von Dr. Gudrun Westermann
Die Relevanz wirksamer Desinfektionsverfahren hat angesichts wieder zunehmend auftretender antibiotikaresistenter Erreger in den letzten Jahren spürbar zugenommen. Ob die Anforderungen an die Zulassung in der europäischen Biozidverordnung abgebildet werden und welche Aufgaben die KRINKO vor diesem Hintergrund hat, darüber sprach Dr. Anne Marcic vom Ministerium für Soziales, Gesundheit, Jugend, Familie und Senioren, Schleswig-Holstein. Vier weitere Referent:innen stellten interessante Daten aus dem Fachbereich vor. Andreas Hoffmann vom Universitätsklinikum Augsburg berichtete über mobile technische Lösungen zur Raumdesinfektion mit aerosoliertem Wasserstoffperoxid.
Dr. Anne Marcic vom Ministerium für Soziales, Gesundheit, Jugend, Familie und Senioren, Schleswig-Holstein sprach über die Verfügbarkeit wirksamer Desinfektionsmittel und erklärte, dass die Bedeutung wirksamer Desinfektionsverfahren angesichts des zunehmenden Auftretens antibiotikaresistenter Erreger in den letzten Jahren wieder gestiegen ist. Diese erhöhte Bedeutung werde allerdings in den Anforderungen an die Zulassung von Desinfektionsmitteln im Rahmen der europäischen Biozidverordnung nicht abgebildet. Dort stehen bei der Bewertung von Desinfektionsmitteln die Gefahren im Sinne einer möglichen Toxizität im Fokus – der Schutz der menschlichen Gesundheit bedeutet in der Verordnung den Schutz vor schädlichen Wirkungen des Biozidproduktes. Das Schutzziel der Anwendung von Desinfektionsmitteln wird dabei außer Acht gelassen. Daher führen die Regelungen der Biozidverordnung zu Einschränkungen der Verwendung potenter Wirkstoffe. Eine Nutzen-Risikobewertung liegt dabei nicht zugrunde. Zu dieser Problematik haben VAH und IHO sich bereits in einer gemeinsamen Stellungnahme geäußert (Hyg Med 2017; 42(1–2): 9–10).
Eine KRINKO-AG soll nun Bereiche identifizieren, in denen die Verwendung besonders geprüfter Desinfektionsmittel erforderlich ist und die Anforderungen formulieren, denen diese Desinfektionsmittel genügen müssen. Welche Konsequenz daraus abzuleiten ist, z.B. eine Änderung des nationalen Infektionsschutzrechtes, muss sich noch zeigen.
Johanna Köhnlein, Schwerin, stellte die T25-Methode vor, eine erweiterte Methode zur Reduktion der Zytotoxizität bei der Prüfung der viruziden Wirksamkeit chemischer Desinfektionsmittel.
Sie erklärte, dass bei der Prüfung der viruziden Wirksamkeit durch die Titration von nicht inaktiviertem Restvirus auf Zellkulturen immer auch Reste des zu prüfenden Biozids in unterschiedlicher Konzentration in Kontakt mit den Kulturzellen gelangen und noch in sehr hohen Verdünnungsstufen zu zytotoxischen Effekten führen können.
Bei der T-25-Methode mit Hilfe von Zellkulturen wird nach der Inkubation der Virus-Biozid-Mischung dem Prüfansatz am Ende der jeweiligen Kontaktzeit ein Aliquot entnommen, in einer Titrationsreihe in 1:10 Verdünnungsstufen verdünnt und anschließend 100 μl Aliquots der einzelnen Verdünnungsstufen in T-25-Zellkulturflaschen pipettiert. Mit dieser Vorgehensweise ließen sich oft bessere Ergebnisse erzielen, so Köhnlein. Durch die Verimpfung einzelner Verdünnungsstufen in die T25-Zellflaschen kann die Zytotoxiziät von Desinfektionsmitteln gesenkt und somit die Sensitivität der Methodik erhöht werden.
