Kongress der Deutschen Gesellschaft für Hygiene und Mikrobiologie
TEIL2
zusammengefasst von Dr. Gudrun Westermann
Auch der DGHM-Kongress fand in diesem Jahr als „DGHM digital“ online statt. Aus drei parallelen Streams und einer Vielzahl von Themen konnten die Zuhörer auswählen.
Überwachungs- und Teststrategien während der COVID-19-Pandemie
Während der COVID-19-Pandemie standen die Krankenhäuser vor der Herausforderung, effektive Überwachungs- und Teststrategien zu entwickeln.
Jana-Michelle Kosub aus Göttingen berichtete über Untersuchungen zu Positivitätsraten von SARS-CoV-2-Tests bei Patienten und Mitarbeitern ohne Symptome und Kontaktpersonen in der Vorgeschichte an zwei Universitätskliniken (UK1) in einer Region mit geringer bis mittlerer Inzidenz bzw. in einer Region mit mittlerer bis hoher Inzidenz (UK2). Zusätzlich wurden die Positivitätsraten von Mitarbeitern mit Symptomen oder Kontaktpersonen im UK2 erhoben.
Bei dieser „Suche nach der Nadel im Heuhaufen“ wurden die Positivitätsraten für verschiedene Gruppen betrachtet, z.B. für stationäre Patienten bei Aufnahme oder während des Krankenhausaufenthalts, für ambulante Patienten und für Mitarbeiter ohne Symptome. Die Positivitätsraten in den verschiedenen Gruppen waren niedrig bis sehr niedrig: beispielsweise lagen sie bei 0,25% für stationäre Patienten bei Aufnahme bzw. bei 0,47% während des Aufenthalts. Die sich daraus ergebenden Numbers Needed to Test lagen in diesen Gruppen bei 389 bzw. 213. Es wurde auch eine Kostenrechnung für das Screening durchgeführt: demnach schlug die Identifizierung eines infizierten Patienten oder Mitarbeiters ohne Symptome oder Kontaktpersonenanamnese mit über 8000 € zu Buche.
Vor diesem Hintergrund und aufgrund der niedrigen Positivitätsraten müssten allgemeine Screening- und Testsysteme auf SARS-CoV-2 zumindest hinterfragt werden, so Kosub.
Die regionalen Fallzahlen scheinen mit der Positivitätsrate beim Aufnahmescreening korreliert zu sein, so dass sie als Orientierungshilfe bei der Entscheidung dienen können, ob ein solches Screening-Programm sinnvoll ist.
Stephanie Heinemann aus Göttingen stellte eine Studie zu Überwachungsstrategien in Krankenhäusern vor. Im Rahmen des B-FAST-Projekts des Netzwerks Universitätsmedizin (NUM) wurden im März 2021 Universitätskliniken sowie nicht-universitäre Krankenhäuser in einem Bundesland mit hoher (Bayern) und in einem mit niedriger (Niedersachsen) Inzidenz mittels eines Online-Fragebogens befragt. Dabei ging es z.B. um Fragen, die zur Einschätzung des Infektionsrisikos von Patienten (einschließlich Temperaturkontrollen) bei der Aufnahme gestellt wurden, auf Teststrategien für Patienten und verschiedene Screening-Indikationen.
Bei der Aufnahme wurden am häufigsten die Symptome (95%) und der Kontakt zu einer Person, die positiv auf COVID-19 getestet wurde (94%), erfragt. Krankenhäuser in Niedersachsen stellten häufiger Fragen zu Beruf und Reisen. Krankenhäuser in Bayern überprüften häufiger die Temperatur der Patienten bei der Aufnahme. In allen Krankenhäusern wurden die Patienten regelmäßig auf eine SARS-CoV-2-Infektion getestet. In Universitätskliniken wurden bestimmte Patientengruppen häufiger auf eine asymptomatische SARS-CoV-2-Infektion getestet, z.B. besonders gefährdete Patienten und Patienten, die während der Behandlung keine Maske tragen können.
Die Untersuchung zeigt also, dass es bei der Überwachungs- und Teststrategie für stationäre Krankenhauspatienten große Überschneidungen gibt. Dennoch gibt es einige Unterschiede. In Universitätskliniken werden mehr PCR- und Antikörpertests durchgeführt als in nicht-universitären Krankenhäusern. Krankenhäuser in einer Region mit höherer Inzidenz achten mehr auf den Kontakt zu Personen mit COVID-19-Symptomen und auf die Patiententemperatur. Im Gegensatz dazu stellten Krankenhäuser in einer Region mit geringerer Inzidenz häufig Screening-Fragen zu einer möglichen Exposition durch Reisen oder Beruf.
