Interview zum Thema Mobilität mit Prof. Angelika Zegelin

© Angelika Zegelin

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Interview mit Martin Motzkus und Prof. Angelika Zegelin

 

Im Juni-WUND_letter habe ich Ihnen Wissenswertes rund um das Thema Mobilität mit auf den Weg gegeben. Im Teil 2 lasse ich nun zwei ausgewiesene Experten zu Wort kommen, von denen Sie in Teil 1 schon das eine oder andere gelesen haben.Angelika Zegelin ist Krankenschwester und eine der ersten Pflegewissenschaftlerinnen Deutschlands (seit 2015 im Ruhestand). Sie war fast 20 Jahre Professorin am Institut für Pflegewissenschaft der Universität Witten/Herdecke. Sie ist eine ausgewiesene Fachexpertin auf vielen Gebieten und hat gerade zum Thema Mobilität eine große Anzahl an Projekten zur Mobilitätsförderung durchgeführt. Von ihr stammen unzählige Publikationen in Fachbüchern und Fachzeitschriften seit den 80er Jahren. Auch jetzt, im Ruhestand ist sie noch immer sehr aktiv in der Pflegeszene.

 

Frau Zegelin, Sie haben sich in der Pflegeszene schon vor Jahrzehnten einen Namen gemacht, weil Sie viele Themen pragmatisch und nachhaltig angepackt haben. Welche Themen waren Ihnen immer besonders wichtig?

„Wenn Sie sich meine Vita anschauen, stellen Sie fest, dass ich 2004 meine Dissertation zum Thema Bettlägerigkeit geschrieben habe. Mich hat es immer gewundert, warum es professionell Pflegende und auch Ärzte einfach hinnehmen, wenn Menschen das Wichtigste im Leben verlieren – das ist die Fähigkeit sich zu bewegen. Manchmal ist es ein Ereignis, wie ein Sturz mit nachfolgender Angst vor weiteren Stürzen, meist ist es aber ein schleichender Prozess, der letztlich oft in der Bettlägerigkeit endet. In meinem Buch „Festgenagelt sein: der Prozess des Bettlägerigwerdens“ (2005) finden Sie dazu wissenschaftliche Erkenntnisse und umfangreiche Erklärungen, wie es letztlich dazu kommt. Wenn Menschen dann nicht mehr selbstständig das Bett oder eine Sitzgelegenheit verlassen können, sprechen wir von Ortsfixierung.“

Was empfehlen Sie Pflegenden und Ärzten, die solche Menschen behandeln. Gibt es einen Weg zurück?

„Ja, genau das ist die wichtige Botschaft. Das Thema Mobilität muss einfach eine höhere Priorität bekommen. Um es mal platt zu formulieren: Wenn einer Luftnot bekommt, rennen sofort alle hin und wollen helfen. Mobilität aber verschwindet schleichend, das wird nicht wahrgenommen!“

Was sollte denn getan werden, damit die Betroffenen wieder mobil werden?

„In meinem Buch empfehle ich als sehr einfache Maßnahme das „Drei-Schritte-Programm“ Dabei handelt es sich um ein Motivations- und Trainingsprogramm, das über mehrere Wochen geht. Ich habe unzählige Projekte in Pflegeheimen initiiert und begleitet, die dann plötzlich wieder richtig Leben in den Wohnbereichen hatten. Das einfache Prinzip beinhaltet, dass Bewohner bei jedem Transfer motiviert und unterstützt werden, drei Schritte, etwa vom Bett zum Stuhl zu gehen. Der Effekt ist rasch erfahrbr, die Mobilität nimmt zu und der Unterstützungsbedarf ab. Das macht die Betroffenen stolz, steigert das Selbstvertrauen und spornt zu mehr Bewegung an.“

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 Ist das in Zeiten von Personalmangel denn umsetzbar?

„Betrachten Sie es als eine Investition des Teams in die Bewohner. Die Rendite ist die später leichtere Pflege von Menschen, die einfach mobiler sind. Hier müssen natürlich alle an einem Strang ziehen. Die Ergebnisse sind jedes Mal sehr verblüffend. Bedenken Sie auch, dass Mobilität Teilhabe und Wahrnehmungsförderung bedeutet und damit auch erheblich die Lebensqualität verbessert.“

Gibt es noch weitere Tipps für die Mobilitätsförderung?

„Wichtig ist es, die Bedingungen zu schaffen, die vor Ort die Mobilisation vereinfachen. Also etwa räumlich, bezogen auf die Verfügbarkeit von Hilfsmitteln aber auch die Schulung von geeigneten Konzepten. Letztlich ist Mobilitätsförderung auch ein Risikomanagement, denken Sie an Kontrakturen, Stürze oder etwa den Dekubitus.
Bewegung ist ein Medikament ohne Nebenwirkungen und sollte ärztlich verordnet werden!“


Vielen Dank für das Gespräch!

>> BUCHTIPP >> Angelika Zegelin „Festgenagelt sein. Der Prozess des Bettlägerigwerdens – Bettlägerigwerden erkennen, Immobilität verhindern“ erschienen beim Hogrefe Verlag.

 

 

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