Prof. Dr. Katrin Steinhauer, Kiel, stellte Daten einer vergleichenden Studie zum Gussplattenverfahren bei der Tuberkulozidie-Prüfung vor. EN 14348, die Norm für die Prüfung der mykobakteriziden Wirksamkeit von Desinfektionsmitteln, steht zur Überarbeitung an. Mycobacterium terrae ist laut dieser Norm der Ersatzorganismus für die Prüfung der Wirksamkeit von Bioziden gegen M. tuberculosis, das klinisch wichtigste Mykobakterium, für das die Wirksamkeitsprüfung langwierig und teuer ist. In anderen europäischen Normen wie EN 13727 hat sich das Gussplattenverfahren gut etabliert. Daher wurde in der vorgestellten Studie untersucht, ob M. terrae mit Hilfe von Gussplatten kultiviert werden kann. Die Daten wurden direkt mit Daten, die mit der in EN 14348 beschriebenen Methodik erzielt wurden, verglichen. Bei der Verwendung von Gussplatten waren die Kolonien deutlich kleiner und viel gleichmäßiger in Form und Größe. Durch beide Verfahren ließen sich aber sowohl unter sauberen als auch unter schmutzigen Bedingungen konsistente Daten erhalten.
Andreas Hoffmann vom Universitätsklinikum Augsburg berichtete über mobile technische Lösungen zur Raumdesinfektion mit aerosoliertem Wasserstoffperoxid. Die Raumdesinfektion mittels kaltvernebeltem oder aerosoliertem Wasserstoff-Peroxid (H2O2) weist ein breites Wirkungsspektrum auch gegen Bakteriensporen auf. Die automatische Raumdesinfektion ist besser standardisierbar und validierbar, allerdings ist die Implementierung entgegen den Werbeaussagen der Hersteller nicht völlig unproblematisch.
Die Herausforderungen umfassen die Indikationsauswahl für den Einsatz, die Validierung, die Raumvorbereitung, und auch die Arbeits- sowie Patientensicherheit. Gerade die Messung der sicherheitsrelevanten Konzentrationen von H2O2 war aufwändig, erklärte Hoffmann; trotz integrierter Sensoren an dem Gerät sind externe Sensoren erforderlich, um insbesondere niedrige, aber MAK-relevante Konzentrationen noch feststellen zu können. Wird ein Raum schnell wieder benötigt, muss er mit Vollatemschutz betreten und die schnelle Lüftung eingeleitet werden. Dadurch kann die vom RKI empfohlene Restgaskonzentration von 0,5 ppm nach etwa 2 h erreicht werden.
Die Turn-around-Time für das Verfahren ist dementsprechend relativ hoch. Vor der Anschaffung empfiehlt sich daher eine genaue Prüfung, welche Methode und welches Gerät für den geplanten Einsatzzweck am geeignetsten ist, betonte Hoffmann abschließend.
Dr. Florian Brill, Hamburg, stellte eine Studie vor, in der der Einfluss verschiedener Alkoholkonzentrationen auf die Wirksamkeit gegen Adenoviren untersucht wurde vor dem Hintergrund, dass Händedesinfektionsmittel häufig auf Alkoholen wie Ethanol oder 1- und 2-Propanol basieren. Ebenfalls untersucht wurde der Einfluss unterschiedlicher pH-Werte und Temperaturen.
Für Ethanol und n-Propanol ergab sich eine optimale Wirksamkeit für Konzentrationen von etwa 60 – 70% bzw. 50% – 60%, mit höherer Konzentration sinkt die Wirksamkeit aber wieder ab. Wurde der pH-Wert der alkoholischen Lösungen mit Ethanol und n-Propanol auf 9 erhöht, konnte eine Wirksamkeit bereits nach 30 Sekunden (statt nach 60 Sekunden) erreicht werden, während eine Verringerung des pH-Wertes auf 3 zu einem deutlich reduzierten Reduktionsfaktor führt. Eine Erhöhung der Testtemperatur bei Ethanol und n-Propanol mit einer Konzentration von 80% korrelierte ebenfalls mit einer erhöhten Wirksamkeit, wobei der Effekt bei n-Propanol deutlicher war. Isopropanol zeigte insgesamt eine sehr schwache, nicht ausreichende Wirksamkeit.
Diese Ergebnisse zeigen, dass neben der Wirkstoffkonzentration auch die Formulierung des Händedesinfektionsmittels relevant für die Wirksamkeit ist, erklärte Brill. Das ist bedeutsam für die Entwicklung neuer und die Verbesserung vorhandener Händedesinfektionsmittel.
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