Todesursachen im Zusammenhang mit Infektionen durch SARS-CoV-2

© iStock.com/narvikk

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von Alexandra Ron, Prof. Dr. med. Klaus Püschel (Universitätsklinikum Hamburg-Eppendorf)
veröffentlicht in WUNDmanagement 3.2020

Hintergrund

Mit der starken Zunahme der Infektionen durch das neuartige Corona-Virus (SARS-CoV-2) in Deutschland seit Ende Februar 2020 und der Erklärung der WHO einer weltweiten Pandemie am 11.03.2020 wurden schnelle und weitreichende Entscheidungen der Bundesregierung getroffen, um das Infektionsgeschehen in Deutschland einzudämmen. Das Ziel war und bleibt es, eine Überlastung des Gesundheitssystems zu verhindern.

Hamburgs Vorgehen im Hinblick auf SARS-CoV-2

Mit den ersten Verstorbenen infolge einer SARS-CoV-2-Infektion Ende März in Hamburg sah sich das Institut für Rechtsmedizin am Universitätsklinikum Hamburg-Eppendorf in der Verantwortung, die Pathogenese dieser sich rasant ausbreitenden Lungenerkrankung zu ergründen. Dabei hielten wir uns bewusst nicht an die Empfehlungen des Robert Koch-Instituts zum Umgang mit SARS-CoV-2-infizierten Verstorbenen, eine innere Leichenschau zu vermeiden. In den ersten 4 Wochen seit dem ersten Todesfall durch SARS-CoV-2-Infektionen in Hamburg wurde jeder durch Abstrich bestätigte Covid-19-Fall seziert – diesem Bericht liegen die ersten 200 Fälle zugrunde. Die Obduktionen wurden durch die Gesundheitsämter nach dem § 25 (4) des Infektionsschutzgesetzes angeordnet. Bei steigenden Zahlen von Infektionen und entsprechenden Todesfällen konnte das bisherige Vorgehen nicht im gleichen Umfang fortgeführt werden. Auch wenn aktuell nicht mehr jeder Fall obduziert wird, werden alle an Covid-19 Verstorbenen in enger Zusammenarbeit mit den Gesundheitsämtern, Krankenhäusern, Hausärzten und Pflegeeinrichtungen zentral im Institut für Rechtsmedizin registriert und analysiert. Parallel wurde ein systematisches Screening mittels eines Nasen-Rachen-Abstrichs aller in das Institut für Rechtsmedizin eingelieferten und in den Krematorien zu begutachtenden Toten etabliert. Dieses Screeningverfahren erwies sich als sehr aufschlussreich – es kam zu „Zufallstreffern“, die sonst unentdeckt geblieben wären. Es konnte somit postmortal systematisch ein potentieller Bezug der Corona-Infektion mit dem Tod hergestellt und weiter analysiert werden.

Die ersten Obduktionsergebnisse aus Hamburg

Am 11.5.2020 lagen dem Institut für Rechtsmedizin 207 Fälle mit bestätigten SARS-CoV-2-Nachweisen vor. Dabei war in 200 Fällen eine Viruspneumonie durch COVID-19 todesursächlich. Unter den COVID-19 Sterbefällen waren bislang 112 Männer und 88 Frauen mit einem Durchschnittsalter von 79,4 Jahren (Spannweite 31–99 Jahre; Abb. 1). Die meisten infizierten Personen verstarben im Krankenhaus oder in einer stationären Pflegeeinrichtung (Abb. 2). Die Infektion der Atemwege und der Lunge als terminal führende Todesursache wurde regelmäßig von schweren kardiopulmonalen, malignen und neurologischen/ neurodegenerativen Grunderkrankungen begleitet, gefolgt von bakteriellen und nosokomialen Infektionen, die mit der intensivtherapeutischen Behandlung und Langzeitbeatmung einhergingen (Abb. 3). Ungewöhnlich war die Erkenntnis, dass eine Vielzahl der Verstorbenen tiefe Beinvenenthrombosen und rezidivierende Lungenembolien zeigten – ein Umstand, den es weiter zu erforschen gilt. Dieser Befund hat bereits Eingang in die Leitlinien verschiedener medizinischer Fachgesellschaften gefunden. Die im Rahmen der Obduktionen gewonnen Gewebeproben aus sämtlichen Organen und Körperflüssigkeiten liefern entscheidedende morphologische und virologische Befunde und können mit den Krankheitsverläufen korreliert werden. Daraus entstanden bundesweite wissenschaftliche Kooperationen mit diversen medizinischen Forschungseinrichtungen.

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Problemfeld: chronische Wunden

Aufgrund des Alters, der zugrunde liegenden Ko-Morbiditäten und der akuten Infektion mit SARS-CoV-2 sind diese Patienten stark gefährdet, unter chronischen Wunden zu leiden. Das Risiko steigt, wenn eine invasive Beatmung und eine Behandlung auf einer Intensivstation notwendig werden. Immobilität nimmt zu, ebenso die aus der Infektion resultierenden septischen Komplikationen. Spezielle Risiken bestehen in Endothelschäden, Hyperkoagulabilität, Thrombosen und Embolien. In solchen Fällen sehen sich die Behandler und Pflegenden mit lagebedingten Geschwüren, thromboembolischen Komplikationen in Form von venös und/oder arteriell begründeten Ulzerationen und unter Umständen mikroembolischen (auch septischen) Nekrosen der Akren konfrontiert.

Tödliche Corona-Virus-Verläufe und chronische Wunden stehen nicht in Zusammenhang

Während sich das Spektrum der Wundinfektionen in den meisten Fällen auf Bakterien und eventuell Pilze konzentriert, spielen die Viren bei Wundinfektionen, wenn überhaupt, eine untergeordnete Rolle. Unter den untersuchten Verstorbenen zeigten sich in 12 Fällen (etwa 10 % aller Fälle) chronische Wunden in Form von leichtgradigem Dekubitus Grad I und II (3 Fälle), Dekubitus Grad III und IV (5 Fälle), Ulcus cruris bei bekannter Varikosis (1 Fall), einem Unterschenkelgeschwür mit Knochenbeteiligung bei bekannter pAVK (1 Fall) sowie Gewebsnekrosen an Zehen und Fingern (3 Fälle). In unserem Untersuchungskollektiv gab es bisher keine Hinweise, dass chronische Wunden in einem Zusammenhang mit dem tödlichen Geschehen standen. Andererseits liegen uns keine Daten vor, wie viele dieser Wunden erst seit dem Krankheitsbeginn aufgetreten sind oder sich danach verstärkt haben. Nach hiesiger Einschätzung dürfte es sich bei den meisten Fällen um bereits vor dem Krankheitsausbruch mit dem Corona-Virus bestehende chronische Wunden handeln.

 

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