Frauke Mattner aus Köln und Kollegen suchten nach den Quellen von SARS-CoV-2-Infektionen bei Krankenhausmitarbeitern in drei Kölner Krankenhäusern. Dadurch sollte herausgefunden werden, ob und in welchem Ausmaß sich Krankenhausmitarbeiter nosokomial mit SARS-CoV-2 infizierten, und ob und in welchem Ausmaß sie sich durch infizierte Patienten oder infizierte Kollegen ansteckten.
Alle neu mit SARS-CoV-2 infizierten Mitarbeiter wurden befragt, ob sie sich an relevante Kontakte zu bekannten SARS-CoV-2-positiven Personen erinnern und wenn ja, wie der Kontakt aussah (Dauer, Raum, Entfernung, PSA).
Im Ergebnis ergaben sich wahrscheinliche nosokomiale Fälle in 13%, 20% und 22% und nachgewiesene nosokomiale Fälle in 34%, 21% und 29%. In allen drei Krankenhäusern wurden 27% aller nachgewiesenen nosokomialen Fälle durch einen Kontakt zu einem Patienten infiziert, die restlichen 73% durch einen Kontakt zu infizierten Kollegen.
Ansteckungsmöglichkeiten bestehen also in der Gemeinschaft außerhalb des Krankenhauses, aber auch durch Patienten oder infizierte Kollegen, wobei die meisten Infektionen aus der Gemeinschaft stammten. Die Daten zeigen ein hochkomplexes Übertragungsgeschehen innerhalb und außerhalb der Krankenhäuser, und die vielen verschiedenen Kontaktmöglichkeiten von Krankenhausmitarbeitern stellen für die Infektionskontrolle eine große Herausforderung dar, erklärte Mattner.
Nina Katharina Stock aus Würzburg sprach über Superinfektionen, die als Komplikation bei COVID-19-Patienten bekannt sind. Sie beschrieb eine Zunahme von S. aureus-Blutstrominfektionen (Sa-BSI) auf einer auf ECMO-Behandlung spezialisierten Intensivstation, hauptsächlich bei männlichen COVID-19-Patienten im Zusammenhang mit der zweiten und dritten Welle von SARS-CoV-2-Infektionen in Deutschland.
Während des Untersuchungszeitraumes wurden16 Fälle registriert – mit durchschnittlich 2,3 Fällen/Monat während des Untersuchungszeitraums lag dies deutlich über der Basiserwartung von 0,4 Fällen/Monat.
Bei 15 Patienten wurde S. aureus auch in Atemwegsproben nachgewiesen. Dies war höchstwahrscheinlich auch die Eintrittspforte. Eine frühzeitige Erkennung und Behandlung der S. aureus-Besiedlung könnte das Ergebnis verbessern. Daher sollte bei COVID-19-Patienten, die einer intensivmedizinischen Behandlung bedürfen, ein S. aureus-Screening bei der Aufnahme und eine anschließende Dekolonisierung in Betracht gezogen werden.
Chancen und Grenzen der Modellierung
Chancen und Grenzen der Modellierung waren Thema eines weiteren Symposiums. Andre Karch aus Münster stellte mathematische Modelle zur Evaluation von Maßnahmen zur Kontrolle der Ausbreitung multi-resistenter Erreger vor. Die Anzahl der Fachleute, die sich mit Modellierung beschäftigen, hat mittlerweile deutlich zugenommen. Grundsätzlich aber sei die Modellierung in Deutschland nicht adäquat in die Entscheidungsfindung in Bezug auf Fragen der öffentlichen Gesundheit eingebunden. Eine Modellierungsgruppe am RKI ist beispielsweise erst jetzt im Rahmen der Pandemie wieder aufgebaut worden.
Modelle dienen der Evaluation des Einflusses von Interventionen auf Systemebene.
Erste Modellierungen zur Ausbreitung von MRE und nosokomialen Infektionen berücksichtigten nicht, dass Patientenströme sich nicht zufällig, sondern vielmehr in Netzwerken bewegen. Ab 2010 wurde dies beispielsweise anhand von Daten aus England und den Niederlanden einbezogen. Daraus ergaben sich völlig unterschiedliche Verlegungs-Netzwerke in den beiden Ländern. Z.B. gibt es in den Niederlanden keine freie Krankenhauswahl. Das Verstehen solcher Netzwerke hilft, Schnittstellen zu identifizieren und die Surveillance gezielt und sinnvoll anzupassen, anstatt alle beteiligten Krankenhäuser mit einer nur mittelmäßigen Surveillance zu überziehen. Innerhalb von Krankenhäusern führt beispielsweise Screening speziell bei Patienten und Verlegungen von Intensivstationen zu besseren Ergebnissen, als wenn im ganzen Krankenhaus gleichmäßig gescreent wird.
