlich in Herzrichtung abrollen und nicht wieder in Fußrichtung führen (Abb. 4)
  • Einen ausreichend starken gleichmäßigen Kompressionsdruck zwischen 50 und 60 mmHg erzielen

Kompressionstherapie. Richtig gewickelt

Es hat sich erwiesen, dass Bandagierungen mit Kurzzugbinden bereits nach kurzer Zeit erheblich an Druck verlieren. Dieser fällt umso mehr ab, je mehr das Bein in Bewegung gerät, was bei Kompressionstherapie ja essenziell ist. 

Moderne Alternativen zu Kurzzugbinden

Als Alternative zu Kurzzugbinden kommen zur Ödementstauung auch Mehrkomponentensysteme zum Einsatz, die seit 25 Jahren erhältlich sind. Es sind Sets aus 1-4 Binden zur einmaligen Anwendung, die mehrere Komponenten kombinieren, z. B. Polster-, Kurzzug-, Langzugbinden, kohäsive Fixierbinden oder spezielle Schaumstoffbinden und bis zu sieben Tage am Bein verbleiben. Mehrkomponentensysteme sind leichter anzuwenden und erzeugen stabilere Bandagierungen als Kurzzugbinden. Zudem verfügen einige dieser Systeme über Druckindikatoren, die eine Orientierung zur Erzeugung des therapierelevanten Anlagedrucks bieten. Dies haben sie mit den medizinischen adaptiven Kompressionssystemen (MAK) gemein, die ebenfalls zur Entstauung eingesetzt werden können.
Die MAK sind eine moderne Entwicklung, die zunehmend Verbreitung findet. Sie können, je nach Hersteller, unterschiedlich aufgebaut sein. Im Wesentlichen bestehen aber alle Modelle aus einer wiederverwendbaren Manschette, die passgenau um das Bein gelegt und mit Klettung oder Häkchen verschlossen wird. Zudem bieten die Hersteller für starke Fußödeme spezielle Fußmanschetten an. Die leicht zu öffnenden Klett- oder Häkchenverschlüsse ermöglichen das Nachjustieren der MAK, wenn sich das Ödem mindert. Mithilfe von Markierungen oder Schablonen kann hierbei der gewünschte Druck eingestellt werden.

Nach erfolgreicher Entstauung wird keine Versorgung mehr benötigt, die sich bei veränderten Beinumfang anpassen lässt. In der nun folgenden Erhaltungsphase wird die Kompressionstherapie meist mit medizinischen Kompressionsstrümpfen fortgesetzt.   

 

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