Von der Krankenschwester zur Pflegefachperson: Was macht eine Berufsbezeichnung aus?

© iStock.com/S-S-S

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von Susanne Moser

Vor 20 Jahren wurde die Berufsbezeichnung „Krankenschwester“ offiziell abgeschafft. Heute heißt sie „Pflegefachfrau“ oder neutraler „Pflegefachperson“. Trotzdem hält sich die „Krankenschwester“ hartnäckig - nicht nur im Volksmund, sondern auch bei vielen, die diesen Beruf ausüben. Sind Berufsbezeichnungen in der Pflege vielleicht mehr als nur die Beschriftung eines Namensschildes?


In den 1980er-Jahren war alles so einfach: Menschen in der Pflege hießen „Schwester Christa“ oder „Oberschwester Hildegard“. Heute gehört die Schwarzwaldklinik zu den nostalgischen Fernsehkultserien und bei den Pflegeberufen gab es schon die zweite Namensreform.

Die augenzwinkernd gemeinte Anspielung auf die „Schwarzwaldklinik“ zeigt, wie viel sich in den letzten Jahrzehnten in der Pflege doch verändert hat – in der Ausbildung, bei tradierten Klischees und nicht zuletzt im Selbstverständnis der Pflegenden.

Entgegen aller Veränderungen und Reformen ist die „Krankenschwester“ geblieben, obwohl die Berufsbezeichnung vor 20 Jahren abgeschafft wurde. Was steckt dahinter? Die WUND_letter-Redaktion macht sich auf eine sommerliche Spurensuche.

Ein Rückblick auf die Geschichte der Berufsbezeichnungen in der Pflege

Zunächst zu den Fakten: In den letzten zwei Jahrzehnten hat sich viel bei den Bezeichnungen für Pflegeberufe getan:

  • 2003/2004: Die jahrhundertealte Berufsbezeichnung „Krankenschwester“ und der etwas jüngere „Krankenpfleger“ werden mit dem Krankenpflegesetz 2003 abgelöst durch die „Gesundheits- und Krankenpflegerin“ beziehungsweise den „Gesundheits- und Krankenpfleger“. Gleichzeitig veränderte sich das Ausbildungsziel: Die Pflegenden wurden mit dem damals neuen Gesetz zu eigenverantwortlichen Tätigkeiten ausgebildet – vorher war es eine „verantwortlichen Mitwirkung“ [1,3].

  • 2017/2020: Das Gesetz zur Reform der Pflegeberufe aus dem Jahr 2017 brachte ab dem 01.01.2020 die generalistische Pflegeausbildung – und neue Berufsbezeichnungen. Nach kurzen 16 Jahren verschwanden die Gesundheits- und Krankenpflegerin und der Gesundheits- und Krankenpfleger sowie die Altenpflegerin und der Altenpfleger. Dafür kamen die Pflegefachfrau, der Pflegefachmann oder die Pflegefachperson. Am 31.12. dieses Jahres endet die Übergangsregelung für jene, die noch nach den vorher geltenden Regelungen ausgebildet wurden [2,4].

Neben diesen Veränderungen gilt: Wer bis 2003 zur Krankenschwester ausgebildet wurde, darf es auch weiterhin bleiben [1,2].

Hintergründe: Warum die „Krankenschwester“ offiziell weichen sollte

Der Blick zurück lässt erahnen, dass sich mit der Berufsbezeichnung auch vieles am beruflichen Selbstverständnis änderte. Daher rührt auch die Motivation für das offiziell gewollte Verschwinden der „Krankenschwester“ [3]:

  • Wider tradierter Rollenklischees: Mit der Abschaffung der „Schwester“ wollte man zum einen eine unangemessene Verniedlichung eines hochqualifizierten und komplexen Berufsbildes abstellen. Zum anderen stand die „Schwester“ für das althergebrachte hierarchische Gefälle zwischen der Ärzteschaft und der Pflege [3].

  • Neutrales Berufsbild: Vier von fünf Beschäftigten in der Pflege sind Frauen [5]. Der Pflegeberuf gilt als weiblich, was auch durch die „Krankenschwester“ unterstrichen wird. Mit der Einführung der neutralen „Pflegefachperson“ sollte diese Geschlechterzuschreibung vermieden werden – nicht zuletzt, um den Beruf für Männer attraktiver zu machen [3].

  • Professionalisierung unterstreichen: Die Bezeichnung „Pflegefachperson“ soll die hohe Komplexität und die Professionalität des modernen Berufsbilds transportieren. Diesem Anspruch trägt auch der Wunsch nach Akademisierung der Pflege Rechnung [3].

