Das Interview hat Jan Hinnerk Timm geführt.
PD Dr. Christine Blome leitet die Abteilung Patient-Reported Outcomes am Institut für Versorgungsforschung in der Dermatologie und bei Pflegeberufen (IVDP) am Universitätsklinikum Hamburg-Eppendorf. Für den Wund_letter sprachen wir mit Ihr über die Versorgungsforschung.
Frau Dr. Blome, worum geht es bei der Versorgungsforschung?
Die Versorgungsforschung untersucht alle Bereiche der Gesundheitsversorgung und schaut sich die Abläufe an. Wir nehmen dabei die Versorgungsrealität in den Blick und verfolgen somit einen anderen Ansatz als die klinischen Studien, die ihre Erkenntnisse im Wesentlichen aus kausalen Schlüssen ziehen. Wenn wir bei unserer Forschung die Vorgänge und Strukturen der Versorgungsbereiche in den Blick nehmen, gehen wir der Frage nach: „Was passiert tatsächlich, und wie können wir die Gesundheitsversorgung verbessern?“
Wie sieht Versorgungsforschung am IVDP aus und um welche Fragestellungen geht es?
Unser Schwerpunkt ist die Dermatologie. In mehreren Forschungsgruppen widmen wir uns unter anderem den chronisch-entzündlichen Hauterkrankungen. Mit dem Psoriasis-Register kooperieren wir beispielsweise bundesweit mit niedergelassenen Praxen, deren Patientinnen und Patienten im Versorgungsalltag angesprochen und zum Teil über längere Zeit begleitet werden. Die Patienten ebenso wie die Ärzte füllen selbständig unsere Fragebögen aus und geben uns so einen guten Einblick in die tatsächlichen Abläufe in der alltäglichen Praxis. Solche Beobachtungen ermöglichen uns eine Beschreibung der Versorgungsrealität. Auch unsere PsoHealth-Studienreihe dient dazu, Versorgungslücken bei Patienten mit Psoriasis in Deutschland aufzudecken. Ergebnisse aus PsoHealth wiederum münden in die Versorgungsziele, die in der regelmäßigen „nationalen Konferenz zur Versorgung der Psoriasis“ definiert und überprüft wurden.
Wie gelangen die Erkenntnisse der Versorgungsforschung in die Praxis?
Die Nähe zur Praxis ist in der Versorgungsforschung grundsätzlich mit angelegt, denn wir bewegen uns dicht an den Abläufen und kooperieren mit Akteuren innerhalb der Versorgungsstrukturen, um unsere Erkenntnisse zu gewinnen. Wir machen keine Grundlagenforschung, sondern es geht uns konkret darum, die Versorgungspraxis zu verbessern, beziehungsweise dafür entsprechende Möglichkeiten zu benennen oder Werkzeuge bereitzustellen. Im Jahr 2014 entwickelten wir beispielsweise mit dem Wound-QoL einen Fragebogen, der nach dem Prinzip „einfach und kurz“ die Lebensqualität von Menschen mit chronischen Wunden erfasst. Dafür haben wir Daten zu drei etablierten Erfassungsinstrumenten erfasst und dann daraus einen Bogen entwickelt, der quasi „in eine Marktlücke stieß“. Mittlerweile ist unser Wound-QoL der wohl meistverbreitete Fragebogen zum Thema Lebensqualität bei Wunden.
Ein schönes Beispiel für die Bedeutung der Versorgungsforschung für die tägliche Praxis. Frau PD Dr. Blome, vielen Dank für das Gespräch.
Lesetipp aus dem WUNDmanagement-Archiv zu Messinstrumenten zur Erfassung der wundbezogenen Lebensqualität:
- E.-M. Panfil: Standardisierte Messinstrumente zur Erfassung der wundbezogenen Lebensqualität von Menschen mit chronischen Wunden allgemein sowie mit Dekubitus. WUNDmanagement 2015; 9 (5): 194-198. Jetzt downloaden »
- J. Topp, K. Protz, M. Augustin, C. Blome: Bedeutung der Lebensqualitätsmessung bei Menschen mit chronischen Wunden: Die Perspektive der Versorgenden. WUNDmanagement 2021; 15(1):28–32. Jetzt downloaden »