Händehygiene: Compliance verbessern
Mit einem Klassiker der Hygiene, der Händehygiene-Compliance, befasste sich Claas Baier aus Hannover. Eine Beobachtungsstudie wurde im Juli/August 2020 in einer tertiären Universitätsklinik in Deutschland mit sechs Operationssälen durchgeführt. Ein geschulter Beobachter bewertete die Compliance der hygienischen Händedesinfektion des OP- und Anästhesiepersonals durch direkte Beobachtung gemäß den 5 Momenten der WHO für Händehygiene (WHO-5). N=16 Patienten wurden kontinuierlich im Operationsbereich beobachtet, d.h. während der gesamten perioperativen Versorgung von der Ankunft bis zur Entlassung aus dem Operationsbereich.
Insgesamt wurden 1.145 Gelegenheiten zur Händehygiene beobachtet, von denen 184 auf Chirurgen, 374 auf Anästhesisten, 158 auf OP-Schwestern und 429 auf Anästhesieschwestern entfielen. Die Gesamt-Compliance-Rate betrug 40,8%, wobei der Unterschied zwischen chirurgischem und Anästhesie-Personal (28,4% vs. 46,1%) größer war als zwischen Ärzten und Pflegepersonal (38,5% vs. 42,9%). Insbesondere war die Wahrscheinlichkeit der Compliance bei Anästhesisten höher als bei Chirurgen.
Eine Hypothese könnte sein, dass Chirurgen sich vorwiegend auf die chirurgische Händedesinfektion konzentrieren und dazu neigen, die hygienische Händedesinfektion im Operationssaal zu vernachlässigen, während dieser Unterschied zwischen den medizinischen Fachrichtungen für Krankenschwestern und -pfleger nicht zutrifft (wenngleich auch bei ihnen die Compliance unter 50 % liegt). Maßgeschneiderte zielgruppenspezifische Interventionen (z.B. in Form von Schulungen vor Ort) könnten ein geeigneter Weg sein, um die Bedürfnisse der einzelnen Berufsgruppen bestmöglich zu erfüllen.
Patienten informieren und befähigen
Michelle Voigt aus Göttingen berichtete über die Beratung von Patienten hinsichtlich der Infektionsprävention. Es wurden standardisierte persönliche Interviews mit Patienten durchgeführt, die sich einer elektiven Totalendoprothesenoperation (TEP) unterziehen mussten (Gruppe 1) und die positiv auf MRSA getestet wurden (Gruppe 2). Tendenziell zeigte sich bei MRSA-Patienten im Vergleich zu TEP-Patienten ein erhöhter Beratungsbedarf, gemessen an den offenen Fragen zu MRSA/Krankenhaushygiene. Neben der hohen Akzeptanz von antiseptischen Waschungen bei TEP-Patienten zeigte sich die Mehrheit der Befragten bereit, die Kosten dafür zu übernehmen.
Die Umsetzung von Beratungsprogrammen für Patienten sollte zielgruppenspezifisch erfolgen, erklärte Voigt, und so die Patientenbefähigung unterstützen.
Ausbrüche durch kontaminierte Endoskope
Paulina Marie Scholz aus Hannover beschäftigte sich mit nosokomialen Ausbrüchen durch Endoskope in der Gastroenterologie. Berichte über Erregerübertragungen über Endoskope, die zu nosokomialen Ausbrüchen führten, wurden systematische in der Worldwide Outbreak Database sowie in PubMed und Embase gesucht.
73 Ausbrüche mit Übertragungen auf 7.353 Patienten wurden eingeschlossen. Die untere gastrointestinale Endoskopie war mit 12,8 % mit der höchsten Befallsrate verbunden. Es wurden Enterobacteriaceae und Viren übertragen, während bei der oberen gastrointestinalen Endoskopie und bei der ERCP auch nicht-fermentierende aerobe Stäbchen verbreitet waren. Der Hauptgrund für kontaminierte Endoskope war eine unzureichende Wiederaufbereitung des Geräts. Bemerkenswert ist, dass die Qualität der manuellen Aufbereitung schlechter war als die der maschinellen Aufbereitung.
Diese Studie zeigt das Risiko nosokomialer Übertragungen und nachfolgender Infektionen durch endoskopische Verfahren auf, wobei der Schwerpunkt auf Verstößen gegen die Standardarbeitsanweisungen bei der manuellen Aufbereitung liegt, betonte Scholz. Daher wird eine kritische Überprüfung der Aufbereitungsabläufe dringend empfohlen, wenn der Verdacht auf eine unsachgemäße Handhabung von Endoskopen besteht.
++ Diese und zahlreiche weitere Vorträge sind für angemeldete Teilnehmer noch On Demand auf der Kongress-Plattform verfügbar. ++
Teil 1 des Kongressberichts lesen Sie hier, u.a. mit Vorträgen über
– Neue Antibiotika
– Surveillance
– Nosokomiale Krankheitserreger
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