Ob diese Einschätzungen von allen Pflegenden geteilt werden, bleibt dahingestellt. Denn die „Krankenschwester“ ist mit mindestens genauso vielen positiven Assoziationen belegt wie zum Beispiel Menschlichkeit, Wärme und Empathie.

 

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Die Pflege ist nicht allein

Die Krankenschwester ist bei weitem nicht die einzige Berufsbezeichnung, die im Lauf der Jahrzehnte offiziell abgelöst wurde. So listet die Bundesagentur für Arbeit auf ihrer Website mehrere Dutzende modernisierte Berufe. Darunter sind auch viele, an die man sich im Alltag nur langsam gewöhnt – zum Beispiel: Medizinische Fachangestellte (MFA) statt Arzthelferin, KFZ-Mechatroniker statt Automechaniker oder Medientechnologe Druck statt Drucker [8].

Die Gründe für diese Neuschöpfungen sind ähnlich wie in der Pflege: Berufsbezeichnungen aus dem letzten Jahrhundert passen nicht mehr zu rasanten technologischen Veränderungen und zunehmend komplexeren, neuen Aufgaben. Wer weiß? Vielleicht geht uns in 50 Jahren das „KFZ-Mechatroniker“ ganz leicht von der Zunge (falls es dann noch Autos gibt) – oder auch die „Pflegefachperson“?

Wie möchten Sie in Ihrem Pflegeberuf angesprochen werden?

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Lesen Sie ebenfalls

Marquardt N: Die Beharrlichkeit der Schwester – wann hat sie ausgedient? WUNDmanagement 2022; 16(6):371-372. »

 

 

Quellen

  1. Gesetz über die Berufe in der Krankenpflege und zur Änderung anderer Gesetze. Vom 16. Juli 2003. BGBl Jahrgang 2003 Teil I. Nr. 36, ausgegeben am 21. Juli 2003. unter: http://www.bgbl.de/xaver/bgbl/start.xav?startbk=Bundesanzeiger_BGBl&jumpTo=bgbl103s1442.pdf (abgerufen: 17.07.2024)
  2. Gesetz zur Reform der Pflegeberufe (Pflegeberufereformgesetz – PflBRefG). Vom 17. Juli 2017. BGBl Jahrgang 2017 Teil I Nr. 49, ausgegeben zu Bonn am 24. Juli 2017. unter: http://www.bgbl.de/xaver/bgbl/start.xav?startbk=Bundesanzeiger_BGBl&jumpTo=bgbl117s2581.pdf (abgerufen: 17.07.2024)
  3. Krankenschwester: Sagt man das überhaupt noch? Charité – Universitätsmedizin Berlin. 15.02.2023. unter: https://karriere.charite.de/karrieremagazin/krankenschwester-sagt-man-das-ueberhaupt-noch (abgerufen: 17.07.2024)
  4. Bundesgesundheitsministerium. Pflegeberufegesetz. Stand: 11.04.2024. unter: https://www.bundesgesundheitsministerium.de/pflegeberufegesetz (abgerufen: 17.07.2024)
  5. Bundesagentur für Arbeit. Arbeitsmarktsituation im Pflegebereich. Mai 2024. unter: https://statistik.arbeitsagentur.de/DE/Statischer-Content/Statistiken/Themen-im-Fokus/Berufe/Generische-Publikationen/Altenpflege.pdf?__blob=publicationFile&v=7 (abgerufen: 17.07.2024)
  6. Bundesministerium für Soziales, Gesundheit, Pflege und Konsumentenschutz (BMSGPK). Gesundheitsberufe in Österreich 2023. unter: https://broschuerenservice.sozialministerium.at/Home/Download?publicationId=489 (abgerufen: 17.07.2024)
  7. Schweizer Berufsverband der Pflegefachfrauen und Pflegefachmänner. Korrekte Berufsbezeichnungen in der Pflege – weshalb sie für die Berichterstattung wichtig sind. 14.11.2022. unter: https://sbk-asi.ch/assets/Dokumente-PDF/05_SBK/2022_11_14_Berufsbezeichnungen_und_warum_sie_wichtig_sind.pdf (abgerufen: 17.07.2024)
  8. Bundesagentur für Arbeit.Übersicht über frühere und neue Bezeichnungen anerkannter Ausbildungsberufe. unter: https://web.arbeitsagentur.de/berufenet/geaenderte-berufe#uebersichtueberfruehereundneuebezeichnungenanerkannterausbildungsberufe (abgerufen: 17.07.2024)
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