Versorgungsforschung aktuell Die Wunde ist nicht das Problem

Die Versorgungsforschung nimmt das Gesundheitssystem in den Blick und versucht, wissenschaftlich zu ergründen, wie erfolgreich Dienstleistungen, Materialeinsatz und Methoden bei der medizinischen und pflegerischen Versorgung funktionieren. Hierbei legt die Versorgungsforschung einen besonderen Fokus auf den Patienten und untersucht, welche Konsequenzen das Zusammenspiel der Kräfte im deutschen Gesundheitswesen für den Einzelnen hat. Eine aktuelle Veröffentlichung des Instituts für Versorgungsforschung in der Dermatologie und bei Pflegeberufen (IVDP) am Universitätsklinikum Hamburg-Eppendorf widmet sich den individuellen sozialen Konsequenzen von chronischen Wunden.

 

Konsequenzen chronischer Wunden

Chronische Wunden bringen für die Betroffenen eine Vielzahl an Belastungen mit sich. Hierzu gehören Schmerzen, belastende Gerüche sowie Beeinträchtigungen der Körperhygiene und der Mobilität. In der Konsequenz mindert sich die Lebensqualität dieser Patienten somit in mehrfacher Hinsicht. Gleichzeitig steigt die Abhängigkeit von Anderen, weil sich die Möglichkeiten, ein selbstbestimmtes Leben zu führen, zunehmend einschränken. Neben Stress und Sorgen, die das Krankheitsbild begleiten, wird insbesondere der Wundgeruch immer wieder als erhebliche Einschränkung erwähnt, die das Beleben sozialer Kontakte oder eine Partnersuche erschwert. Menschen mit chronischen Wunden geraten in der Folge oft in eine Abwärtsspirale an deren Ende soziale Isolation und Depression stehen. Ein Schlüssel zur Vermeidung solcher Konsequenzen chronischer Wunden ist die Stärkung persönlicher Kontakte und die Ermöglichung sozialer Teilhabe.

 

Die Erfahrungen ähneln sich

Doch wie gestalten Menschen mit chronischen Wunden ihr Sozialleben? Dieser Frage widmete sich ein Forscherteam um Toni Maria Klein, Wissenschaftliche Mitarbeiterin am IVDP. Hierfür wurden vierzig internationale Studien ausgewertet, die zwischen 1986 und 2019 veröffentlicht wurden und über die soziale Teilhabe von Menschen mit chronischen Wunden – Ulcus cruris venosum, andere Beinulzera, Diabetisches Fußulkus und Dekubitus – direkt oder indirekt Aufschluss gaben. Es zeigte sich, dass sich die Erfahrungen der Betroffenen ähnelten, unabhängig davon, welche chronische Wunde vorlag. Familienmitglieder galten beispielsweise immer als wesentlichste Stütze, sowohl in Form von praktischer Hilfe, etwa bei der Wundversorgung, als auch als emotionale Unterstützung. Letzteres ist von besonderer Bedeutung, da viele Betroffene aufgrund der Einschränkungen im Zusammenhang mit ihrer Wunde, Hobbys oder gar ihre Tätigkeit aufgeben müssen. Außerhalb des Familienkreises zeigte sich, dass die bloße Anzahl von Freunden und Bekannten nichts über das soziale Erleben von Menschen mit chronischen Wunden aussagt, da verhältnismäßig viele Betroffene angaben, „niemanden belästigen zu wollen“, und daher nur wenige enge Kontakte pflegen. Die in dieser Untersuchung ermittelten Aspekte, die zu einer sozialen Isolation beitragen waren: ein Gefühl der Einsamkeit, seltene gemeinsame Unternehmungen, schlechte soziale Interaktion und der Kontakt zu lediglich einer Person – manchmal nur der behandelnden Pflegekraft.

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Die Ergebnisse der Übersichtsstudie des IVDP weisen auf die besondere Rolle hin, die eine adäquate pflegerische Versorgung für Menschen mit chronischen Wunden spielt. Die einzigartige Beziehung der Betroffenen zu ihren Pflegekräften wurde von jenen mehrheitlich betont. Dieses Verhältnis geht über die Wundversorgung hinaus und wird als wichtige emotionale Bindung empfunden, was die Bedeutung einer kontinuierlichen Betreuung verdeutlicht. Die Untersuchung verdeutlicht zudem, dass es hinsichtlich sozialer Konsequenzen keinen Unterschied zwischen den verschiedenen Wundarten gibt.

Die Originalarbeit „Social Participation of people with chronic wounds: a systematic review“ von Toni Maria Klein, Valerie Andrees, Natalia Kirsten, Kerstin Protz, Matthias Augustin und Christine Blome erschien im International Wound Journal 2021; 18(3).


In der Ausgabe 3 der Zeitschrift WUNDmanagement wurde diese Studie von Mario Gehoff in der Rubrik „Neues aus der Versorgungsforschung in deutscher Sprache zusammengefasst – hier der Link zu diesem Beitrag: PDF-Download

 

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